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Ich habe in nur 25 Tagen das Abendland vernichtet

Ich kann mich nur nochmal ausdrücklich entschuldigen. 28.259.619 Menschen sind gestorben und mehr als 1,5 Milliarden Menschen weltweit sind infiziert—und das alles wegen meiner Leidenschaft für Spaziergänge durch die Stadt.

Bild: Screenshot Trailer The Division

Collapse simuliert die weltweite Ausbreitung eines tödlichen Virus bis zum endgültigen Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation.

Basierend auf Daten von OpenStreetMap, Open-Source-Informationen der NASA und IATA-Flugrouten sowie Beiträgen von Experten für Notfall- und Katastrophenschutz umfasst Collapse mehr als 3.800 Städte, in denen zur Zeit 95% der Weltbevölkerung leben. Angelehnt ist die interaktive Simulation an das neue Online-Spiel von Ubisoft, das am 7. März für PS4 und Xbox One und am 08. März für PC auf den Markt kommt: Tom Clancy's The Division.

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Das Prinzip ist simpel: Ich tippe meine Adresse ein und drücke auf Play. Von diesem Moment an ist das Ende der Welt unvermeidlich. Ich bin Patient Null, und wegen mir wird sich ein tödliche Virus weltweit rasant ausbreiten. Die einzige Variable besteht in den (wenigen) Entscheidungen, die ich treffen muss, während die Krankheit sich um mich herum ausbreitet.

Da es sich bei Collapse um ein Spiel handelt, das man nicht gewinnen kann, habe ich beschlossen, rein gar nichts zu tun, um den Schaden zu begrenzen. Stattdessen wollte ich nur komplett irrationale Entscheidungen treffen, vor allem, da wir uns hier in der Motherboard-Redaktion niemals eine gute Gelegenheit entgehen lassen, Katastrophen zu simulieren—ob es sich nun ums Abwerfen von Atombomben oder um eine gute alte Zombie-Apokalypse handelt.

Wie alles begann | Screenhot Collapse

Die Begrüßungsnachricht ist sowohl ernüchternd als auch pragmatisch: „Du hast dich mit Pockenviren infiziert. Du bist der Indexpatient. Du bist der Auslöser einer weltweiten Pandemie. Erfahre auf Grundlage realer Daten, wie lange es dauert, bis die uns bekannte Welt zusammenbricht."

Ich muss also entscheiden, an welchem Ort ich anfangen möchte, andere Leute anzustecken. Da ich nicht die Absicht habe, meine Anschrift anzugeben, entschließe ich mich, mit im VICE-Büro zu beginnen und tippe die Adresse ein: Rungestraße 22-24, 10179 Berlin. Wenn ich schon sterben soll, dann zumindest nicht ganz alleine.

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Tag 1

Ich habe Fieber und mir geht es so schlecht, dass ich ins Krankenhaus muss. Aus fünf Optionen muss ich eine wählen. Da ich mich mit den Krankenhäusern in Berlin inzwischen einigermaßen gut auskenne, wähle ich eins, in dem ich schon behandelt wurde und zufrieden war: Das Klinikum im Friedrichshain. Da weiß ich, was mich erwartet.

Inzwischen ist die Zahl der Infizierten auf 30 gestiegen (sorry, liebe Kollegen, das war echt keine Absicht).

Tag 2

Die Zahl der Erkrankten liegt bei 55.

Offenbar sind „Rettungssanitäter dem Virus besonders ausgesetzt und infizieren sich schnell selbst. Auf dem Weg von einer Notaufnahme zur nächsten verbreiten sie die Krankheit auf andere Krankenhäuser." Das wird auch für mich zum Problem: In meiner bevorzugten Klinik finde ich schon jetzt kein Bett mehr.

„Durchschnittlich stehen 1.000 Einwohnern nur 30 Krankenhausbetten zur Verfügung. In Krisenzeiten ist die Chance auf einen Krankenhausplatz verschwindend gering", informiert man mich. Verzweifelt stelle ich mir schon vor, wie ich auf dem Boden schlafen muss, doch zum Glück wird mir diese Demütigung vom Simulator erspart, der mich wie durch Magie in die Zukunft projiziert.

Ich fühle mich schuldig | Bild: Screenshot Collapse

Tag 5

41.821 Infizierte.

1 Toter (wer auch immer du bist, wisse, dass es mir leid tut).

„Die Krankenhäuser sind überfüllt", teilt mir Collapse nüchtern mit. Mir wird ein Grippe-Impfstoff verschrieben und ich werde nach Hause geschickt. Nachdem ich drei Tage auf dem Krankenhausflur geschlafen habe, kommt mir die frische Luft gelegen. Trotzdem muss ich noch zur Apotheke, um den Impfstoff zu kaufen.

