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Diese Transhumanistin will ihren Alterungsprozess durch Genmanipulation stoppen

Elizabeth Parrish hält Altern für eine Krankheit und glaubt mit ihrem Biotech-Start-up eine Therapie gefunden zu haben. Als Patientin 0 stellt sie sich selbst zur Verfügung.
Elizabeth Parrish. Screenshot Youtube

Elizabeth Parrish lässt sich von der Erdanziehung nicht die Tiefe ihrer Falten diktieren. Sie nimmt den Verfall ihres Körpers selbst in die Hand und setzt ihm eine selbstentwickelte Gentherapie entgegen.

Die überzeugte Transhumanistin ist die Geschäftsführerin des Biotech-Start-ups BioViva, einem Unternehmen, welches sich auf die Fahnen geschrieben hat, unsere derzeitigen medizinischen Paradigmen grundlegend zu verändern. Die Mitarbeiter der Jungbrunnen-Firma wissen natürlich, dass alternde Zellen der Grund für körperliche Verfallserscheinungen und Krankheiten sind. Anstatt aber die Symptome zu bekämpfen, setzt BioViva direkt an der Wurzel unseres Übels an: den Genen. Dieser völlig neue Ansatz einer ganzheitlichen Herangehensweise soll nun die Kur für verschiedenste Krankheiten wie Arterienverkalkung, Alzheimer oder Muskelschwund sein, eine Pfirsichhaut gibt es natürlich auch dazu.

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„Meine Krankheit ist das Altern."

Laut der Firma fehlt der Gentherapie, deren Ansatz bisher lediglich an Tieren getestet wurde, nun nur noch ein Patient. Doch die 44-jährige Elizabeth Parrish ist Transhumanistin mit Haut, Haar und DNA und verschrieb sich dem Verfahren gleich selbst. „Ich bin Patientin 0", erklärte sie diese Woche in einem Reddit-AMA. „Meine Krankheit ist das Altern."

Für die Durchführung des Verfahrens begab sich Parrish, deren Unternehmen eigentlich in der Gegend von Seattle angesiedelt ist, Anfang September nach Kolumbien. In den USA wird der Alterungsprozess bisher nicht als Krankheit angesehen und ist keine ausreichende Diagnose für eine Gentherapie, weswegen Parrish den weiten Ausflug auf sich nehmen musste.

Das Start-up zieht seine Informationen für die Genmodellage aus den Untersuchungsergebnissen angesehener Labore. Bioviva stütz sich dabei vor allem auf Erkenntnisse, welche 2012 in einem spanischen Molekularbiologie-Labor gemacht wurde. Durch eine Manipulation der Telomerase, einem Enzym des Zellkerns, welches den Beinamen „Aging Clock" trägt, konnte die Lebenserwartung von Mäusen um 20 Prozent verlängert werden.

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Parrish erhielt ihrer Aussage nach Follistatin-Injektionen in die Muskulatur. Bei Tierversuchen hatte sich gezeigt, dass so die Produktion des Eiweißes Myostatin gehemmt werden könne und somit das Wachstum der Muskeln unterstützt. Gleichzeitig bekam sie intravenös Viren mit genetischem Material verabreicht, welche die Telemorase-Produktion anregen.

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Elizabeth Parrish ist eine der lautesten und überzeugtesten Stimmen aus dem Bereich des Transhumanismus und konnte sich auch ohne eigenen wissenschaftlichen Hintergrund zu einer Wortführerin der pragmatischen Lebensverlängerung entwickeln. Sie ist Mitglied der International Longevity Alliance (ILA), der Complex Biological Systems Alliance (CBSA) und rief BioTrovePodcasts ins Leben, wo interessierte Personen über die Maßnahmen regenerativer Medizin aufgeklärt werden.

Parrish ist überzeugt, dass sie mit ihrer Entscheidung, ihre Gene als Versuchskaninchen selbst manipulieren zu lassen, die ethisch einzig richtige Entscheidung getroffen hat, wie sie bei Reddit erzählt. Ob sie mit ihrer freiwilligen Rolle als Patient 0 die Kritiker an Gentherapien oder am regenerativen ewigen Leben wird beschwichtigen können, ist eine andere Frage. Details zu dem Verfahren wollte Parrish nicht beantworten.

George Martin von der University of Washington bemängelt in einem Kommentar zu der Behandlung in der MIT Technology Review, dass vorklinische Studien fehlen, die nötig seien, bevor solch eine Therapie wirklich durchgeführt werden könnte. Martin ist ehemaliger wissenschaftlicher Direktor der American Federation of Aging Research und betreute Parrish einige Monate lang. Seiner Meinung nach ist diese vorschnelle Anwendung des von BioViva entwickelten Verfahrens schlicht leichtsinnig.

Die Redditors äußerten sich nach Parrishs AMA in erster Linie anerkennend bis begeistert, auch wenn hin und wieder jemand anmerkte, dass es eigenartig sei, das Alter per se so als Krankheit zu definieren, wie Parrish es tut. Die meisten Anmerkungen und Fragen kreisen jedoch darum, ob Parrish denn auch selbst frisch aussehe („Sie ist Vegetarierin und treibt Sport, vielleicht sieht sie auch deswegen so jung aus"), oder wie viel die Therapie wohl kosten würde—zur Zeit wird der Preis mit rund 80.000 US-Dollar pro Therapie angegeben.

„Ich möchte, dass es keine kranken Kinder mehr geben wird", beschreibt Parrish ihre Motivation in einem Vortrag bei People Unlimited. „Stellt euch vor, wenn wir uns später einmal Bilder von früher zeigen und uns erzählen, wie es damals war, zu altern."

Ob der Jungbrunnen funktioniert oder nicht, wird laut manchen Skeptikern nicht einmal das kritischste Problem von BioViva sein. Michael Fossel ist selbst ein Pionier auf diesem Gebiet und gründete jüngst sein eigenes Gentherapie-Unternehmen namens Telocyte, mit dem er ebenfalls Alzheimer mit Telomerase heilen will. „Das Problem ist, dass ihnen keiner glauben wird", kritisiert er im Artikel der MIT Technology Review den Ansatz, mit der die Therapie mit Patient 0 erprobt werden soll. „Die Glaubwürdigkeit wird gegen Null tendieren, selbst wenn sie ihr Geld richtig anlegen."