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Der Krieg, unsere Roboter und wir

Soldaten lieben ihre Roboter. Eine neue Studie erforscht die Gefühle in den Mensch-Maschine-Beziehungen und fragt, was die emotionale Bindung für unsere asymetrische Kriegsführung bedeuten?
Ein Soldat der US-Armee demonstriert bei einer Übung die Stärke des Talon Roboters, der häufig zur Minenräumung eingesetzt wird. (via)

„Warum musste ich sterben? Warum?” Hingeschmiert auf einen Zettel, klagen diese Worte Jed an als er sein Zimmer verlässt. Er lacht. Der im Irak stationierte US-Soldat hat am Vortag eine Mission geleitet, die fehlgeschlagen ist. Eine Landmine zerriss seine bessere Hälfte in Stücke. Im Angesicht der vor ihm liegenden, provisorisch hergerichteten Überreste seines Roboters, fragt er sich nun wie er mit diesem Verlust umgehen soll? Ihm sei ziemlich komisch zumute, erzählt Jed, aber Humor helfe ihm mit den widersprüchlichen Gefühlen umzugehen, die ihn in solchen Momenten überkämen.

Der 41jährige Sergeant der US-Militäreinheit für Kampfmittelbeseitigung wurde wie 22 andere Soldaten, von der Forscherin Julie Carpenter von der Universität Washington, interviewt. Sie untersuchte für ihre Promotion in pädagogischer Psychologie, wie sich die Beziehungen von Soldaten der US-Minendienst-Einheit EOD zu ihren halb-automatisierten, ferngesteuerten Maschinen entwickeln.

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Roboter nehmen eine immer zentralere Rolle in den Teams der Minenräumeinheit und im Kampfeinsatz im Allgemeinen ein. Während 2004 im Irak lediglich 162 Roboter im Einsatz waren, so sind es alleine für die US-Armee im Irak und Afghanistan inzwischen mehr als 3000 taktische Roboter. Für Afghanistan bedeutet dies eine Quote von einem Roboter zu 50 Soldaten. Die Maschinen übernehmen mehr und mehr die Aufgaben ihrer menschlichen Operatoren, oder auch der sonst für die Minenräumung zuständigen Hunde.

Mitglieder der amerikanischen Minenräumeinheit EOD demonstrieren ihren Talon Roboter. (via)

Im Alltag nehmen die Roboter durchaus auch die Rollen von Ehefrauen, Freundinnen und engen Freunden an. „Weil man sie erhalten musste, sie putzen muss und ihre Batterien prüfen muss, wurde von den Robotern häufig wie von einem Haustier gesprochen. Die Rhetorik erinnert daran, wie man sich um einen Hund zu kümmern hat, oder gar wie man von einer Lebenspartnerin spricht“, erzählt Julie Carpenter. Sergeant Brady schildert:

„Wir haben unseren Roboter Elly genannt. Und ich habe zu ihr gesprochen, ich habe ihr geschmeichelt, mit ihr geschwatzt.  Die Roboter sind fast ein Teil der Familie. Ich mein, du kommst zurück von einem Vorfall, du ziehst den Roboter aus dem Truck, du sprühst ihn ab, du wäschst ihn. Wir haben sie gerne, unsere Roboter.“

Die Eigenart des Menschen, die ihn umgebenden Dinge nicht nur besitzen wollen, sondern sich in ihnen erkennen, sie für Seinesgleichen halten wollen und sie zu lieben, ist nun gar nicht so überraschend. Vom eigenen Körper, bis hin zum Auto werden die Dinge des Alltags gesegnet, benannt und betrauert.

