Alles, was ihr über die große Bitcoin-Spaltung wissen müsst
Bild: Flickr | Ruth Hartnup | Lizenz: CC BY 2.0 | Bearbeitung durch den Autor

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Alles, was ihr über die große Bitcoin-Spaltung wissen müsst

Erstmals hat in der Geschichte von Bitcoin ein "Hard Fork" stattgefunden - doch was bedeutet die Zweiteilung der Kryptowährung?

Seit gestern Abend ist es offiziell: Die Kryptowährung Bitcoin wurde in zwei Teile gespalten. Durch diesen sogenannten "Hard Fork" begibt sich die 38 Milliarden Euro schwere Digitalwährung in unbekanntes und möglicherweise gefährliches Terrain, die den Wert der Währung zum Einsturz bringen könnte. Denn seit Dienstag gibt es sowohl das originale Bitcoin, das bereits seit 2008 existiert, und die neue Alternativ-Währung Bitcoin Cash.

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Die Spaltung wurde gestern Abend um 21:20 Uhr mitteleuropäischer Zeit offiziell, als die chinesische Bitcoin-Firma Bitmain eine eigene Blockchain für Bitcoin Cash schuf – ein Präzedenzfall in der Geschichte der Kryptowährung und ein Ereignis, gegen das der Großteil der Community in den letzten zwei Jahren erbittert gekämpft hat. Tatsächlich sah es noch vor einer Woche so aus, als ob die Möglichkeit einer Spaltung erfolgreich abgewendet würde.

Was ist überhaupt ein "Hard Fork"?

Bitcoiner auf der ganzen Welt sahen dem 1. August mit großer Anspannung entgegen. Letztendlich fand die Spaltung dann erst sechs Stunden später statt, als ursprünglich angekündigt: Um 21:20 Uhr ereignete sich der Hard Fork dann mit der Schaffung des ersten "Blocks" an Transaktionsdaten für Bitcoin Cash, der eine stolze Größe von fast zwei Megabyte aufwies. Zu einem Hard Fork gehört eine Protokoll-Änderung und neue Software, durch die eine zweite, unabhängige Blockchain entsteht, was bedeutet, dass die Nutzer sich entscheiden müssen, ob sie ihre Systeme updaten oder sie weiter die bisherige Blockchain nutzen wollen

Somit ist Bitcoin Cash momentan nach Bitcoin und Ethereum die dritterfolgreichste Kryptowährung.

Die Blocks der bisherigen Kryptowährung Bitcoin dürfen höchsten ein Megabyte groß sein, Bitcoin Cash hingegen kann mit Blocks von bis zu acht Megabyte arbeiten. Dieser Größenunterschied ist einer der bedeutendsten Unterschiede zwischen den Kryptowährungen und einer der Hauptanreize für die Spaltung. Schnell wurde Bitcoin Cash gestern ein zweiter Block hinzugefügt, in dem der Satz "Hello world" zu lesen war. Jeder, der zum Zeitpunkt der Spaltung Bitcoin besaß, erhielt denselben Betrag in Bitcoin Cash – vorausgesetzt die Bitcoin-Börse, die man gewählt hat, unterstützt nun auch Bitcoin Cash. Nun müssen beide Währungen ums Überleben kämpfen.

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Kurz vor der Spaltung war der Wert von Bitcoin noch um knapp 170 Euro auf 2.300 Euro pro Einheit gefallen. Seitdem scheint der Kurs jedoch stabil. Die neue Währung, Bitcoin Cash, zeigte sich hingegen sehr unbeständig. Noch vor dem tatsächlichen Split schrieb die beliebte Kryptowährungsbörse Kraken einigen Nutzeraccounts die neue Währung gut und erlaubte den Handel mit Bitcoin Cash. Innerhalb von zehn Minuten stürzte der imaginäre Preis von Bitcoin Cash jedoch von 340 Euro auf 120 Euro ab. Das klingt zwar erstmal dramatisch, doch gleich nach der tatsächlichen Spaltung kletterte der Preis wieder auf 170 Euro. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels liegt er sogar bei 312 Euro. Somit ist Bitcoin Cash momentan nach Bitcoin und Ethereum die dritterfolgreichste Kryptowährung.

Wie sich Bitcoin und Bitcoin Cash jedoch langfristig entwickeln werden, liegt allein in den Händen der Miner – also den Menschen, die mit ihren Rechnern die Kryptoblöcke lösen, die die Blockchain ausmachen. Denn um mit Kryptowährungen Geld zu verdienen, müssen der jeweiligen Blockchain immer weitere Datenblöcke hinzugefügt werden. Bei diesem Vorgang, der als "Mining" bezeichnet wird, stehen die Nutzer im Wettbewerb miteinander. Sie alle versuchen, per Rechenkraft eine komplizierte Gleichung zu lösen – wem das als erstes gelingt, erhält zur Belohnung Bitcoin.

Bisher ist noch völlig unklar, wie viele Bitcoin-Miner zu Bitcoin Cash übergewandert sind – momentan scheint es jedoch nur ein Bruchteil der Community zu sein. In der Zeit, in der Bitcoin Cash-Miner einen neuen Block lösten, wurden in der originalen Bitcoin-Blockchain bereits Dutzende geschaffen. Offensichtlich fehlt es Bitcoin Cash noch an der nötigen Rechenpower, um Bitcoin Konkurrenz machen zu können.

