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Armee genmanipulierter Tigermücken soll ihre Artgenossen in Brasilien ausrotten

Was 220.000 Soldaten schon nicht hinkriegen, sollen jetzt Mücken selbst regeln: Das Anti-Zika-Selbstmordkommando der Firma Oxitech tötet den eigenen Nachwuchs.
GM-Larven. Bild: Oxitech

220.000 Soldaten schickt Brasilien in den Kampf gegen ein paar popelige Mücken.

Am 13. Februar soll die Armee die Eiabladeplätze der Gelbfiebermücken in Brasilien flächendeckend ausräuchern, um einem der für den Menschen gefährlichsten Lebewesen Herr zu werden: Der Stechmücke Aedes aegypti, die neben Dengue-Fieber das pandemisch grassierende Zika-Virus überträgt.

Die britische Firma Oxitec hat darauf eine futuristische Antwort: Noch mehr Mücken. Sie stellt ein einzigartiges „Produkt" her: Eine genmanipulierte Mücke des Typs Aedes aegypti, die statt eines Namens eine technisierte Modellnummer trägt: OX513A.

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Die genmanipuilerten Kamikaze-Larven leuchten im Dunklen.

Diese berüsselten Stormtrooper setzt Oxitec millionenfach in Feldversuchen aus, auf dass sie ihre eigenen Artgenossen nach der Paarung ausrotten. Die männlichen OX513A-Exemplare machen sich auf die Suche nach wildlebenden Weibchen, mit denen sie sich dann fortpflanzen. Legt das Weibchen Eier, stirbt ihr Nachwuchs noch im Larvenalter, bevor er zustechen kann. Oxitech nennt diesen einpipettierten Selbstzerstörungsmechanismus „self-limiting gene". Die Populationskontrolle kann durch einen fluoreszierenden Marker in der Mücke überwacht werden: Die genmanipuilerten Kamikaze-Larven leuchten im Dunklen.

Je nach Einsatzgebiet können damit bis zu 90 Prozent des Mückenbestandes in kürzester Zeit dezimiert werden, behauptet Oxitec.

Was makaber klingt, findet weltweit Anklang. Florida möchte die OX513A-Mücken gegen die sich dort nach und nach ausbreitenden tropischen Krankheiten wie Dengue-Fieber und Chikunguya einsetzen, die ebenfalls durch den Biss der Gelbfieber- oder Tigermücke übertragen werden—aktuell wartet man nur noch auf die Genehmigung der Zulassungsbehörde FDA. Auch Malaysia und Panama haben einen erfolgreichen Feldversuch durchgeführt. Und in Brasilien hoffen Forscher in Piracicaba im Bundestaat São Paulo, mit der vor Ort gezüchteten Moskito-Armee die schnelle Verbreitung des Zika-Virus eindämmen zu können.

Seit April 2015 läuft der Praxistest in Piracicaba. Seitdem tritt eine Armee aus knapp einer Million GM-Tiere pro Woche im Kampf gegen Zika und das Dengue-Fieber an. Die dort freigelassenen Gen-Moskitos haben laut Unternehmensinformationen die Larvenbestände der wildlebenden Gelbfiebermücke um ganze 82 Prozent reduziert. Gerade hat die Stadt einen Vertrag für eine neue Moskito-Zuchtanlage unterschrieben, die den Test auf bewohnte Gegenden bis zu 60.000 Bewohnern ausweiten wird.

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Frühere Programme zur Moskitokontrolle konzentrierten sich auf die sogenannte Vektorbekämpfung: So ist es Privatpersonen im (mittlerweile malariafreien) Singapur beispielsweise unter Geldstrafe verboten, Wasser im Blumentopf-Untersetzer zu lassen, weil das warme Brackwasser zur idealen Brutstätte für Moskitos wird.

800.000 bis 1 Million der genmanipulierten Gelbfiebermücken werden pro Woche in Brasilien ausgesetzt. Bild: imago

Bereits 2010 kam ein Dossier in Nature zu dem Schluss: Moskitos erfüllen eigentlich bis auf Futter für Kröten und Fledermäuse keine ökologische Funktion, die nicht auch von einer anderen Spezies ersetzt werden könnte.

Und trotzdem wirft das Tötungskommando von Oxitec noch selbst in abgesteckten Feldversuchen einige ungeklärte Fragen auf: Unter anderem, weil der Mensch bis dato sehr gut darin war, eine Spezies unabsichtlich auszurotten und seither mit unabsehbaren Konsequenzen leben musste. Die gezielte Dezimierung sorgt für Unbehagen—auch in Florida, wo besorgte Anwohner Fragen an Oxitec stellen wie: Welche Konsequenzen hat es, wenn wir derart in die Natur eingreifen? Was passiert eigentlich im Körper von Menschen, die von genmanipulierten Moskitos gestochen werden?

Darauf hat selbst Oxitec noch keine Antwort.