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Die Soldaten deren Mensch-Maschinen Psychologie Julie Carpenter untersuchte, wissen dass dies alles in ihrem Fall nur mit einem Augenzwinkern funktioniert. Und fast zwanghaft betonen sie es immer wieder: Roboter sind unorganisch, sie verdienen es nicht menschlich behandelt zu werden. Überhaupt sind sie vor allem gebrechliche, dysfunktionale Maschinen, ganz egal wie sie aussehen. So berichtet Aaron beispielsweise: „Also diese ganze Sache mit emotionaler Bindung zu Robotern? Das gewöhnlichste, was wir ihnen gegenüber überhaupt empfunden haben, war Wut und Frustration. Manchmal machen sie einfach willenlose, verrückte Dinge, und drehen sich plötzlich nur noch im Kreis.“

Aber so einfach wie sich der menschliche Maschinennutzer die Sache glauben machen will, ist es eben nicht. Computer-Mensch Studien haben immer wieder auf die Ambivalenz dieser Beziehungen verwiesen: Einerseits wird das distanzierte Verhältnis zur Maschine reklamiert, andererseits wird das Gegenüber gerade nach ganz anderen Kriterien behandelt. „Menschen wenden automatisch und unbewusst ihre sozialen Regeln in der Interaktion mit diesen Maschinen an, weil sie immanent sozial sind“, meint Carpenter. Die Militärforschung allerdings zerbricht sich nun darüber den Kopf, was passiert wenn diese Kommunikation über geläufigen Animismus hinausgeht und sich daraus Empathie entwickelt. Was bedeutet es für den Erfolg von Militärmissionen, wenn Soldaten Emotionen mit ihren Robotern teilen?

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„Er hat viel getan, was dich hätte umbringen oder verletzen können, also gibt es eine gewisse Zärtlichkeit dem Roboter gegenüber. Du weisst, dass er nicht einfach ein Hammer oder ein Sechskantschlüssel ist, er ist nicht ganz leblos. Es verleiht ihm schon ein bisschen Menschlichkeit, wenn du siehst, wie er sich da draussen wie von selbst bewegt und Sachen tut, die du gar nicht willst." sagt Jed.

Die Beziehungen, die sich zwischen den Soldaten und ihren technologischen Partnern entwickeln, sind ambivalent. Da ist die Wut, weil sie teilweise erfahren, welche Grenzen ihre Partner haben, die Kontrolle verlieren; aber da ist auch die Wut, weil jemand nicht nur ihr Gerät, sondern auch ein bisschen sie selbst verletzt oder getötet hat, die unsichtbaren Verletzungen. „Es ist als ob sie deine Persönlichkeit annehmen, nachdem du sie einige Zeit genutzt hast. Wir tendieren manchmal dazu zu glauben, dass wenn du deinen Roboter geringschätzt, der Roboter ähnlich handeln wird“, erzählt Jed auch von der Zuneigung zu den Robotern. Diagnose RAD, Roboter-Anpassungs-Dilemma, nennt Julie Carpenter das.

Eigentlich sind unbemannte Systeme immer dann gefragt, wenn der Mensch zum limitierenden Faktor in Kriegsmissionen wird. Roboter sind besser geeignet für die 3D Missionen, die das US-Verteidigungsdepartments in seiner ,Unmanned Systems Roadmap 2007-2032' mit „dull, dirty, or dangerous” lapidar formuliert: Stundenlange Flüge und Fahrten, in denen lange nichts passiert und trotzdem höchste Konzentration gefragt ist; Schmutzig wird es, wenn (eigene) Menschenleben riskiert werden könnten und mit dem dritten D, wird meist auf jene gefährlichen Entminungsarbeiten des EOD verwiesen.

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Die automatisierten Akteure also sind nicht mehr wegzudenken aus einer modernen Armee. Dies beweisen schon die über 10.000 unkonventionelle Sprengkörper die seit 2003 durch Roboter neutralisiert wurden. Angesichts einer Kriegsführung die nun zunehmend mit einer Distanz von Steuerung und Handlung operiert und hierfür immer neue Mensch-Maschine-Symbiosen erprobt, ist es von großer Bedeutung, dass die psychologische und soziale Identität der handelnden Roboter klarer entwickelt wird.

