FYI.

This story is over 5 years old.

Kunst

Diese Rorschach-Uhren werden euer Zeitgefühl ordentlich durcheinander bringen

Dylan Kraus Uhren beweisen euch, dass Zeit doch flexibel ist.
Bilder mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und von Shane Gambill

Jeder kennt dieses Phänomen: Möchten wir, dass etwas ewig dauert, haben wir das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt, sind wir aber in einer Situation, die möglichst schnell vorübergehen soll, zieht sich jede Minute hin wie zähes Kaugummi. Nachdem ich aber das Video über den Künstler Dylan Kraus angeschaut habe, sehe ich das alles etwas anders. Schaue ich jetzt genau aufs Ziffernblatt, so sehe ich, dass der Sekundenzeiger anhält—wenn auch nur für einen klitzekleinen Augenblick.

Anzeige

In seinem New Yorker Atelier arbeitet Kraus daran, Uhren zu zerlegen—Er will sie nicht unbedingt „zerstören", sondern ihr zugrunde liegendes  Konzept auseinander nehmen. Mit Hilfe einer Technik, die sich der Künstler beim Rorschachtest abgeschaut hat, erschafft Kraus seine sogenannten Clox. Die Mandalas aus Tinte auf Leinwand zeigen alles mögliche, nur nicht die aktuelle Zeit. „Ich versuche, einen Augenblick zwischen dem Sehen und Erkennen zu kreieren", so Kraus im Gespräch mit The Creators Project. „Eine Hälfte der Uhr sieht ganz normal aus—die andere Hälfte aber ist ihre symmetrische Spiegelung. Ich stelle mir gerne vor, dass sie zur Hälfte versunken ist und durch die Spiegelung ganz erscheint. Zeit ist ein sehr machtvolles Konstrukt. Indem ich damit spiele, hoffe ich, dem Betrachter bewusst zu machen, dass Zeit flexibel sein kann und nicht starr ist."

In dem kurzen Dokumentarfilm von Shane Gambill spricht Kraus mit der ehemaligen Muse des berühmten New Yorker Fotografen Mapplethorpe, Jack Walls, über seine Arbeit. „Dylans Arbeit fiel mir das erste Mal auf, als ich bei einem gemeinsamen Freund zuhause eine seiner Uhren an der Wand hängen sah", berichtet uns Gambill. „Sie hatte etwas sehr Simples und gleichzeitig sehr Komplexes an sich. Das waren zwar erst die Anfänge von Dylans Uhren-Serie, und doch wusste ich sofort, dass ich das Projekt weiter verfolgen würde. […] Die Schönheit und Schlichtheit dieser schrägen Uhren und das, wofür sie stehen, ihre Entstehung durch Symmetrie und Geometrie, all das hat mich zum Nachdenken gebracht."

Anzeige

„Es begann alles mit der Idee, das Konzept der Uhr ins Lächerliche zu ziehen", erzählt Kraus. „Doch schon bald stellte ich fest, dass Uhren im Grunde genommen einen wichtigen Bestandteil der geistigen Gesundheit darstellen. Immer, wenn ich keine Uhr bei mir hatte, also wenn ich irgendwo auf Entzug war, bin ich dadurch echt fast durchgedreht. Jetzt sehe ich die Uhr einerseits als eine Art Felsen, etwas, an dem man sich festhalten kann; andererseits sehe ich sie  auch als künstliches Konstrukt, das unsere Perspektive definitiv beeinflusst und einschränkt."

Kraus' Clox sind also ein wenig wie magische Symbole oder Runen, die den Betrachter verwirren und seinen Verstand für einen Moment verformen. Ihre Wirkung ist in etwa das Gegenteil von dem, was passiert, wenn man einen Satz liest—statt durch das Zusammensetzen der einzelnen Elemente das Ganze zu verstehen, wird man von den ungewöhnlichen Uhren an einen Ort transportiert, an dem man die einzelnen Teile zwar versteht, sie aber in ihrer Gesamtheit dennoch keinen Sinn ergeben. Es ist ähnlich wie mit den Uhrenlandschaften von Dalí, der übrigens Kraus' größte Inspiration gewesen ist. „Es waren seine schmelzenden Uhren, die mich überhaupt erst auf den Gedanken gebracht haben und daher habe ich sie zuerst auch Dalí Uhren genannt. Natürlich unterscheiden sich meine von den seinen, doch das Prinzip ist das gleiche", so Kraus weiter.

„Das beste Erlebnis, das der Betrachter meiner Uhren haben kann, ist, wenn er wie hin- und hergerissen ist zwischen dem Verstehen und dem Nicht-Verstehen, weil genau dann ein Ort für neue Ideen entsteht. Diese Disruption und Verwirrung bieten einen fruchtbaren Boden für alternative Blickwinkel—die Perspektive ist nämlich alles, was ein Künstler anbieten kann, und ich tue das am liebsten durch das eigene Erleben."

Anzeige

Kraus ist also eine Art Schamane, der für seine Betrachter eine Brücke zu einem Ort weit fernab der Zeit schlägt. „Die Uhren zielen darauf ab, uns in die Welt zurück zu versetzen, in der weder die Zeit noch das Alphabet eine Rolle in unserer Realität gespielt haben", folgert Kraus. „Für manche ist das Rorschach-Verfahren ein psychologischer Bezugspunkt, für andere ist es bloß die Technik. […] Es erlaubt dem Verstand, sein eigenes Konstrukt einer Sache zu erfinden, die keine ‚Dinghaftigkeit' und keinen Namen hat. Ich wollte das Gefühl eines Newsrooms vermitteln, oder als ob ein Kind in einem Newsroom sei, in dem an der Wand diese vielen Uhren hängen, die die Zeiten aller Städte der Welt anzeigen. Es bewahrt uns eine unschuldige, kindliche Weltanschauung und relativiert unsere Ansichten über die Wichtigkeit der Zeit und darüber, ob man pünktlich oder unpünktlich ist und so weiter. Ich möchte eurem Verstand meine Uhren so ungreifbar wie möglich machen."

Dylan Kraus' Clox werden seit dem 4. März in der New Yorker Vision Inc gallery ausgestellt. Mehr Infos dazu bekommt ihr hier.