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Das Überlebens-Geheimnis der Bärtierchen

Biologen veröffentlichen in einer Studie neue Details, die zeigen wie die Winzlinge sogar im Kochtopf, im Vakuum und unter extremem Druck überleben können.
Ein Bärtierchen. Bild: Wikipedia | CC BY 2.5

Bärtierchen sind die widerstandsfähigsten Lebewesen, die es zwischen Gelsenkirchen und dem Andromedanebel gibt. Sobald es brenzlig wird, verfallen die achtbeinigen Wichte, die weniger als einen Millimeter messen und sich etwas tapsig fortbewegen, nämlich in einen todesähnlichen Zustand. Und wer schon halbtot ist, den kann so schnell nichts mehr umbringen.

Doch was ist das Geheimnis dieser zähen Gewebetiere, die, nicht nur in ausgetrocknetem oder gefrorenem Zustand, sondern auch bei kochender Hitze, extremem Druck oder Ionisation überleben? Diese Frage ließ den Zellbiologen Thomas Boothby von der University of North Carolina nicht mehr los. Also untersuchte er das Genom der Winzlinge. (Die Website des renommierten Wissenschaftlers trägt übrigens den Titel „Biologie an den Grenzen des Lebens".)

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Nach den ersten Untersuchungen zweifelten Boothby und sein Team ihre ungewöhnlichen Ergebnisse an und stuften sie als unbrauchbar ein: Die sequenzierte DNA enthielt lauter Gene, die zu Bakterien und anderen Organismen zu gehören schienen und nicht tierischen Ursprungs waren. „Wir dachten alle, das wären Verunreinigungen", so der Biologe. Doch nach kurzer Prüfung konnten die Forscher ihre Ergebnisse verifizieren und stellten fest, dass das Bärtierchen-Genom diese seltsamen Bestandteile wirklich beinhaltet.

Bei Bakterien steht solch ein Genomaustausch an der Tagesordnung, bei tierischen Organismen jedoch beschränkt sich der Fremdbestandteil mittels horizontalem Gentransfer—der Übertragung von Erbmaterial unabhängig von der Abstammungslinie— auf höchstens ein Prozent. Die Bärtierchen bargen jedoch ganze 17,5 Prozent fremden Erbmaterials, welches nicht nur von Bakterien, sondern auch von Pilzen, Archaeen und sogar Pflanzen stammte.

Dass die Bärtierchen diese Ansammlung fremder Stammzellen nun in sich aufgenommen hatten, scheint an ihrer besonderen Überlebenstechnik zu liegen. Wenn die Gewebetiere ihre Selbstaustrocknung beginnen, spalten sie ihre DNA in kleine Teilchen auf, sobald sie jedoch wieder rehydrieren, werden ihre Zellen durchlässig und nehmen Moleküle und sogar DNA wie ein Schwamm aus ihrer Umwelt auf. Durch diesen Prozess können sie auch nahezu jeglichen Schaden, den ihre eigene DNA davongetragen hat, reparieren.

Dieses Phänomen ereignet sich nun wohl schon seit Urzeiten, vermutet Boothby in der Studie. Und da die Bärtierchen mit der Aufnahme fremden Genoms scheinbar nur noch zäher und toleranter gegenüber ihrem eigenen Austrocknungsprozess wurden, erhöhte sich nun auch ihre Empfänglichkeit gegenüber horizontalen Gentransfers.

Im nächsten Schritt wollen die Biologen nun das Rädertierchen untersuchen. Dieser ebenfalls mikroskopische Vielzeller kann sich nämlich ebenfalls austrocknen. Im Anschluss daran plant Boothby, auch in Würmern, Fischen und Insekten die horizontalen Gentransfers zu erforschen.