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Technologie

Unsere Zukunft sieht ros(é)ig aus

Avinash Karpe aus Melbourne will Weinabfälle in grünen Biokraftstoff umwandeln. Wenn alles nach Plan verläuft, werden wir also eines Tages unsere Autos mit den Überresten eines 96er Chiantis befeuern können.

Darf ich vorstellen: Avinash Karpe, ein 26-jähriger Chemiker, der zusammen mit seinen Kollegen an der Melbourner Swinburne University of Technology an einem Verfahren forscht, um bei der Weinherstellung anfallende Abfallprodukte in Biokraftstoff umzuwandeln. Wenn alles nach den Plänen von Karpe verläuft, werden wir eines Tages unsere Häuser und Autos mit den Überresten eines 96er Chiantis befeuern können. Darauf sollten wir anstoßen.

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Avinash Karpe und sein Baby, ein 3,5 Liter fassender Bioreaktor. Fotos von David Allegretti.

„Die Technologie dahinter ist eigentlich recht simpel", erzählt uns Karpe im Büro seines Doktorvaters, Professor Enzo Palombo. Die Weinindustrie produziert große Mengen an Abfallmaterial—Stoffe, die von der EU erst kürzlich als Industrieabfälle eingestuft wurden—, die auf der Deponie landen. „Nach dem Pressen der Trauben und der Saftgewinnung bleibt viel Pflanzenmaterial übrig, das normalerweise weggeworfen wird. Also haben wir uns gefragt, ob es nicht möglich sei, aus all den Abfallprodukten etwas Nützliches herzustellen." Genauer gesagt untersucht Karpe, ob er daraus einen Biobrennstoff für ganz unterschiedliche Zwecke (vom Heizen bis zum Transport) herstellen kann.

Mithilfe eines Pilz-Cocktails (bestehend aus Trichoderma harzianum, Aspergillus niger, Penicillium chrysogenum sowie Penicillium citrinum) will Karpe das Abfallmaterial in einfache Kohlenhydrate spalten, die man fermentieren kann, wobei Biokraftstoffe wie Ethanol entstehen. Sollte das funktionieren, würde das Team um Karpe nicht nur dazu beitragen, die weltweiten Industrieabfälle zu reduzieren, sondern gleichzeitig eine „grünere" Alternative zu herkömmlichen Brennstoffquellen anbieten können. Ach so: Habe ich schon erwähnt, dass Karpes Ideen außerdem dabei helfen könnten, den Welthunger erfolgreich zu bekämpfen?

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Karpe bei der Analyse von Abbauprodukten mittels Gas-Chromatographie mit Massenspektrometrie-Koppung (GCMS). Willkommen in Karpes Labor.

„In den USA wird aus Mais und Maisstärke Zucker gewonnen, der dann in Ethanol umgewandelt wird. In Brasilien benutzt man dafür Zuckerrohr", so Professor Palombo. „Unsere Botschaft lautet: Lasst uns bei der Herstellung von Biokraftstoffen keine Stoffe verwenden, die uns Menschen genauso gut als Nahrung dienen könnten. Warum müssen wir Ethanol gerade aus Mais produzieren? Mais ist ein Lebensmittel—das ist also pure Verschwendung. Wir setzen uns dafür ein, dass für den Gewinn von Brennstoffen ausschließlich Non-Food-Biomasse zum Einsatz kommt. Auf diese Weise können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir wandeln Weinabfälle, die sowohl Non-Food-Material als auch ein industrieller Schadstoff sind, in etwas Nützliches um."

Doch damit nicht genug: Weinabfälle könnten ebenso für medizinische Zwecke verwendet werden, etwa indem man aus ihnen Antioxidantien, Krebs-Medikamente oder Antibiotika herstellt. Ein ähnliches, auch pflanzliches Mittel ist Chinin, eine aus der Rinde des Chinarindenbaums gewonnene Substanz, dem beim Kampf gegen Malaria eine entscheidende Rolle zukommt.

Doch wie kam die Idee überhaupt zustande? „Nun ja, Benzin wird immer teurer", erklärt Karpe. „Als Student kann ich mir deswegen kein Auto leisten. Hoffentlich werde ich eines Tages imstande sein, mein eigenes Benzin herzustellen. So wie bei Zurück in die Zukunft." Die Forschung steht erst am Anfang, dennoch ist sich Karpe sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Ideen dieser Art gewerblich genutzt werden können."

„Im letzten Jahr hat das australische Amt für Statistik einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge in Australien jährlich zwischen 1,7 und 1,8 Millionen Tonnen Weinabfälle anfallen. Rund 40 bis 50 Prozent davon landet als Feststoffabfall auf der Mülldeponie. Wir hoffen, dass wir das ändern können", so Karpe.

Noch sind wir weit davon entfernt, unseren Rotwein für die nächste Tankfüllung verwenden zu können. Doch wenn Karpe und seine Kollegen diesen vielversprechenden Weg weiter beschreiten, könnte es eines Tages Wirklichkeit werden, dass unsere Autos auf Rotwein fahren.