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Wie Technik von Firmen mit nordkoreanischen Zwangsarbeitern in einem deutschen Windpark landet

In Polen schweißen Zwangsarbeiter aus Nordkorea Stahlteile und Schiffe. Deutsche Konzerne wie E.ON beziehen über Zulieferer Teile der Firmen – obwohl sie sich gegen Sklaverei und Menschenhandel aussprechen.
Stahlteile für Windkraftwerke werden vor dem Werksgelände von JW Steel auf einen LKW geladen | Bild: Rebecca Rütten | Motherboard

Dieser Text ist Teil unseres Themenschwerpunkts über nordkoreanische Zwangsarbeiter.

Nordöstlich von Rügen baut E.ON zusammen mit dem norwegischen Staatskonzern Statoil 60 Siemens-Windturbinen in die Ostsee. Sie sollen hier ab 2019 Strom für bis zu 400.000 Haushalte erzeugen und jährlich bis zu 1,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen, wie E.ON schreibt. Zunächst müssen jedoch die in den Meeresboden gerammten Fundamente der Windkraftwerke mit den sogenannten "Transition Pieces" verbunden werden. Diese langen gelben Stahltürme sind für den Bau entscheidend, sie verbinden die Fundamente mit dem eigentlichen Turm, auf dem das Windrad angebracht ist. Sie machen es Arbeitern überhaupt erst möglich, die Windkraftwerke auf hoher See zu betreten.

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Diese Teile hat die polnische Firma JW Steel geschweißt – eine Firma aus Stettin, bei der jahrelang nordkoreanische Zwangsarbeiter gearbeitet haben. Sie liefert Teile für den Windpark Arkona, den E.ON baut.

"E.ON hat null Toleranz für Sklaverei und Menschenhandel in jeglichen Teilen seiner Lieferkette."

30 der an den gelben Transition Pieces angebrachten Bootsanleger hat die Firma JW Steel geliefert, wie ein E.ON-Sprecher auf Motherboard-Anfrage bestätigt. Die Bootsanleger bestehen aus zwei Röhren und einer mittig davon verlaufenden Leiter, die seitlich an den gelben Türmen angebracht werden. In Auftrag gegeben habe die Teile der dänische Stahlunternehmer Bladt Industries, so berichtet es der Sprecher weiter. In einem im Dezember 2016 veröffentlichten YouTube-Video von JW Steel ist zu sehen, wie in Stettin die gleichen Anleger- und Leiterteile gefertigt werden, die dann auch auf Bildern der Transition Pieces im Rügener Hafen zu erkennen sind.

Im Hafen Sassnitz/Mukran stehen im September 2017 zahlreiche gelbe Transition Pieces, die darauf warten, im E.ON-Windpark Arkona verankert zu werden. Die Bootsanleger-Stahlteile, die bei JW Steel gefertigt wurden, wurden vertikal an den Türmen angebracht (rot eingekreist). Es handelt sich um längliche Stahlteil mit den zwei Röhren, einer dazwischen liegenden Leiter und den Plattformen am oberen Ende | Bild: Imago | BildfunkMV

Ein offizielles YouTube-Video von JW Steel zeigt die Fertigung der Arkona-Teile in den Stettiner Werkshallen. Das fertig geschweißte Bootsanleger-Teil hängt hier in den Werkshallen. Am oberen Ende der Struktur sind die zwei Plattformen, über die Wartungsarbeiter das Kraftwerk betreten, zu erkennen | Bild: JW Steel | Ausschnitt Motherboard

E.ON-Sprecher Markus Nitschke sagte auf Anfrage, man verpflichte alle Zulieferer vertraglich, Richtlinien einzuhalten, die Menschenrechtsverstöße oder Zwangsarbeit verbieten. "Wir werden dem Vorgang nachgehen", sagte Nitschke.

"Corporate Social Responsibility ist für E.ON ein Thema von extrem hoher Bedeutung. Es ist Teil unserer Kultur, hier höchste Standards anzusetzen." Man behalte sich deshalb auch vor, entsprechende Konsequenzen zu ziehen – diese könnten von Vertragsstrafen bis zum Ende einer Zusammenarbeit reichen. Allerdings müsse man den Vorgang zunächst einmal intensiv prüfen, was man nun zusammen mit Bladt Industries tue.

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E.ON duldet eigentlich keine Zwangsarbeit bei Zulieferern

E.ON hat im Sommer 2017 ein klares Statement gegen Zwangsarbeit in der eigenen Lieferkette veröffentlicht: "E.ON verpflichtet sich in all seinen Geschäftsbeziehungen ethisch zu handeln und hat null Toleranz für Sklaverei und Menschenhandel in jeglichen Teilen seiner Handels- und Lieferkette", heißt es in dem Statement, unterzeichnet von E.ON Chef Johannes Teyssen persönlich.

