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Was könnte ein Hacker mit deinen genetischen Informationen anstellen?

Mit dem Fortschritt der Gen-Analyse steigt auch die Gefahr, dass unsere DNA-Daten in unseriöse Hände gelangen.
Ein Chemiker liest ein DNA-File | Bild: Wikipedia | James Tourtellotte | Public Domain

Die DNA hat als Träger all unserer Erbinformationen schon immer Wissenschaftler und Laien zugleich fasziniert—von der ersten Erkenntnis über die Doppelhelix im späten 19. Jahrhundert über die Entdeckung ihres strukturellen Aufbaus im Jahr 1953 bis hin zur aktuellen Forschung. Und es kann schon eine ziemlich aufschlussreiche, wenn nicht sogar lebensverändernde Erfahrung sein, etwas über seine eigenen, in der DNA enthaltenen genetischen Marker zu erfahren.

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Gentest-Unternehmen wie 23andMe versorgen ihre Kunden mittlerweile direkt mit diesen Informationen, ihre Dienstleistungen sind zugänglicher und werden sogar relativ günstig angeboten. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass bereits mehr als eine Million Menschen ihren Speichel auf diese Art haben genotypisieren und damit all ihre genetischen Informationen katalogisieren (und weiterverkaufen) lassen.

Und wo eine riesige Anzahl persönlicher Informationen an einem Ort gespeichert werden, lassen Hacker natürlich nicht lange auf sich warten. Obwohl es bislang noch zu keinem digitalen Angriff auf ein Gentest-Unternehmen gekommen ist, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bevor jemand in einen der Server einbricht und sich nicht nur Zugang zu deinen Kontodaten, sondern auch zu deinen genetischen Markern verschafft.

Wie besorgt müssen wir also sein, und was könnte passieren, sollte ein Hacker eines Tages unsere DNA in die Finger bekommen?

„Man kann sich Szenarien ausmalen, in denen widerwärtige Menschen versuchen könnten, aus persönlichen Gründen an diese Daten zu gelangen", so der Genetiker Robert Green, der unter anderem Medizin-Professor an der Harvard Medical School ist.

Green, der das Forschungsprogramm „Genomes to People" am Brigham and Women's Hospital in Boston leitet, sagte Motherboard, dass jemand durch einen Hack zwar an große Datenmengen genetischer Informationen gelangen könnte, diese aber wohl eher unbrauchbar wären, solange er nicht auch imstande wäre, diese Informationen spezifischen Personen zuzuordnen (persönliche Informationen werden laut den Datenschutzrichtlinien von 23andMe verschlüsselt). Selbst wenn die genetischen Informationen die Identitäten der Kunden enthalten würden, wären sie in großen Massen eher unbedeutsam.

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Ein Chemiker liest ein DNA-File | Bild: Wikipedia | James Tourtellotte | Public Domain

Viel besorgniserregender wäre ein gezielter Angriff von jemandem aus eurem eigenen Umfeld, der explizit an eure genetischen Informationen gelangen möchte.

„Gäbe es im Datensatz beispielsweise Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung, und ein Arbeitskollege, der es auf eure Stelle abgesehen hat, gelangt daran, könnte er versuchen, diese Information gegen euch zu verwenden", so Green gegenüber Motherboard in einem Telefongespräch. „Oder es könnten zum Beispiel Informationen über die Veranlagung zu einer psychischen Erkrankung in einem Sorgerechtsstreit vom ehemaligen Partner gegen euch verwendet werden."

Green hat in der Vergangenheit darüber geforscht, wie genetische Informationen in der Politik missbraucht werden könnten und sich damals etwa mit der enormen Sorge um Senator John McCains Alter und Gesundheit bei den Wahlen von 2008 auseinandergesetzt. Doch wenn es jemand speziell auf euch abgesehen hat, gibt es deutlich einfachere und weniger riskante Methoden, um an eure genetischen Informationen zu kommen, als in die gesamte Datenbank von 23andMe einzubrechen.

„Es gibt immer noch viele Bereiche, in denen die Menschen nicht ausreichend geschützt sind."