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Das drastische Ende eines zweijährigen "Bürgerkriegs"

Die Hard Fork ist die überraschende Wende in einer zwei Jahre andauernden Debatte, die die Bitcoin-Community seither in zwei Lager teilte. Dieser "Bürgerkrieg", wie die Diskussion dramatischerweise von einigen in der Community bezeichnet wurde, drehte sich um die Frage, wie man Bitcoin am besten anpassen könne, damit mehr Leute die Kryptowährung nutzen könnten, ohne das System weiter zu verlangsamen.

Bereits Ende 2016 wurde klar, dass die "Blöcke" von Bitcoins Blockchain, über die alle Transaktionen abgewickelt werden, überfüllt waren. Da die technische Infrastruktur von Bitcoin mit der großen Menge an Vorgängen überfordert ist, dauert es teilweise Tage, bis eine Transaktion durchgeführt werden kann. Dadurch stiegen die Wartezeit und die Kosten für Bezahlvorgänge so sehr, dass es sich für die meisten Leute nicht mehr lohnt, mit Bitcoin zu bezahlen.


Ebenfalls auf Motherboard: Zu Besuch in der chinesischen Bitcoin-Mine


Nach langen Überlegungen, wie man die Skalierbarkeit des Systems steigern könnte, schlug der Bitcoin-Entwickler Pieter Wuille das sogenannte Segregated Witness-Update (kurz: Segwit) vor. Die Idee hinter Segwit: Durch ein verändertes Speicherverfahren sollen die ein Megabyte großen Blocks nach dem Update effizienter genutzt werden können – und somit wären auch mehr Transaktionen möglich.

Nach einer großangelegten Nutzer-Kampagne, die die Werbetrommel für Segwit rührte, schien der Großteil der Community Ende Juli von dem Update überzeugt. Daher bereitete sich das Netzwerk darauf vor, das Segwit-Update am 1. August zu implementieren. Dieser sogenannte "Soft Fork" wäre ein Weg gewesen, die Regeln von Bitcoin zu ändern, ohne die Währung in Zwei zu teilen. Das setzte jedoch voraus, dass die Änderung von allen Nutzern unterstützt wird. Da die Miner sich jedoch nicht geschlossen hinter Segwit stellten, entwickelte eine große chinesische Bitcoin-Firma einen Notfallplan: Sie kodierte einen Hard Fork, der die Kryptowährung spalten würde.

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Warum der Notfallplan plötzlich zu Plan A wurde

Da nicht alle Nutzer und Entwickler daran glaubten, dass die Veränderungen durch Segwit tatsächlich ausreichen würden, wurde der ursprünglich hypothetische Plan tatsächlich in die Tat umgesetzt: Bitcoin wurde am Dienstagabend in zwei Versionen gespalten. Das "Cash" in Bitcoin Cash symbolisiert, dass diese neue Version der Kryptowährung von jedem genutzt werden kann, nicht nur von Finanzinstituten oder großen Unternehmen. Die bisher größten Unterschiede zwischen Bitcoin Cash und dem Original: Es gibt kein Segwit, und die Blöcke können aus maximal acht statt nur einem Megabyte bestehen.

Es ist verlockend, Bitcoin Cash und den Hard Fork als leichtsinnige Kurzschlussreaktionen zu betrachten, aber rückblickend betrachtet, sind sie aus einem Impuls entstanden, der schon lange im Bitcoin-Netzwerk spürbar war.

Denn was Bitcoin tatsächlich am Laufen hält, ist nicht der Code oder das Geld: Die Kryptowährung steht für eine bestimmte Lebenseinstellung. Das Bitcoin-Protokoll, das vor fast einem Jahrzehnt von einer anonymen Person oder Gruppe namens Satoshi Nakamoto in die Welt gesetzt wurde, richtete sich klar gegen das Establishment. Bitcoin bildete einen Gegenpol zu großen Banken und Regulierungsbehörden und schlug sie in ihrer eigenen Disziplin: mit einer virtuellen Währung, die mit der Zeit so "echt" wurde, wie der Dollar-Schein oder die Euro-Münze. Und das, obwohl die Kryptowährung lediglich eine Rechengleichung ist, die mittels Mathematik und Computern erschaffen wird.

Somit war es vielleicht Bitcoins eigenes anti-autoritäres Momentum, das die Kryptowährung nun zur Spaltung brachte. Wenn alle dich anbrüllen, dass du dich gefälligst unterordnen sollst, wie es in der jahrelangen Debatte um die Skalierbarkeit der Währung der Fall war, ist es für die grundsätzlich libertäre Bitcoin-Community wohl der einzig logische Schritt, genau das Gegenteil zu tun. Wahrscheinlich spielt auch der Zocker-Instinkt eine Rolle, der Menschen überhaupt erst dazu bringt, Milliarden Euro in eine ausgedachte Währung zu stecken.

Wahrscheinlich wird es Wochen oder sogar Monate dauern, bis man die tatsächlichen Auswirkungen der Spaltung abschätzen kann – ein historischer Schritt in der Geschichte von Bitcoin war sie auf jeden Fall.