JW Steel erklärt auf der eigenen Homepage, dass man noch viele weitere große Windparks in Nord- und Ostsee beliefert habe. Auch andere deutsche Firmen wie Vattenfall, EnBW, der Bremer Offshore-Konzern wpd oder die Stadtwerke München betreiben Windparks, für die JW Steel Teile geliefert hat. Wpd erklärte auf Anfrage, dass man von Zwangsarbeitern bei JW Steel nichts gewusst habe.

Vattenfall-Sprecher Stefan Müller bestätigte, über einen Zulieferer Teile für den Windpark Sandbank von JW Steel bezogen zu haben. Man könne aber ausschließen, dass Nordkoreaner an Teilen geschweißt haben, die im Sandpark-Windpark vor der Küste Sylts gelandet sind. "Wir nehmen das Thema sehr ernst und haben intensiv unsere Listen aller Mitarbeiter geprüft", erklärte Sprecher Stefan Müller. Vattenfall antwortete auf unsere Rechercheergebnisse auch im Namen der Stadtwerke München, mit denen man den Sandbank-Windpark zusammen betreibe. EnBW wollte sich auf Anfrage bisher nicht zu den Recherchen von Motherboard äußern. Sowohl Vattenfall und EnBW verpflichten sich zu selbst auferlegten Regeln, die verhindern sollen, dass die Unternehmen durch die eigene Lieferkette Zwangsarbeit unterstützen.

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Ob die nordkoreanischen Arbeiter bei JW Steel tatsächlich genau jene Teile geschweißt haben, die von E.ON gerade in der Ostsee verbaut werden, lässt sich kaum prüfen. Auch wie lange die Nordkoreaner bei JW Steel gearbeitet haben, wollte die Firma auf Anfrage nicht beantworten. In Prüfberichten der Arbeitsbehörde werden die Nordkoreaner nicht erwähnt. In den Dokumenten heißt es lediglich, dass bei einer Prüfung Ausländer im Betrieb gewesen seien. Diese Arbeiter wurden jedoch nicht überprüft.

Grund dafür dürfte der Einsatz der Arbeitskräfte über eine Strohfirma sein: Die Nordkoreaner sind nicht direkt bei der polnischen Firma JW Steel angestellt, sondern werden von der von Nordkoreanern angemeldeten und von JW Steel beauftragten Firma Redshield beschäftigt und bezahlt. Das bestätigte JW Steel-Chef Waldemar Dolgopol auf Nachfrage von Motherboard.

Die Nordkoreaner sollen seit mindestens 2011 in Stettin sein, wie polnische Medien schon damals berichteten. Alle von den deutschen Firmen betriebenen Windparks wurden nach 2011 gebaut.

Auch die Duisburger Reederei Imperial will nichts von den nordkoreanischen Zwangsarbeitern in der Werft gewusst haben

Screenshot von der Website der Partner-Werft. Zehn solcher 76 Meter langen Schublader will die Partner-Werft für die deutsche Reederei Imperial gebaut haben. Den letzten laut der eigenen Website im Zeitraum von 2013 bis 2014

Auch die Duisburger Reederei Imperial ist Kunde eines Unternehmens, für das Nordkoreaner gearbeitet haben. Auf dem Gelände der polnischen Partner-Werft, die nur wenige Kilometer entfernt von JW Steel, liegt, haben Journalisten der Arte-Dokumente Dollar Heroes nordkoreanische Arbeiter angetroffen. "Ja, wir arbeiten mit der Partner-Werft", erklärte ein nordkoreanischer Vorarbeiter.

Auf der Website der Partner-Werft ist die Rede von mindestens zehn Binnentransportschiffe, die an die Firma Imperial ausgeliefert worden seien. Die langen Schublader dienen unter anderem dazu, Eisenerz auf Flüssen zu transportieren. Imperial-Sprecher Claus Grimm sagte auf Anfrage, die Aufträge seien ohne Auffälligkeiten umgesetzt worden. Man verpflichte alle Lieferanten "zur Einhaltung von umfangreichen Standards, einer angemessenen Vergütung und zum Verbot von Zwangsarbeit". Imperial gab nach unserer Anfrage an, die Zusammenarbeit mit der Partner-Werft zu überprüfen und den Vorwürfen nachzugehen. "Nach Aufklärung der Sachverhalte werden wir entsprechend der festgestellten Notwendigkeiten die nötigen Konsequenzen ziehen."

Filmemacher der Dokumentation "Dollar Heroes": Tristan Chytroschek, Carl Gierstorf, Katarzyna Tuszynska. & Sebastian Weis.