Denn ihren Platz im militärischen Kollektiv müssen die automatisierten Akteure erst noch finden. 2007 wurde zum Beispiel eine Übung des US-Minendiensts vom Leiter abgebrochen, weil er das Manöver als inhuman empfand. Und damit meinte er die Würde des Roboters, der getestet wurde. Ein System, das doch eben geschaffen wurde, um die dreckige aber unvermeidlichen Aufgaben auszuführen, die inhuman sind oder es werden könnten. Was wird aus dem Krieg auf Distanz, wenn Soldaten ihre Roboter lieb gewinnen?

Seit den 1970er Jahren zeigen die Arbeiten des Japaners Mashiro Mori, dass ein Roboter nur akzeptiert wird, wenn er bis zu einem gewissen Punkt weit vom Menschen unterscheidbar bleibt. Damals bedachte Mashiro Mori Fragen des Äußerlichen von Roboterentwürfen. Nun stellt sich die Frage, ob die Roboter zunehmend auch soziale Rollen erfüllen sollen. Die Soldaten der EOD interpretieren ihre Roboter jedenfalls bereits als Teil ihrer Familie. So erzählt Sergeant Jed:  „Du hast eine Familie. Vielleicht eine dysfunktionale, aber sie sind trotzdem Familie.“

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Der Packbot, der hier demonstriert wird ist ebenfalls häufig Teil der Arbeit der us-amerikanischer Minenräumeinheiten. (via)

Ist dies eine vom Militär erwünschte Entwicklung? In einem Rekrutierungsvideo der US Armee für die EOD wird ein Roboter als Teammitglied bezeichnet, benannt nach seinem Operateur. „Wir sind drei-Mann Teams. Das ist unser viertes Mitglied“, sagt Sergeant Mitchell und deutet auf den Roboter, genannt mini-Dean.

„An so einem Punkt müssen wir eigentlich intervenieren“, betont Julie Carpenter. Sie findet, dass es höchste Zeit ist die Frage zu stellen, wie diese Art des Umgangs mit Robotern die Entscheidungsfähigkeit der Armee beeinflusst. „Was sind die Ziele? Welche Rollen, Aufgaben, Intelligenzniveaus sollen Roboter in Zukunft haben? Wie sollen die menschlichen Teams entsprechend neu geordnet werden?“

Lernen, ist für Carpenter, soziales Lernen, etwas das erprobt und geübt werden muss.Wenn sich deshalb herausstellen sollte, dass eine enge emotionale Bindung zu unkonzentrierten Momenten in der Entscheidungsfindung führt, dann müsse nicht nur die Praxis der Benennung von Robotern überdacht werden, dann dürfe es vor allem solche Videos, „die die Erwartung aufbauen, dass diese als Teammitglieder angesehen werden sollten“ nicht geben.

Was für sie noch eine offene Frage ist, ist in einem Bericht des französischen Militärforschungsinstituts IRSEM eine klare Sorge. Die Forscher stellen fest, dass Empathie für Maschinen im Krieg der Distanz nichts verloren hat. Um zu verhindern, dass Leben in diese Systeme eingehaucht wird, dürfen demnach Roboter keine Blackbox bleiben. Sie werden immer komplexer, aber ihre Nutzung muss einfacher werden: „Das System darf nicht opak oder magisch bleiben“, stellt der Bericht fest. Gerade in ihrem technischen Versagen würde sonst womöglich das Leben in der Maschine vermutet.

Unbemannte Systeme sind unerlässlich für die Idee von asymmetrischen Konflikten und dem Krieg auf Distanz, dieser Entwicklung hin zu einer Virtualisierung der Gefechte, die sich durch das 20. Jahrhundert zieht. Aber was unser Bild vom modernen Krieg angeht, müssen wir dringend von einigen unsere falschen Vorstellung abrücken. Die Beziehung zu unseren automatisierten Akteuren sind nicht die von einem Zocker zu Kriegsspielen oder einem Soldaten, der nur durch ein paar kalte Klicks in der Kommandozentrale tötet.

Durch die zunehmende Präzision der Geräte und die steigende Intelligenz der Apparate, bekommt das Operieren der Maschinen eine emotionale Dimension. Die ungeahnte Nähe, die das zu den Opfern im Krieg der Distanz bringt, lässt Mensch-Maschinen Familie noch dysfunktionaler wirken.