Diese Person könnte zum Beispiel euren Account bei einer Seite für private DNA-Analysen hacken oder eure DNA einfach von einem Kaffeebecher einsammeln und sie selbst analysieren lassen—eine Methode, die, wie Journalisten der Fachzeitschrift New Scientist beweisen konnten, noch im Jahr 2009 erstaunlich leicht durchzuführen war. Arbeitgebern und Krankenkassen in den USA ist es jedoch seit der Verabschiedung des Genetic Information Nondiscrimination Act (GINA) von 2008 untersagt, Leute aufgrund ihrer DNA-Ergebnisse zu diskriminieren.

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Green merkte auch an, dass all diese Angriffe auf dem Irrglauben an einen gewissen „genetischen Determinismus" gründen, also auf der Vorstellung, dass unsere Zukunft sich anhand der DNA ablesen lässt. Die Wahrheit ist jedoch, dass die meisten Krankheiten aus einem komplexen Zusammenspiel aus unserem Lebensstil, der Genetik und anderer Faktoren entstehen. Es gibt nicht ein einzelnes Gen, an dem sich mit Sicherheit ablesen lässt, dass jemand definitiv an Alzheimer erkranken wird.

Wenn riesige Datenspeicher also kein großes Risiko darstellen, ihr euch nicht gerade um ein hohes Amt bewerbt oder die Gefahr besteht, dass euch jemand persönlich schaden will, besteht dann überhaupt Grund zur Sorge?

„Es gibt immer noch viele Bereiche, in denen die Menschen nicht ausreichend geschützt sind", erklärte Sheldon Krimsky, Vorsitzender des Council for Responsible Genetics und Professor für Umwelt- und Städtepolitik und Stadtplanung von der Tufts University.

Krimsky berichtete von einem Fall aus dem vergangenen Jahr, in dem die Polizei DNA-Proben von einem Mordfall und genetische Informationen von der Ahnenforschungs-Seite Ancestry.org dafür genutzt hatte, um eine „familiäre Verbindung" zu einem Regisseur in New Orleans herzustellen. Der Regisseur namens Michael Usry musste der Polizei eine DNA-Probe abgeben—wie sich in der Analyse herausstellte, deckte sich diese aber nicht mit der am Tatort vorgefundenen DNA. Er sagte jedoch, dass allein die Tatsache, plötzlich in einem Fall verdächtigt zu werden, von dem er davor nicht mal etwas gehört hatte, eine ziemlich nervenaufreibende Erfahrung gewesen sei.

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„Ich saß an vielen Tagen einfach nur mit meinem Hund zu Hause", berichtete Usry der Zeitung New Orleans Advocate. „[Ich fragte mich,] ob diese Typen wohl meine Tür mit einem Rammbock aufbrechen und meinen Hund erschießen würden, wenn er zu bellen anfängt."

Dann gibt es da noch die Frage, was die DNA-Analyse-Firmen eigentlich mit all den genetischen Informationen anstellen. 23andMe hat mit zahlreichen Arzneimittelherstellern und Forschern Vereinbarungen über einen Datenaustausch getroffen. Diese Tatsache sollte wenigstens kurz folgende Frage bei den Betroffenen hervorrufen: Kümmert es mich, in wessen Händen meine genetischen Informationen landen, selbst wenn sie anonymisiert sind?

Krimsky sagte, sein Ratschlag an alle Leute, die sich um den Schutz ihrer genetischen Informationen sorgten, sei es, sich mit der Rechtslage in ihrem jeweiligen Bundesstaat oder Land darüber vertraut zu machen, wie sie ihre DNA aus der Datenbank der Polizei entfernen lassen können. Außerdem sollen sie sich den Vertrag genau durchlesen, bevor sie unterschreiben und eine Probe an eines der Unternehmen schicken.

„Findet heraus, ob eure Informationen verkauft oder an Dritte weitergegeben werden sollen", sagte Krimsky. „Wenn das der Fall ist, solltet ihr es euch vielleicht nochmal überlegen."

Die Genforschung entwickelt sich in rasantem Tempo. Und während wir ein immer besseres Verständnis für die Bedeutung der unterschiedlichen genetischen Marker und dafür, wie unsere Gene unser Leben beeinflussen, erlangen, sollten wir besonders genau im Auge behalten, wer über die Geheimnisse unserer DNA Bescheid weiß.