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Nordkoreas Aktivisten brauchen deinen alten USB-Stick, um Kim Jong-Un zu stürzen

Wie eine Menschenrechtsorganisation bis Ende des Jahres 10.000 Filme und verbotene Dokumente per Drohne nach Nordkorea segeln lassen will, um die Informationsmauer zu durchbrechen.
Bild: Flash Drives for Freedom / Human Rights Foundation

Können USB-Sticks die Welt verändern? Zusammen mit nordkoreanischen Aktivisten, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, will eine Tech-Allianz der Human Rights Foundation bis zum Ende des Jahres 10.000 USB-Sticks mit verbotenen Kinofilmen, E-Books, Serien und Dokumenten über die Grenze nach Nordkorea schmuggeln. Eine Drohnenflotte soll die Speichermedien über dem isolierten Land abwerfen—und auch dein verstaubter Stick könnte Teil dieser Informations-Invasion sei.

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„Nach Nahrung und Wasser ist Wissen das, was die Menschen in Nordkorea am meisten wollen", sagte der Programmstratege Alex Gladstein der BBC. Gegen etwaige Informationen aus der Außenwelt herrscht in Nordkorea ein regelrechter Propagandakrieg. Die Volksrepublik hat sogar eigene elektronische Informationstechniken entwickelt, wie zum Beispiel ein eigenes Betriebssystem, um den Kontakt seiner Bevölkerung zu anderen Staaten zu minimieren.

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Unlizensierte elektronische Geräte sind streng verboten, werden aber zum Teil auf Schwarzmärkten gehandelt. Dort gibt es viele Geräte, die im Falle einer Hausdurchsuchung weniger Aufmerksamkeit erregen als ein PC—wie z.B. portable DVD-Player, die einen zusätzlichen USB-Anschluss haben. Einen Rechner dagegen besitzen nur die wenigsten.

Rechner sind alles andere als allgegenwärtig in Nordkorea—DVD-Player mit USB-Anschluss schon eher. Bild: imago

„In der isoliertesten Gesellschaft der Welt sind Flashspeicher wertvolle Bildungs- und Entdeckungswerkzeuge", heißt es auf der Kampagnenwebsite von Flash Drives for Freedom, „und in einer Welt ohne Internet, mit totaler Regierungskontrolle und ohne unabhängige Medien, verlassen sich Nordkoreaner auf diese kleinen Plastikteile. Mit Büchern, Filmen und Erklärungen gefüllt sind sie die Fenster in die Außenwelt".

Von dieser Außenwelt ist Nordkorea weitgehend abgeschnitten. Nur ein Bruchteil der Bürger hat überhaupt (überwachten) Zugriff auf das (zensierte) Internet. Oft bleibt da nur das nordkoreanische Intranet Marke Kim-Jong Un in Büchereien und Universitäten, um nach Informationen zu suchen.

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Und wir alle können dabei helfen, um das zu ändern: In Zeiten von Cloudservern, billigen Speichermedien und Messagingdiensten sind USB-Sticks für uns eine veraltete Technologie und gelten selbst in Unternehmen als Regalhüter unter den Werbegeschenken. Daher fordert HRF die Welt auf, in ihren Schubladen nach ungenutzten USB-Sticks zu wühlen und sie einzusenden. Die Sticks werden formatiert und nach Südkorea geschickt.

2015 nutzte HRW Ballons als Transportmittel für Materialien wie FLugblätter und USB-Sticks. Bild: Human Rights Foundation

Die in Seoul ansässigen Aktivisten von „Flash Drives for Freedom" entscheiden dann, was auf die Speichersticks kommt, um die Informationsmauer für die Landsleute jenseits der Grenze zu überbrücken. Glaubt man den nordkoreanischen Kontaktmännern, sind die kulturellen Vorlieben in Koreas Norden verständlicherweise ein wenig antiquiert: Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone seien sehr beliebt, aber auch „Desperate Housewives" würde gern geschaut, versicherten die Partner im Gespräch mit Wired. Aber auch verbotene südkoreanische Seifenopern oder die „Hunger Games"-Trilogie sollen noch dieses Jahr ins Land gebracht werden. Doch die Inhalte, mit denen die alten USB-Sticks bespielt werden, müssen nicht zwangsläufig westlich produzierte Filme sein. Je nach Größe der gespendeten Sticks wollen die Aktivisten auch Interviews mit geflüchteten Nordkoreanern oder alltägliche Filmaufnahmen aus Südkorea auf die Speicher packen.

Welche politische Brisanz die kleinen Plastikdinger haben, und dass sie durchaus auch als Waffe wahrgenommen werden, daran ließ das nordkoreanische Regime keinen Zweifel. Die Führung in Pjöngjang reagierte wie gewöhnlich maximal unentspannt und drohte bereits im Februar bei Bekanntmachung der Idee an, die New Yorker Zentrale der Menschenrechtsorganisation einfach mal zu bombardieren.

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So einfach ist das? Bild: Screenshot Flash Drives for Freedom / Human Rights Foundation

Doch ob der alleinige Konsum von freien Inhalten hilft, um einen schlagkräftigen Widerstand aufzubauen? Die Hoffnung der Aktivisten ist tatsächlich enorm: Die 24 Millionen Nordkoreaner sollen durch die Medien auf den Sticks letztlich dazu motiviert werden, ihr Regime stürzen, indem sie sich zunächst von eingetrichterten Feindbildern befreien. Auf der Website der Kampagne klingt das alles fast ein bisschen zu einfach: „Schritt 4: Die Bürger glauben Kim Jong Uns' Propaganda nicht mehr und lehnen sich auf."

Mit dem Schmuggel verbotener Gegenstände nach Nordkorea hat die HRF zumindest seit mehreren Jahren Erfahrung: Mal waren es Flugblätter, mal eine elektronische Version der koreanischen Wikipedia. Das Nordkorea-Programm der von Thor Halvorssen Mendoza gegründeten Organisation Human Rights Foundation mit Sitz in New York geriet schon vor einem Jahr in die Schlagzeilen, als es erfolgreich 10.000 Ausschnitte aus dem satirischen Hollywood-Film „The Interview" mit Ballons und auf dem Landweg nach Nordkorea brachte. In der Handlung des fiktionalen Films wird der Diktator Kim Jong-Un getötet—was das Regime wohl nicht nur zu der üblichen Drohkulisse veranlasste, sondern dem Filmstudio Sony Pictures zudem eine Hackingattacke bescherte. Das FBI glaubt, der Absender sei ein nordkoreanischer.

Schon bald könnten deine alten USB-Sticks also an einem Ballon oder einer Drohne befestigt gen Nordkorea segeln—und wenn sie schon keinen Diktator stürzen, werden sie zumindest jemandem einen schönen Abend bescheren.

Auch in anderen repressiv regierten Staaten nutzt die Opposition USB-Sticks—das wohl berühmteste Beispiel ist die kubanische Bloggerin

Yoani Sanchez

, die auf diesem Wege eine subversive Zeitung verbreitete. Sollte der demokratische Wandel in Kuba wirklich eines Tages mal kommen, scherzte sie auf dem von HRF jedes Jahr organisierten Freedom Forum in Oslo 2014, „müssen wir nicht nur Monumente für Dissidenten und Regierungsgegner aufstellen, sondern auch eins für Flashspeicher."