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Wie ein Düsseldorfer Origami-Ingenieur ein Papierflieger-Maschinengewehr baute

Wir haben mit dem Papierschwalben-Experten Dieter Michael Krone über sein 3D-gedrucktes Maschinengewehr gesprochen, das 60 Papierschwalben pro Minute automatisch falten und verschießen kann.
Der AUTOMATIX beim Zusammenbau. Bild: Dieter Michael Krone (Mit freundlicher Genehmigung)

Dieter Michael Krone kann getrost als einer der renommiertesten Experten der deutschen Papierfliegerei gelten. Der 48-Jährige betätigt sich nicht nur als Lehrer der Falttechniken in Kinder-Workshops und hat ein über 200 Seiten dickes  Handbuch der Papierfliegerei verfasst, er betreibt auch seit Jahren eine umfassende Papierflieger-Webseite.

Auf seiner Homepage gibt es grundsympathische Kategorien für Hintergrundwissen (Titel:  „Vorsicht Physik"), eine Geschichte von Papierflug-Oldtimern, und natürlich diverse Bastel-Anleitungen für Faltflieger wie den Wolkenschneider, Phönix oder die Papp-Teller-Taube. Und zwischen einem Web-Design aus der Epoche des Netscape-Browsers prangt in pink groß sein DIY-Versprechen: „Alle Papierflieger auf meiner Seite sind flugtüchtig."

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Das ist die Technik der Zukunft, da bin ich mir sicher.

Das Meisterstück von Dieter Michael Krone ist aber sein selbstentwickeltes 3D-gedrucktes Maschinengewehr, dass automatisch Papierschwalben falten und verschießen kann. Die Entwicklung des  AUTOMATIX hat den gelernten Maschinenbauer rund 2.500 Euro und ein halbes Jahr Arbeit gekostet, wie er mir erzählte. Angetrieben von einem Akkuschrauber kann sein Prototyp automatisch bis zu 60 Papierflieger pro Minute falten und abfeuern.

Obwohl das Video der Papierfliegerschießmaschine schon seit einem Jahr im Netz ist, bekamen seine Faltvögel in dieser Woche ungeahnte Web-Aufmerksamkeit. „Da war wohl irgendwas in Amerika", erzählte mir Krone am Telefon. „Die begeistert sowas. Aber machen wir uns nichts vor, das ist ja auch nur eine Spielerei."

Ans Verkaufen denkt Dieter Michael Krone nicht. Für ihn ist das Ganze kaum mehr als ein zeitintensives Hobby, und über die aktuelle Begeisterung ist er schon so erstaunt, dass er für einen großen Kundenansturm wohl kaum vorbereitet sein dürfte. Er denkt jedoch darüber nach, bald noch die Baupläne eines Prototypen ins Netz zu stellen. Und sobald er nach dem Wochenende von einer Drachenflug-Veranstaltung zurückgekehrt ist, hat er auch versprochen, uns netterweise weitere Bilder des AUTOMATIX zuzuschicken.

Schließlich wurde das Ding einem Gewehr immer ähnlicher. Also habe ich es auch noch mit einer Schulterstütze versehen.

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Als Faltflugzeug-Connaisseur weiß Dieter Michael, dass die Papierfliegerei etwas für Freunde der vergänglichen Kunst ist. Verglichen mit Skulpturen, Malerei oder auch Gedichten halten seine Werke nicht einmal die Länge eines Wimpernschlags im Lauf der Kunstgeschichte. Gerade deshalb ist er jedoch stets auf der Suche nach neuen und alten Prachtexemplaren der Leichtfliegerei, wie er auf seiner Homepage verspricht:

„Papierflieger sind nicht sehr haltbar. Deshalb sind historische Papierflieger auch selten. Ab und zu taucht aber doch mal einer in einem alten Schuhkarton, auf dem Speicher, auf der Schrankwand oder hinter der Kommode auf. Auch in so manchem Patentamt liegt ein Schatz, der gehoben werden will. Diese Seite ist all denen gewidmet, die es früher schon nicht lassen konnten—den Pionieren der Papierfliegerei."

Nachdem mir Dieter Michael Krone mit „beflügelten Grüßen" auf meine Mail geantwortet hatte, rief ich ihn auf seiner Arbeit an. Am Telefon erzählte er mir zwar nicht alles über sein arbeitsintensives Hobby—das hätte seine Mittagspause wohl mehr als gesprengt—aber zumindest fast alles über das Papierflieger-schießende Maschinengewehr.

Motherboard: Seit wann beschäftigst du dich mit Papierfliegern?

Dieter Michael Krone: Das ging schon direkt nach meinem Maschinenbau-Studium los. Ich war zu der Zeit beruflich viel unterwegs und musste oft in Hotels übernachten. Allerdings war das noch zu Beginn der 1990er Jahre, als die Unterhaltungsmöglichkeiten auf den Zimmern sehr begrenzt waren. Internet gab es noch nicht, Fernseher waren in dieser Preisklasse auch meistens nicht enthalten und irgendwann hatte ich dann auch alle Zeitungen durch.

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Ich habe schon viele Abende in Kneipen verbracht, bei denen am Ende die ganze Theke von Papierfaltern besetzt war.

Immerhin gab es damals auf jedem Zimmer noch Briefpapier und so habe ich schließlich einfach angefangen, Papierflieger zu basteln. Das funktionierte erstaunlich gut. Dummerweise dachte ich dann: „Du bist doch Ingenieur, entwickle doch mal einen eigenen Flieger". Das hätte ich mal lieber nicht machen sollen.

