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Der deutsche Bundestag wird für den Krieg stimmen, obwohl ihn niemand für eine gute Idee hält

Der Einsatz ist sinnlos und gefährlich, und alle deutschen Politiker wissen das.
Aufklärungs-Tornado im Flug. Foto: Imago | STAR MEDIA

Was direkt nach François Hollandes Kriegserklärung an die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schon vorhergesehen wurde, ist jetzt eingetreten: Die deutsche Regierung hat das Mandat zum Einsatz der Bundeswehr in Syrien beschlossen, am Freitag wird der Bundestag den Einsatz höchstwahrscheinlich ratifizieren und Deutschland tritt damit endgültig in den syrischen Bürgerkrieg ein.

Auch wenn man damit gerechnet hatte, ging es am Ende ziemlich schnell. Mit Aufklärungs-Tornados, Luftbetankungsflugzeugen und einer Fregatte wird die Bundeswehr zwar nicht direkt an Kampfhandlungen teilnehmen, die Bombenflüge der Verbündeten aber unterstützen. Mit insgesamt circa 1.200 deutschen Soldaten wird das der größte Einsatz, den die Bundeswehr gerade unternimmt—und Angela Merkels erster eigener Krieg.

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Gleichzeitig bezweifeln nicht Wenige, dass der Einsatz überhaupt legal ist. Weil es noch keinen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates gibt, beruft sich die Regierung erstens auf eine eher schwammige UN-Resolution (Nr. 2249) und den Artikel 51 der UNO-Charta, nach dem Frankreich sein Selbstverteidigungsrecht geltend macht. Dazu wird schließlich ein Artikel im EU-Vertrags von Lissabon bemüht, der besagt, dass EU-Länder einander Hilfe und Schutz schulden, wenn eines von ihnen Opfer eines bewaffneten Angriffs wird.

Es gibt ernstzunehmende Zweifel, ob das als Rechtsgrundlage ausreicht—vor allem, weil beide Artikel eigentlich nur für den Fall gedacht sind, dass ein Mitgliedsland von einem anderen Staat angegriffen wird—nicht von Terroristen. Die Linkspartei bezeichnete den Einsatz deshalb auch als „völkerrechtswidrig". Spiegel Online zitiert sogar einen CDU-Abgeordneten mit den Worten, die Grundlage sei „dünnes Eis, sollte aber halten."

Warum sieht sich die Bundesregierung gezwungen, gegen schwerwiegende rechtliche Bedenken zum ersten Mal ohne UN-Mandat einen Einsatz zu beschließen? Wohl einfach deshalb, weil man sich gezwungen sah, den Franzosen Solidarität zu signalisieren.

Präsident Hollande hat den Angehörigen der Opfern des 13. November die Zerstörung des IS versprochen und sich entschieden, auf die blutige Herausforderung durch den Terror mit militärischer Eskalation zu antworten. Auch wenn viele in Deutschland und anderswo das nicht für den richtigen Weg halten, um den IS zu besiegen oder Frankreich sicherer zu machen—die deutsche Regierung wird den Teufel tun, sich jetzt hinzustellen und den besonnenen Besserwisser zu spielen.

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Also gibt es jetzt eben Krieg. Man merkt aber deutlich, dass kaum einer der deutschen Politiker wirklich begeistert von dem Unterfangen ist. Die Bundesverteidigungsministerin bezeichnete den Einsatz in einer Pressekonferenz als „gefährlich und hart", und obwohl sie zuerst behauptete, er habe ein „klares militärisches Ziel", räumte sie dann ein, die Dauer des Einsatzes hänge vor allem davon ab, „wie erfolgreich der politische, der entscheidende Prozess ist". Das könnte man durchaus so interpretieren, dass von der Leyen selbst nicht glaubt, dass die Luftschläge entscheidend zum Ende des IS beitragen können. Das würde heißen, es gibt doch kein „klares militärisches Ziel"—sondern nur die resignierte Entscheidung, die Franzosen so lange zu unterstützen, wie sie dort eben bomben wollen.

Die Fregatte Augsburg, die den Flugzeugträger Charles de Gaulle sichern wird. Foto: imago | Marc Schüler

Während die Opposition aber den Luxus hat, deutlich zu sagen, wie sinnlos sie einen im Grunde völlig ziellosen Einsatz findet, und auch guten Gewissens dagegen stimmen kann, müssen die Abgeordneten von SPD und CDU aber so tun, als diente das Ganze irgendeinem anderen Zweck als der Solidarität mit Frankreichs Rachefeldzug. Besonders überzeugend wirken sie dabei aber nicht.

Jahrelang hieß es zu Syrien 'Da kann man halt nichts machen'. Jetzt sind Bomben angeblich alternativlos. Hat irgendwer erklärt warum?

— Anne Roth (@annalist)2. Dezember 2015

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte zum Beispiel der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann die Gründe für den Einsatz so: „Es geht um Solidarität mit Frankreich. Und es geht um einen Beitrag, den die Bundeswehr erbringen muss in einer Koalition von 64 Staaten." An anderer Stelle erklärte er: „Wir haben eine neue Verantwortung, und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden." Und fügte dann hinzu: „Wir sehen eine Gesamtstrategie"—ohne die wirklich erklären zu können. Und außerdem: Man könne dem Ganzen ja „nicht von der Seitenlinie aus" zusehen. Bei der Probeabstimmung haben 13 SPD-Abgeordnete mit „Nein" gestimmt.

Aber auch bei der CDU herrscht nicht gerade Hurra-Stimmung. In der Fraktionssitzung am Dienstag wurde über zwei Stunden lang über das Thema diskutiert, berichtet Zeit Online, am Ende gab es eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Alle Zweifel konnten selbst dann noch nicht ausgeräumt werden: Roderich Kiesewetter, der Obman der Union im Auswärtigen Ausschuss, bemängelte, dass es keine „Exit-Strategie" gebe, und dass man „mittelfristig" doch ein UN-Mandat brauchen würde.

Besonders wichtig ist CDU genauso wie SPD, dass man möglichst überhaupt nicht von „Krieg" spricht. „Der Einsatz der Bundeswehr ist ein Unterstützungseinsatz für Frankreich", hat der Unions-Fraktionschef Volker Kauder erklärt, und auch sein Kollege von der SPD, Oppermann, windet sich und spricht lieber von „bewaffnetem Konflikt". Und auch die CSU-Landesgruppenchefin Gera Hasselfeldt erklärte, das sei kein „Kriegseinsatz, sondern ein Signal der Solidarität mit Frankreich." (Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands sagt dazu übrigens, dass es sich „ganz klar" um Krieg handeln würde.)

Der Widerwille der Politiker und Abgeordneten ist nur zu verständlich: Auch wenn deutsche Soldaten nicht direkt an Kampfhandlungen teilnehmen werden, riskiert Deutschland mit dem Schritt einiges. Zuerst einmal einen langwierigen und schwierigen Militäreinsatz, der im Grunde kein klares Ziel und keine wirklich ausgereifte Strategie verfolgt, bei dem aber deutsche Soldaten sterben könnten.

Zweitens besteht die Gefahr, dass die Terrorgefahr in Deutschland sich durch diesen Einsatz erhöht. Es ist also kein Wunder, dass die deutschen Politiker nicht wirklich davon begeistert sind. Aber selbst wenn alle wissen sollten, dass dieser Krieg sinnlos und gefährlich ist—offenbar sind sie bereit, diesen Preis für das Bündnis mit Frankreich zu zahlen.