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Selbstlose Menschen sind anfälliger für Depressionen

Neue Forschungsergebnisse sehen eine Verbindung zwischen großem Gerechtigkeitssinn und den Anzeichen für Depressionen.
Bild: imago | SanchaiRat 

Menschen, die sehr empathisch sind, neigen eher zu Depressionen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die diese Woche im Wissenschaftsjournal Nature Human Behaviour veröffentlicht wurde. In ihren Experimenten ließen die Forscher der Tamagawa University in Tokyo die Versuchspersonen ein Spiel spielen, bei denen sie faire und unfaire Entscheidungen treffen mussten, und maßen dabei ihre Gehirnströme. Auf diese Weise fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Personen, die besonders selbstlose Entscheidungen trafen, später vermehrt Anzeichen einer klinischen Depression zeigten.

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Die Studie bestätigt damit eine Annahme, die sich bereits in früheren Studien herauskristallisiert hatte: Leute mit Depressionen zeigen für gewöhnlich eine hohe Anteilnahme an den Bedürfnissen anderer Menschen. Dieses prosoziale Verhalten kann ein Vorbote für Depressionen sein. Im Gegensatz dazu steht individualistisches Verhalten, also eigennütziges Verhalten.

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Die Forscher hatten vor ihren Experimenten die These aufgestellt, dass sie diese Tendenzen anhand von Hirnaktivitäten beobachten könnten. Um prosoziales Verhalten zu messen, griffen sie auf eine altbewährte Methode zurück: das Ultimatumspiel, auch ultimatives Verhandeln genannt. Bei diesem Spiel geht es darum, eine Geldsumme unter einer Personengruppe aufzuteilen. Die Testpersonen bekamen nun verschiedene Angebote vorgelegt – mal bekamen sie im Vergleich zum Rest der Gruppe viel Geld angeboten, mal wurde die Gesamtsumme gleichmäßiger verteilt. Prosoziale Personen neigen bei diesem Spiel dazu, zum Wohl der gesamten Gruppe auf einen größeren persönlichen Vorteil zu verzichten; sie streben eine faire Verteilung an. Egoisten hingegen nehmen das Angebot an, von dem sie selbst am meisten profitieren.


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Während die Teilnehmer der Studie eine Version dieses Ultimatumspiels spielten, waren sie an eine fMRT-Maschine angeschlossen, die ihre Hirnfunktion per Magnetresonanztomographie aufzeichnete. Bei einigen Teilnehmern wurden vermehrte Aktivitäten in der Amygdala und im Hippocampus des Gehirns registriert – beide Regionen sind bei Menschen mit Depressionen normalerweise kleiner, als bei gesunden Menschen. Ein Jahr später wurden dieselben Teilnehmer erneut von den Forschern untersucht, um zu sehen, ob sie Anzeichen einer Depression zeigten.

Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit Depressionen oder der Veranlagung für Depressionen generell "größere Empathie für andere Personen hegen", schreiben die Psychologen Megan Speer und Mauricio Delgado von der Rutgers University in einem Begleitkommentar zur Studie.

Das zunehmende wirtschaftliche Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft war für die Autoren der Studie ein zentrales Thema: "Die soziale Ungerechtigkeit nimmt immer weiter zu und wird als Quelle für mehrere psychische Erkrankungen gesehen, darunter auch Depressionen", schreiben die Wissenschaftler. "Frühere groß-angelegte Kohortenstudien haben bereits darauf hingedeutet, dass es eine Verbindung zwischen wirtschaftlichen Unterschieden und schweren Depressionen gibt. Dabei sind wirtschaftliche und materielle Nachteile wichtige Faktoren, um die Symptome einer Depression zu erklären. Trotzdem wissen wir bisher nur wenig über den neuronalen Mechanismus, der dieser Verbindung zwischen sozialer Ungerechtigkeit und Stimmungswandel zugrunde liegt."