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Drogen

Marihuana ist gefährlicher als LSD

Ein Drogenexperte hat uns erklärt, warum man von LSD weder ein zweiter Steve Jobs wird, noch gleich in der Klapsmühle landet.

Foto von Paley Fairman

Es ist ein kalter, düsterer, verregneter Montagmorgen. Man könnte wohl auch Scheißwetter dazu sagen. Eigentlich wäre ich lieber im Bett geblieben. Ich treffe Dr. Arnim Quante, Oberarzt der integrativen Psychiatrie der Charité Berlin. Er kümmert sich um Leute mit Suchtproblemen, berät sie und macht Therapievorschläge. Am Westaufgang riecht es nach feuchtem Wald und Krankenhaus. Ich nehme Treppe A in die psychiatrische Abteilung.

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Ich komme her, weil ich herausfinden möchte, inwiefern LSD eine positive Wirkung auf Kreativität und Vorstellungsvermögen hat. Nicht zuletzt weil Steve Jobs das Thema angesprochen hat und es ihm ja offensichtlich in seiner weiteren Karriere nicht gerade geschadet hat. Am Telefon hatte der Arzt mich aber vorgewarnt: Er als Psychiater würde kein gutes Haar an LSD und dessen Wirkung in der Forschung lassen. Er meinte, es gab da schon zu viele negative Beispiele, zum Beispiel als zwei Menschen starben, nachdem ein zugedröhnter Arzt ihnen während einer Gruppentherapie irgendwelchen Scheiß verabreicht hat.

„Es ist mittlerweile aus guten Gründen verboten“, erklärte er mir. „Man hat das früher in der sogenannten psycholytischen Therapie verwendet, um an das Unbewusste ranzukommen.“ Ob es das Unterbewusstsein überhaupt gibt, ist umstritten. Eine philosophische Frage, merkt Dr. Quante dazu an. Anscheinend gab es auch deutlich mehr Horror- als irgendwelche bahnbrechenden Erkenntnistrips. Zunächst unterlag LSD dem Betäubungsmittelgesetz und seit den 70ern ist es in Deutschland illegal.

Dennoch wird in Ausnahmefällen noch mit LSD geforscht. Peter Gasser hat 2007 in der Schweiz eine Studie mit  zwölf Personen durchgeführt. (Statistisch nicht repräsentativ, meint Dr. Quante und schiebt es in die experimentelle Ecke der Forschung.) In Gassers Studie wurde versucht, todkranken Menschen mit Angstsymptomen eine Möglichkeit zu bieten, sich durch LSD auf das Sterben vorzubereiten. Das Gesetz scheint also im Rahmen einzelner Studien dehnbar. Die Deutschen seien da aber etwas strenger als die Schweizer, so der Arzt.

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Norwegische Forscher haben Studien aus den 60ern und 70ern zusammengetragen und eine so genannte Metaanalyse durchgeführt. Durch die Zusammenfassung dieser Studien, bei denen Hunderte Menschen getestet wurden, kamen sie zu dem Ergebnis, dass LSD eine positive Wirkung auf Alkoholsucht hat. Durch die Aktivierung des dopaminären Systems wird der „Suchtdruck“ der Alkoholiker wohl reduziert, erklärt mir Dr. Quante, während er die Studie auf seinem Computer überfliegt. Ein anderer Teil derselben Studie besagt außerdem, dass der Konsum von Halluzinogenen keine gesundheitlichen Langzeitschäden verursacht.

„Vegetative Nebenwirkungen gibt es schon bei geringen Mengen. Patienten haben zum Beispiel starkes Herzklopfen. Der Blutdruck kann ansteigen und das Bewusstsein kann vermindert und getrübt werden.“ —Alles Dinge, die ein solches Mittel eher nicht für die Zulassung qualifizieren. Das Schlimmste was passieren kann, meinte er, ist, dass man einen kompletten Horrortrip erlebt. Patienten berichteten ihm, dass sich der Trip verschlimmert hat, wenn sie schon vorher depressiv waren. Das kann bis zum Suizid, Albträumen und pseudohalluzinierten Gestalten führen; alles nicht so angenehme Aspekte.

Quante erklärte mir, dass man zeitweise sogar regelrecht verrückt werden kann. Aber normalerweise klingt das spätestens nach 24 Stunden ab—hängenbleiben tut man auf LSD anscheinend nicht (eher bei Ecstasy; da hat man das schon häufiger. Aber auch bei Cannabis). Viele Menschen, die LSD nehmen, verlieren vor allem die Orientierung, oder haben Größenideen—auf einmal denken sie, dass sie fliegen können.

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Es gibt auch Fälle, in denen die Patienten eine Art Psychose bekommen. Man geht aber davon aus, dass das Menschen sind, die wahrscheinlich schon vorher dafür anfällig waren—die brauchen psychiatrische Hilfe. Meist sind da die Neurotransmitter, vor allem Serotonin und Dopamin, beeinflusst worden, was zu einer drogeninduzierten Psychose führen kann.

Je schneller man das adäquat behandelt, desto besser. „In der Ersten Hilfe sehen wir aber vor allem die akuten Intoxikationen—die dann zum Beispiel noch auf einem Horrortrip sind, aber einfach nur Ruhe und Flüssigkeit brauchen, bis die Symptomatik von selbst verschwindet.“ Rechtliche Konsequenzen hat man übrigens keine zu befürchten, wenn man auf Drogen Hilfe im Krankenhaus sucht.

Härtefälle, die den Rest ihres Lebens „unter Verschluss“ bleiben, gibt es nicht. „Jede drogeninduzierte Psychose kann in eine Schizophrenie übergehen und die hat man dann Zeit seines Lebens. Aber das behandelt man und das ist, wie gesagt, unter LSD sehr selten. Unter Ecstasy schon eher. Cannabis ganz viel“, erklärt mir der Psychiater.

Cannabis ist also gefährlicher als LSD? Interessant. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Vergleichswerte fehlen, denn Deutschland ist nicht gerade psychedelisch unterwegs. Wenn du außerdem zwischen zwei Goa-Partys mal dringend das Bedürfnis verspürst, schon wieder einen Trip zu werfen, wird das gar nichts bringen. Zwei Wochen braucht dein Hirn nämlich, um sich wieder mit den nötigen Neurotransmittern zu füllen. Dazwischen wird das nichts. Der Doktor nennt das Toleranzentwicklung. Ich nenne es den Grund für den geringen Konsum.

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Trotzdem will ich wissen, wo die Grenzen gezogen werden müssen beim Drogenkonsum. „Fragen Sie mich als Psychiater, da muss ich sagen: Drogen sind nie gut“, sagt er. „Gerade wenn es um Drogen geht, die stimulierend sind, die euphorisch machen, das ist für viele Menschen sicher schwer, das nur einmal zu probieren und dann nie mehr. Das kann ein Einstieg sein in eine Drogenkarriere. Insofern halte ich von dem Konsum nichts.“

„Vielen Drogen wird ja nachgesagt, dass sie das Bewusstsein erweitern. Steve Jobs zum Beispiel und die Frage, ob seine tollen Ideen aus der damaligen Zeit kommen. Das würde ich eher kritisch sehen, weil ich auch glaube, da kommt es zu Selbstüberschätzung; man denkt, man leistet Großartiges und letztendlich kommt dabei nicht so viel rum.“

Fotos von Max Thesseling

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