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Collapse meldet zwar, dass „es mindestens sechs Wochen dauert, bis neue Medikamentenlieferungen die Apotheken erreichen", aber das kann ich ja nicht wissen. Daher verlasse ich mich weiterhin auf meinen gesunden Menschenverstand und predige mir selbst: „Vergiss nicht, dem Apotheker deine Krankenversicherungskarte vorzuzeigen, vergiss nicht, dem Apotheker deine Krankenversicherungskarte vorzuzeigen, vergiss nicht, dem Apotheker deine Krankenversicherungskarte vorzuzeigen …"

Ich habe die Wahl zwischen sechs Apotheken. Im Endeffekt entscheide ich mich für die Ahorn-Apotheke, die in der Nähe meiner alten Arbeitsstelle liegt. Da kann ich bei dieser Gelegenheit direkt mal vorbeischauen und hallo sagen.

Ich halte für einen Moment an, um festzustellen, dass die Zahl der Infizierten auf 42.002 gestiegen ist und es bereits zehn Tote gibt (ich kann mich nur nochmals entschuldigen).

All diese kleinen, orange glühenden Punkte stehen für Pocken-infizierte Menschen | Screenshot Collapse

Bevor ich die Apotheke erreiche, gibt es eine kleine Programmänderung: Die Behörden richten Ausgabestellen für Impfmittel an verschiedenen Punkten in der Stadt ein. Dazu zählen Theater und Kinos.

Ich entscheide mich dafür, bis zum Cinestar Cubix am Alexanderplatz zu laufen. Vielleicht habe ich Glück und es läuft gerade die Rocky Horror Picture Show mit den vielen Schauspielern und dem ganzen Drum und Dran. Normalerweise ist das die Art von Show, bei der ich mich entspannen und meine Sorgen vergessen kann. Natürlich interessieren wir uns hier bei Motherboard ausschließlich für Lieder mit hochwissenschaftlichem Inhalt, wie zum Beispiel „Let's do the Time Warp agaiiiin."

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Doch es ist bereits Tag 6

83.163 Infizierte.
54 Tote.

„Die Stimmung kippt." Die Menschen werden unruhig und haben Angst, nicht genug Impfstoffe zu bekommen. Ich soll Vorkehrungen treffen und mich zuhause verbarrikadieren. So viel zum Kinobesuch. Dieses Mal muss ich meine Strapse wohl doch in der Schublade lassen.

Zum Einkaufen muss ich aus fünf Supermärkten in meiner Umgebung wählen. Ich entscheide mich für den Discounter, schließlich ist Sparen niemals eine schlechte Idee. Dort angekommen läuft aber wirklich gar nichts wie geplant. Die Gründe dafür will ich hier aber nicht nennen (außerdem will ich ja nicht das ganze Spiel spoilern). Ich muss jedenfalls auch auf meine Einkäufe verzichten.

Über Flugzeugreisende wird das Virus in kürzester Zeit weltweit verbreitet. Bild: Screenshot Collapse.

Tag 9

Bisher habe ich 165.535 Leute angesteckt (ich spreche jetzt in der ersten Person, da ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor meiner Verantwortung drücken will), unglaubliche 19.118 davon sind bereits gestorben.

„Die Stadt ist nicht mehr sicher", urteilt Collapse. Nun muss ich fliehen. Wenn es nach mir ginge, würde ich mich zu Fuß in ein kleines, ruhiges Dorf in der Gegend verdrücken—wie ihr bemerkt haben werdet, mache ich unglaublich gerne lange Spaziergänge durch Berlin, um so viele Menschen wie möglich anzustecken—aber die Simulation zwingt mich leider, ein Flugzeug zu nehmen. Ich muss also mein Ziel wählen und ein überteuertes Ticket kaufen.

Ich finde mich vor einer Tafel mit dutzenden Städten in aller Welt wieder und zögere: Gehe ich an einen mir verhassten Ort und zerstöre ihn restlos, oder will ich meine letzten Stunden doch in einer meiner Lieblingsstädte verbringen?

Ich entschuldige mich (noch einmal) bei meinen Freunden aus Danzig, aber ich entscheide mich für die zweite Option. Wenn ich schon sterben muss, will ich das lieber dort tun, umgeben von meiner Familie, den vielen Erinnerungen aus meiner Kindheit und den hier verbrachten Sommerferien. Wie heißt es eben so schön? Back to the roots!

Den Rest der Geschichte werde ich euch ersparen. Fazit ist, dass einem nach einer Weile die Dinge ernsthaft zu entgleiten beginnen.

Der Simulation zufolge habe ich insgesamt 26 Tage, 1 Stunde und 49 Minuten gebraucht, um den völligen Zusammenbruch der Zivilisation zu bewirken. 728.259.619 Menschen sind gestorben und mehr als 1,5 Milliarden Menschen weltweit sind infiziert—und das alles wegen meiner Leidenschaft für Spaziergänge durch die Stadt. Ich hätte wohl doch besser daran getan, nicht zur Arbeit zu gehen oder in dem Kaff zu bleiben, aus dem ich ursprünglich komme.