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Der Deutsche, der Trumps Twitter-Account abschaltete, bereut seinen "Fehler"

"Ich fühle mich hier langsam wie Pablo Escobar – und es nervt".
Screenshot: YouTube | Twitter ; Montage: Motherboard

Seit gestern Abend ist klar, wer der Twitter-Angestellte ist, der am 2. November 2017 für einen Stoßseufzer der Erleichterung im Netz gesorgt hatte. Twitter-Nutzer weltweit wähnten sich schlagartig in Sicherheit vor täglichen Fehden, Hasstiraden gegen Minderheiten, plumper Angeberei. Donald Trumps Twitter-Account war plötzlich von der Bildfläche verschwunden, deaktiviert – zumindest für 11 Minuten. Dann entschuldigte sich Twitter und erklärte: Ein Mitarbeiter hätte an seinem letzten Tag einfach mal den Account des US-Präsidenten abgeschaltet.

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Während viele Nutzer den anonymen Mitarbeiter gnadenlos abfeiern, andere ihn anfeinden, beginnt die internationale Presse der Identität des unbekannten "Helden" hinterherzujagen. Das Rennen gemacht hat das US-Magazin TechCrunch. Am Mittwochabend veröffentlichten sie ein Interview mit dem Mann, den viele Twitter-Nutzer schon als Friedensnobelpreisträger herbeitweeten wollten.

Wer ist der Mann, der Trumps Account löschte?

Die erste Überraschung: Der Mann, der den Account löschte, ist Deutscher. Der Mittzwanziger mit türkischen Wurzeln arbeitete bis November 2017 in San Francisco für das Kunden-Support-Team von Twitter. Im Interview wird er als Bahtiyar Duysak vorgestellt. Wie er erzählt, arbeitete Duysak im Rahmen eines einjährigen Arbeits- und Studienvisums in den USA, um Erfahrungen bei verschiedenen Tech-Firmen wie Google und YouTube und eben auch Twitter zu sammeln. Den Job bei Twitter fand Duysak über den externen Dienstleister Pro Unlimited. Er ist also nicht direkt bei Twitter angestellt, sitzt aber während der Arbeit im Twitter-Hauptquartier in San Francisco.

Hier ist er Im Kunden-Support-Team dafür verantwortlich, die Inhalte zu sichten, die gegen die Nutzungsbestimmungen von Twitter verstoßen und von der Community gemeldet werden. Kurz vor Schichtende meldet an Duysaks letztem Arbeitstag ein nicht bekannter Nutzer den Account von Donald Trump. Duysak leitet die Deaktivierung ein und geht nach Hause. Dass der Account wirklich gelöscht wird, damit rechnet er nicht, wie er im Interview erklärt.

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"Ich habe nicht gegen Regeln verstoßen" – was Bahtiyar Duysak über die Löschung denkt

TechCrunch gegenüber beschreibt Duysak die Aktion als einen "Fehler", an dem seiner Meinung nach aber mehrere Mitarbeiter beteiligt gewesen sein müssen. Was das genau bedeutet, erklärt er nicht. Er habe an diesem letzten Arbeitstag aber gegen keinerlei interne Regeln verstoßen: "Ich habe niemanden gehackt, ich habe nichts getan, wozu ich nicht autorisiert wurde, war nicht auf einer Seite, auf der ich nicht hätte sein dürfen."


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Unklar ist, welche Art von Nutzermeldung am 2. November in Duysaks Bearbeitungssystem eingegangen war. Auf eine entsprechende Anfrage von Motherboard Deutschland hat Duysak bis zum Erscheinen des Artikels nicht reagiert. Denkbar ist, dass Duysak sich nicht nur an die internen Vorschriften für Mitarbeiter gehalten hat, sondern auch bei der Prüfung der gemeldeten Inhalte konsequent die Einhaltung der offiziellen Twitter-Richtlinien für die Nutzer angewandt hatte. Wenn der US-Präsident zum Beispiel Nordkorea per Tweet mit einem Atomschlag droht, könnte man meinen, das falle unter das Verbot einer "spezifischen Gewaltandrohung".

Doch die Accounts von Trump oder anderen wichtigen Personen von öffentlichem Interesse gelten Twitter-intern als "newsworthy" und dürfen deshalb eigentlich nicht gelöscht werden, egal was sie im sozialen Netzwerk schreiben. Ihre Tweets hätten in jedem Fall Nachrichtenwert, wie Twitter-Chef Jack Dorsey in einem Interview mit der New York Times eine Woche nach der Löschung und Reaktivierung von Trumps Account erklärte, und würden deswegen nicht gelöscht. Wie es trotz dieser Regelung rund um Accounts mit "Newsworthiness" zur Deaktivierung des Accounts kommen konnte und ob Duysak von der Regelung wusste, ist unklar.

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Warum Bahtiyar Duysak sich erst jetzt an die Medien wendet

Twitter ging mit der Aktion des jungen Kunden-Support-Mitarbeiters erstaunlich entspannt um. Sie hatten zwar Fragen an ihn, lassen ihn aber laut TechCrunch bis heute in Ruhe. Kopfschmerzen bereitet Duysak eher das enorme Medieninteresse: "Ich musste hunderte Freunde und Bilder auf Facebook löschen, weil mich Reporter stalken. Ich habe kein Verbrechen begangen, aber ich fühle mich wie Pablo Escobar. Und das nervt. Ich will nur mein normales Leben weiterleben."

Viele Reporter hätten seine Freunde, Familie und Nachbarn kontaktiert. Als Grund, jetzt doch ein Interview zu geben, erklärt Duysak, er wolle endlich mit der Geschichte abschließen und "ein noramles Leben leben". TechCrunch-Reporter "Tito" Hamze hatte es über eine Verwandte von ihm geschafft, Duysaks Vertrauen zu gewinnen: Die Frau besuchte dieselbe Moschee in San Francisco wie Duysak.

Das Interview fand laut Angaben von Duysak in einer Stadt in Deutschland statt, wohin Dyusak kurz nach seinem letzten Arbeitstag bei Twitter zurückgekehrt war und jetzt den Trubel hinter sich lassen will. Twitter und Amerika liebe er aber nach wie vor.