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Deutsche Dschihadisten entdecken Science Fiction als Propaganda-Medium

Ein islamistisches Magazin in deutscher Sprache versucht mit einer futuristischen Kurzgeschichte, das Interesse Sci-Fi-begeisterter Mudschahidin zu wecken.
Screenshot: Motherboard

Im Bestreben, immer mehr Menschen für den Dschihad zu begeistern, haben Islamisten nun anscheinend auch das Genre der Science Fiction für ihre propagandistischen Zwecke entdeckt. Und so enthält ein seit einigen Wochen im Netz kursierendes deutschsprachiges Dschihadisten-Magazin, den Prolog dessen, was die Herausgeber stolz als „erste islamische Sci-Fi-Novelle" bezeichnen.

Der eine knappe DIN-A-4-Seite lange Text soll nur der Beginn sein—weitere Teile sollen mit der nächsten Ausgabe des Magazins folgen, das die Macher selbst als „erstes deutschsprachiges Magazin von Mudschahidin mit den Schwerpunkten Informationstechnologie, Kommunikation und Sicherheit" bezeichnen.

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Neben allerlei Verschlüsselungstipps findet sich auf der letzten Seite des Blatts auch ein mehr oder minder literarische Text mit dem Titel „Die Einheit". Der Anteil an für Science Fiction üblichen wissenschaftlichen und technologischen Referenzen hält sich in dem Werk allerdings in Grenzen. Stattdessen wird eine aus islamistischer Sicht dystopische Zukunft gezeichnet, in der so gar nicht fiktive Feindbilder des modernen Mudschaheddin zu einer größeren noch Macht gelangt sind, als sie diese gegenwärtig innehaben:

„Die sozialistische Republik Kurdistan" beispielsweise erstreckt sich in der Erzählung über die Hälfte der Türkei, welche—natürlich unter Einfluss der NATO—zu einem „neolaizistischen" Statt geworden ist. Unterdessen hat der schiitische Iran unter Führung eines zweiten Ayatollah Chomeini den Irak nuklear bombardiert und anschließend nahezu vollständig besetzt. Die Schiiten sind auf dem Vormarsch, haben ein „iranisches Reich" geschaffen und bedrohen die Mudschahidin, die große Gebiete der Levante bis nach Damaskus rekrutieren.

Tatsächlich erschafft der Text damit weniger ein fantasievolles neues Universum, sondern überspitzt die Kämpfe, die der sogenannte Islamische Staat schon heute in der Region kämpft—natürlich aus der Sicht der Gotteskrieger. Während die Macht der Gegner überzeichnet wird—so verschanzt sich beispielsweise die Türkei hinter einem 600 Kilometer langen High-Tech-Wassergraben—werden in den Text immer wieder Andeutungen eines angeblichen bevorstehenden Erwachens der Mudschaheddin eingestreut: „Jedoch braut sich momentan in der Region etwas gewaltiges auf, was die Ruhe stören könnte", heißt es zum Beispiel. An anderer Stelle trifft die aus Propagandamagazinen bekannte Befreiungsprosa auf speziellere Sci-Fi-Andeutungen. So tritt in der Mitte der Geschichte eine eigene Hacker-Armee auf den Plan: „Unsere Jungs von der elektronischen Kampfbrigade 13 [sind] sehr weit in das Netzwerk der Nationalgarde des Iranischen Reichs vorgedrungen."

Die in manchen Passagen eher unbeholfene Sprache des Sci-Fi-Werks steht im Kontrast zur modernen visuellen Aufmachung des Magazins. Der Text prangt unter einem dystopischen Titelbild, das die Architektur mächtiger futuristischer Türme mit Retro-Elementen wie einem hölzernen Befestigungswall verbindet—im Vordergrund traben zwei Pferde vor einem in weichgezeichneter Computerspiel-Optik gerenderten Pick-Up-Truck.

In der Einführung des Textes erklären die Magazinmacher, dass man Muslimen „weltweit Motivation und Denkanstöße vermitteln" wolle—warum man hierfür ausgerechnet auf eine Sci-Fi-Appropriation setzt, ist nicht bekannt. Eine Anfrage von Motherboard an die Redaktion blieb unbeantwortet.

Der Verfassungsschutz erklärte unterdessen, das Magazin zu beobachten. „Auch in anderen Magazinen sehen wir, dass dschihadistische Propaganda teilweise sehr modern gemacht ist. Die Professionalität vom Layout her ist für uns nicht überraschend", erklärte eine Sprecherin gegenüber Motherboard. Der Science-Fiction-Kurzgeschichte habe man beim Verfassungsschutz jedoch keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt.