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Japan kontert die Propaganda des IS mit Henker-Memes

Wie reagiert das japanische Internet auf eine Terror-Drohung des islamischen Staats? Richtig, mit einem Twitter-Meme-Contest, der die Urpsrungspropaganda nahezu unsichtbar werden lässt.

Anfang der Woche tauchte ein Video auf, in dem ein vermummter Kämpfer der Terrorgruppe zwischen zwei japanischen Geiseln steht. Wie in früheren Videos des IS knien die Geiseln in guantanamo-oragenen Overalls in der steinigen Wüste, irgendwo im Irak oder Syrien.

Japan sei zwar 8500 Kilometer weit weg, sagt der IS-Kämpfer mit britischem Akzent, aber man wolle das Land trotzdem treffen, denn Japan unterstütze den Kampf gegen den IS. Damit die Geiseln nicht getötet werden, fordert der in schwarz gekleidete  Henker 200 Millionen Dollar in den nächsten 72 Stunden.

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ISISも踊りたかったらしい #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/7oWT9hXr6c

— 釣る野草 (@turuyasou) January 21, 2015

Um das Video in Umlauf zu bringen, nutzten IS-nahe Twitter-Accounts laut der ​Japan Times beliebte, aber völlig wahllose japanische Hashtags wie „Daikan" (der traditionell kälteste Tag des Jahres) oder ​„Zuwaigani", was Königskrabbe bedeutet.

Auf Twitter sorgte die Kombination der Hashtags „Königskrabbe" und „Islamischer Staat" jedenfalls erstmal für Belustigung.

Kurz darauf riefen japanische Twitterer zum ​„ISIS kusokora guranpuri" auf—einem trashigen Collagen-Grand-Prix zum Thema IS-Geiselnahme, das die menschenverarchtende Propaganda des sogenannten Islamischen Staats in einem Meer aus japanischen Manga-IS-Geisel-Memes untergehen lässt.

Von Songoku aus Dragonball bis hin zur „IS-Bucket-Challange" mit IS-Terroristen ist eigentlich alles dabei:

In response to #ISIS threats, Japanese twitter users respond with photoshop ridicule and mockery. #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/Jjaj0sL9zh

— Conflict News (@rConflictNews) January 22, 2015

Ice Bucket Challenge #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/Y4a0Ddhanw

— Nyaruko♔ (@SubaruKanoe) January 20, 2015

Dabei hat die japanische Netz-Gemeinde fast schon einen legendären Hang dazu, politische Ereignisse mit Memes aus dem Kontext zu reißen. Schon nach der russischen Annexion der Krim machten japanische Meme-Bastler die ​neu eingesetzte Oberstaatsanwältin plötzlich zu einem sehnsüchtig begehrten Star im japanischen Internet.

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IS hingegen ist bekannt für ihre verhältnismäßig gut funktionierende Propaganda-Maschine. Der ​Medien-Rat der Terrorgruppe ist gleichzeitig auch eine ihrer wichtigsten strategischen Organisationseinheiten. Kein Wunder, Propaganda und damit die Anwerbung neuer Kämpfer ist bei dem ​Personalverschleiß, den IS an den Tag legt, für die Terroristen von zentraler Bedeutung. (Auch die kurdischen Peshmerga berichten immer wieder, fanatische IS-Kämpfer würden wie Wahnsinnige ohne jede Deckung auf sie zurennen – bevor sie abgeschossen werden.)

Seriously the best twitter hashtag response to terror ever #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/FJd4ry2wfe

— djvjgrrl (@djvjgrrl) January 22, 2015

Japan responds to #ISIS with hilarious photoshop contest. Follow #ISISクソコラグランプリ and entertain yourselves :P pic.twitter.com/OHlTaovAbw

— Bulletproof Keyboard (@_DarkPeace_) January 21, 2015

In der Vergangenheit schaffte es IS auch mit erstaunlich ​aufwendig produzierten Kriegs-Trailern, originellen ​Katze-Kalaschnikov-Kombinationen oder ​Jihad-Food-Porn immer wieder Aufsehen zu erregen.

Im Fall der japanischen Geiseln ist IS allerdings am eigenen Unverständnis der japanischen Meme-Kultur gescheitert. „Ihr Japaner seid doch nur so optimistisch, weil er im Video sagt, der IS sei 8500 Kilometer weit weg und ihr seid sicher. Unsere Armee ist überall." postete später ein verärgerter Jihadist namens @strangerw91 auf Twitter. „Ich möchte eure Gesichter sehen, wenn die beiden enthauptet werden." Mittlerweile gibt es den Twitter-Account nicht mehr. Dafür aber Bilder, auf denen der vermeintliche Henker mit britischem Akzent einen sehr potent aussehenden Vibrator statt seines Messers in der Hand hält. Oder Collagen, auf denen IS-Terroristen mit Nazi-Ufos Mars-Attack-artige Verwirrung stiften.

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Japan responded to #ISIS the most Japanese way possible: by turning it into a Photoshop contest. #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/ktT5eWFYEs

— Moon Metropolis (@MoonMetropolis) January 21, 2015

Natürlich kann Witz und Satire die japanischen Geiseln Kenji Goto and Haruna Yukawa nicht aus der Gewalt der Terrorgruppe befreien. Aber trotzdem hat die japanische Netzgemeinde mit ihrem Collagen-Grand-Prix den IS gleich zweifach getroffen: Erstens nimmt das Lachen dem Terror seine wichtigste Waffe: die Angst. Und zweitens hebelt Satire die Propagandawirkung aus, die IS braucht, um neue Kämpfer zu rekrutieren. Wer will schon mit einer Truppe zu tun haben, die Songoku köpfen will? Dass Jihadisten mit Satire ein ernsthaftes Problem haben, weiß mittlerweile auch die ganze Welt: #charliehebdo. Vielleicht, so möchte man dem IS raten, sollte er sich vor der nächsten Video-Botschaft nach ein paar fähigen Kulturwissenschaftlern oder Japanologen umschauen.

磯野家を襲撃するISIS #ISISクソコラグランプリ pic.twitter.com/P8AHrT5RFD

— 死にたい以外の感情を失った生ける屍わんぽ (@super__darkness) January 20, 2015

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Love this: @reportedly's explainer on #ISISクソコラグランプリ the Japanese meme mocking #IslamicState https://t.co/CecFC2abxn pic.twitter.com/lkdkQctJ4s

— Andy Carvin (@acarvin) January 22, 2015

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Das Ultimatum ist mittlerweile übrigens verstrichen – ohne, dass etwas über eine Lösegeldzahlung oder auch nur Verhandlungen darüber bekannt geworden ist. IS hatte angekündigt, eine neue Botschaft zu veröffentlichen. Bis jetzt ist jedoch noch nichts aufgetaucht.

In der Zwischenzeit hat sich nur Gotos Mutter ​zu Wort gemeldet, in der Hoffnung, der IS möge ihren Sohn am Leben lassen: „Ich habe die letzten drei Tage nur geweint und bin voller Trauer. Worte können nicht beschreiben, wie ich mich fühle. Kenji war ein gütiger Mensch, seit er klein war. Er hat immer gesagt: „Ich will Kinder in Kriegsgebieten retten."