Wieso nicht?

Es ist halt relativ einfach, solch ein Flugzeug nachzufalten, aber ein eigenes zu konstruieren ist ziemlich aufwändig. Die Statik muss stimmen, die Trimmung, der Schwerpunkt, das ist ziemlich kompliziert.

Das schwierigste Modell, dass ich mir bisher ausgedacht habe ist die „Motte" mit über 40 Faltschritten.

Und wann bist du auf die Idee des Papierflieger-Maschinengewehrs gekommen?

Eigentlich ist das ja eine Faltmaschine, die AUTOMATIX. Ich wollte einen Apparat bauen, der selbständig Papierflieger herstellt. Den habe ich dann in 3D drucken lassen. Das ist die Technik der Zukunft, da bin ich mir sicher. Was sich damit alles machen lässt…

Ich habe alles in kleinen Schritten entwickelt, das ist ja auch nur mein Hobby. Insgesamt habe ich ungefähr ein halbes Jahr lang an der Maschine gearbeitet.

So faltet die Automatix die Flieger. Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dieter Michael Krone.

Normalerweise beschäftige ich mich ja mit Schwermaschinen, also nichts für den Hausgebrauch. Mit der Konstruktion von Papier hatte ich nur wenig Erfahrung, abgesehen von den handgebastelten Fliegern. Ich habe immer wieder ein neues Teil drucken lassen und die dann nach und nach zusammengebaut. Die Form kam eher zufällig, weil es sich zu so einem länglichen Gerät entwickelte.

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Als ich dann noch einen Antrieb benötigte, kam mir die Idee mit dem Akkuschrauber. Inzwischen habe ich das ursprünglich verwendete chinesische Modell mit einem besseren Produkt aus dem Elektromarkt ersetzt. Schließlich wurde das Ding einem Gewehr immer ähnlicher. Dann dachte ich, jetzt kannst du die Sache auch noch mit einer Schulterstütze versehen.

Das Gewehr besteht größtenteils aus Plastik. Deshalb ist es auch so leicht und so schön bunt.

Und wie funktionieren der Abzug und das Magazin?

Für den Abzug habe ich einfach die Schaltmechanik des Akkuschraubers übernommen, und lediglich die Rücklaufmechanik ausgebaut. Beim Magazin habe ich mir den Papiereinzug und die Blattvereinzelung einfach von einem normalen Drucker abgeguckt. Insgesamt passen so um die 50 Blatt rein.

Hast du manchmal Probleme mit einem Papierstau?

Das kommt schon mal vor. Aber um das zu beheben, hab ich einen Rückwärtslauf eingebaut und kann das AUTOMATIX freidrehen.

Wegen dem 3D-Druck konnte ich natürlich nicht den präzisen, perfekten Grad deutscher Ingenieurskunst erreichen. Auch bei den abgeschossenen Fliegern gibt es eine Streuung von 80%, nicht alle sind gleich perfekt.

Hast du dein Papierflieger-Maschinengewehr auch schon draußen eingesetzt?

Ja, das AUTOMATIX ist dafür recht praktisch, und es ist auch nicht so schwer. Ich schätze mal, dass es wohl so um die fünf Kilo wiegt. Es besteht ja fast größtenteils aus Plastik. Deshalb ist es auch so schön bunt, weil all die Zahn- und Formräder in verschiedenen Farben gedruckt wurden.

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Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dieter Michael Krone

Die wichtigen, größeren Teile des AUTOMATIX sind aber 3D-gedruckt, oder?

Ja, genau. Das ist ja das Gute am 3D-Druck, dass man die Sachen nicht vorzeichnen muss, die konnte ich alle am Computer entwickeln. Die Maschine besteht aus lauter kleinen Teilen, das kleinste ist gerade mal fünf Millimeter groß—während das größte Stück letztlich 250 Millimeter umfasst.

Die 30 000 Euro für einen eigenen Drucker habe ich mir gespart, denn große Teile zu drucken ist einfach richtig teuer. Der Druck hat mich insgesamt um die 2000 Euro gekostet, dazu kommen noch über 100 Kugellager und austauschbare Teile. Insgesamt kostet das Gerät so um die 2500 Euro. Für diesen kleinen Spaß muss man also richtig investieren.

Lässt sich die AUTOMATIX für jedermann leicht nachbauen?

Im Prinzip kann die jeder nachbauen. Ich könnte die Baupläne eigentlich noch auf die Seite stellen, das stimmt. Aber der Bau ist halt relativ kostenintensiv. Mein Gerät ist halt ein Prototyp, da ist 3D-Druck billiger. Wenn du diesen Apparat mit klassischen Verfahren wie Fräsen herstellst, dann kostet das am Ende schon um die 10 000 Euro.

Wie reagieren denn deine Freunde und Familie auf dein Hobby? Hast du die schon angesteckt?

Das läuft immer ziemlich ähnlich ab. Zuerst sind die Leute skeptisch, aber wenn ich dann mal etwas zeige und erkläre, dann wird es für alle meistens gleich interessant. Dann bekommen alle Lust.

Ich habe schon viele Abende in Kneipen verbracht, wo dann irgendwann die ganze Theke von Leuten besetzt war, die Papierflieger gefaltet haben.