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Mysteriöse Lichtkugeln am Himmel geben der Wissenschaft immer noch Rätsel auf

Irrlichter, Aliens, Geister eines toten Häuptlings – um die schwebenden Lichter in Texas ranken sich seit Jahrzehnten Legenden. Mit empfindlichen Spektrometern und Teleskopen sind Elektroingenieure des Rätsels Lösung nun ganz nah.
Eine Illustration der Marfa-Lichter | Bild: flickr | steve baxter | Lizenz: Gemeinfrei

Schon seit Jahrzehnten pilgern Touristen in die texanische Kleinstadt Marfa. Auch wenn Marfa gerade als hippe Künstler-Hochburg gefeiert wird, sind es nicht die hier ansässigen Promis, die die Schaulustigen in ihren Bann ziehen. Denn auf den weiten Ebenen rund um die Wüstenstadt tauchen des Nachts mysteriöse, schwebende Lichtkugeln auf. Obwohl Wissenschaftler inzwischen die Quelle der sogenannten Marfa-Lichter identifizieren konnten, können sie das Phänomen, von dem Menschen bereits im 19. Jahrhundert berichteten, immer noch nicht vollständig erklären.

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"Die Marfa-Lichter, die man hier jede Nacht beobachten kann, sind klein – kleiner als eine Faust", erklärt Karl Stephan gegenüber Motherboard. Er ist einer der Forscher, der dem Rätsel der Lichter auf die Spur kam. "Sie sehen fast aus wie Sterne – gelblich bis weiß – und sie bewegen sich sehr langsam."

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Diese geheimnisvollen Leuchtkugeln können in jeder klaren Nacht beobachtet werden. Sie erscheinen über den Ebenen direkt neben dem Highway vor den Toren der Stadt. Den besten Blick auf das Lichtspektakel hat man von einer Aussichtsplattform, die die Stadt am Highway errichtet hat. Die Wüstenlandschaft im Westen Texas mutet sowieso schon überirdisch an: Hier und da stehen einsame Kakteen oder Grasbüschel, in der Ferne sieht man die zerklüfteten Gipfel der Chinati-Bergkette.

Eine Aufnahme der Marfa-Lichter von der Aussichtsplattform aus | Bild: flickr | Nicolas Henderson | Lizenz: CC BY 2.0

"Es sieht ein bisschen nach Wüste aus, ein bisschen nach Bergen", erklärt Michael Hall, einer der Chefredakteure des Texas Monthly Magazins, der bereits über die Lichter berichtet hat. "Marfa liegt eine Meile über dem Meeresspiegel, daher fühlt sich die Luft anders an als an anderen Orten. Ganz so, als ob hier irgendwas Seltsames passieren könnte."

Über die Jahrzehnte sind viele Legenden entstanden, die die Lichter erklären sollen. Einige Einheimische glauben, dass das Leuchten von einer Laterne stammt, die der Geist eines Apachen-Häuptlings über die Ebene trägt, auf der dieser ermordet wurde. Andere vermuten Irrlichter oder gar außerirdische Besucher hinter den schwebenden Lichtkugeln. Für die meisten Menschen sind die mysteriösen Kugeln jedoch einfach eine willkommene Ablenkung und ein Grund, Marfa einen Besuch abzustatten – ein Umstand, den die Stadt nach Kräften fördert.

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In wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat die Touristenattraktion am Himmel der kleinen Stadt geholfen, zu überleben. Jedes Jahr wird das Marfa Lights Festival gefeiert, und die Stadt hat umgerechnet über 600.000 Euro an Fördergeldern investiert, um ein Besucherzentrum auszubauen. Ausgestattet mit Toiletten und Parkplätzen können Touristen von hier aus die geisterhaften Phänomene beobachten.

Das Besucherzentrum in Marfa | Bild: flickr | Nicolas Henderson | Lizenz: CC BY 2.0

Möglicherweise wären einige Touristen nicht mehr ganz so erpicht darauf, mehrere Stunden in die texanische Wüste zu fahren, wenn sie ahnten, was die meisten Einheimischen bereits wissen: Die Lichter sind nicht so mysteriös, wie sie scheinen. Eigentlich sind sie sogar ziemlich alltäglich.

"Es handelt sich tatsächlich um Scheinwerfer", erklärt uns der Elektroingenieur Stephan. "Scheinwerfer auf dem Highway 67, der sich etwa 15 bis 20 Meilen südlich von der Aussichtsplattform befindet."

Stephan und einige Kollegen haben 2011 in der Fachpublikation Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics eine Studie über die Lichter veröffentlicht. Mit empfindlichen Infrarot- und Ultraviolett-Spektrometern fanden sie heraus, dass die atmosphärischen Bedingungen auf den Ebenen vor Marfa einzigartig sind und dass sie daher die Lichter verzerren, die vom 20 Meilen entfernten Highway ausgestrahlt werden.

Hört euch in unserem englischsprachigen Podcast ‘Science Solved It’ weitere Hintergründe zu den Marfa-Lichtern an:

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Bis die Lichter die Augen der Nachtschwärmer am Besucherzentrum erreichen, haben sie mit den Scheinwerferlichtern von Autos allerdings keine Ähnlichkeit mehr. Vielmehr sehen sie wie seltsame, weiße, schwebende Kugeln aus. Denn die Temperatur, Luftdichte und Luftfeuchtigkeit über der Ebene schaffen eine Atmosphäre, die die Lichtwellen auf diese ungewöhnliche Weise verschwimmen lassen.

"Wenn die Wüste sich erhitzt, wird die Luft über dem Boden aufgewärmt und steigt nach Einbruch der Dunkelheit in kleinen Blasen auf", erklärt Stephan. "Die Luft flimmert, und die Sicht verschwimmt dann so, als würde man durch ein gewelltes Glasstück schauen." Auch für die Berichte aus dem 19. Jahrhundert hat der Elektroingenieur eine Theorie: Damals könnte es sich um die verzerrten Lichter von Lagerfeuern oder Laternen gehandelt haben.


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Das alles klingt natürlich deutlich nüchterner und weniger aufregend als Geschichten von alten Apachen-Geistern. Doch auch mit dieser wissenschaftlichen Erklärung können die Forscher das Mysterium um die Lichter nicht vollständig lüften. Stephan erzählt uns nämlich, dass es verschiedene Berichte über die Lichter gibt, die sich nicht durch verzerrte Scheinwerferlichter erklären lassen: Lichter, die sich rückwärts bewegen, tanzen oder plötzlich verschwinden.

"Mein Kollege Jim Bunnell hat diese Lichter selbst gesehen und sie sogar fotografiert", meint Stephan. "Die Aufnahmen lassen erkennen, dass das Innere der ungewöhnlichen Lichter eine Struktur aufweist, bei der es sich nicht um Scheinwerfer handelt."

Ein wenig Mystik tragen die ewigen schwarzen Weiten der texanischen Wüstennacht also bis heute in sich.