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Privatsphären-Aktivisten kämpfen gegen Big-Brother-Barbie

Eine neue Smart-Barbie vermittelt nicht nur Rollenklischees, sondern bereitet Kinder auch auf eine Zukunft vor, in der jedes ihrer Worte aufgezeichnet und zur Analyse in die Marketing-Cloud geschickt wird.

​Als Mattel Mitte Februar auf der New Yorker Messe Toy Fair seine neueste Barbie-Kreation enthüllte, sah alles nach einer putzigen Produktpräsentation aus: „Hello Barbie" profilierte sich vor dem geneigten Messepublikum als tolle Möglichkeit, gleichermaßen den Umsatz großer Spielwarenketten und die globale Quengelquote weiter anzukurbeln

Doch Barbie beschränkt sich längst nicht mehr nur auf das Vorleben angemessener Frauenbilder, sondern ist selbstverständlich auch für die allgemeine pädagogische Vorbereitung auf die Welt da draußen zuständig. Und so stattete Mattel „Hello Barbie" gleich noch mit ein paar glamourösen Big-Brother-Features aus: Die interaktive „Smart"-Barbie zeichnet Fragen und Aussagen von Kindern auf, schiebt die Daten auf die eigenen Cloud-Server, lässt sie von der hauseigenen Sprachanalyse-Software untersuchen, um dann den Kindern mit individualisiertem computergeniertem Rat zu antworten.

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Bevor das veritable Super-Gadget zu Weihnachten in den Verkauf geht und unterm geschmückten Baum aller gutgläubigen Verfechter der Vorratsdatenspeicherung mit „Ich habe nichts zu verbergen"-Attitüde landet, mobilisieren nun mehrere Privatsphären-Aktivisten gegen die weitere Produktion und Vermarktung der Puppe.

Susan Linn, Geschäftsführerin von Campaign for a Commercial-Free Childhood, erklärte nun: „Kinder, die mit 'Hello Barbie' spielen, sprechen nicht nur zu einer Puppe, sondern direkt in die Ohren eines Spielzeugkonglomerats, dessen einziges Interesse finanzieller Art ist. Das ist gruselig und gefährdet Kinder und Familien."

Vorstellung von „Hello Barbie" bei der New Yorker Toy Fair.​

Wie das Video der Puppendemonstration zeigt, fragt „Hello Barbie" die Kinder nach ihren Vorlieben, ihren Interessen und ihrer Familie. Eine wunderbare Marktforschungsgrundlage mit vielen tollen Insiderinformationen, die sich sicherlich fantastisch für die ein oder andere Produktentwicklung und Werbekampagne verwenden lassen.

Das Problem der Puppe besteht dabei vor allem darin, dass sie die intimen Gedanken von Kindern aufzeichnet, ohne dass die Eltern die Kontrolle haben, ob diese nicht auch an Drittanbieter weitergegeben werden. Auch Gespräche, die in der unmittelbaren Umgebung der Lauschpuppe stattfinden, werden von dem Spielzeug aufgezeichnet.

Hinter „Hello Barbie" steckt die Investmentfirma Toy Talk, die in ihren  ​Datenschutzrichtlinien angibt, Aufzeichnungen nicht nur zur Verbesserung der eigenen Sprachsysteme und KI-Algorithmen zu verwenden, sondern gleichzeitig nicht ausschließt, die Audioaufnahmen auch mit Drittanbietern zur Verbesserung des Angebots zu teilen, wobei diese Partner, die Daten auch behalten dürften.

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Mithilfe ihrer Sprachanalyse-Software lernt die WiFi-vernetzte Puppe beim spielerischen Haarekämmen und Partystyling mehr über ihren kindlichen Besitzer als es die Eltern vielleicht je tun werden. Diese sensiblen Daten wandern dann ungefiltert in die Cloud der Hersteller, wo sie für Werbezwecke eingesetzt werden können.

Der fürsorgliche Spielzeuggigant Mattel begründet seine Entscheidung zur Cloud-Barbie damit, dass die meisten Anfragen von Spielzeugmachern dahin gehen, dass sich die Kinder mit ihren Puppen unterhalten wollen. Auf Wiedersehen, blühende Phantasie!—Herzlich Willkommen, ihr mundgerechten, zugeschnittenen Datenhäppchen!

Mattel beschwichtigt den besorgen Konsumenten jedoch umgehend, indem die Firma betont, die Barbie würde sich nach den aktuellen Regierungsstandards richten, genauso wie sie den Standards der Campaign for a Commercial-Free Childhood folgt. „Die bei „Hello Barbie" verwendete Technik beinhaltet eine Menge Absicherungen, damit die Daten sicher gespeichert und nicht von Dritten umautorisierten Nutzern eingesehen werden können", erkärte eine Sprecher von Mattel gegenüber  The Star.

Ohnehin würden alle Daten an die Cloud verschlüsselt übertragen. Oren Jacob, stellvertretender Geschäftsführer von Toy Talk, verweist beschwichtigend auf Apps und Spracherkennungssoftware in Smartphones, bei denen ebenfalls Sprachdaten verwendet werden. „Wenn Toy Talk oder Toy Talk-Partner irgendwelche persönliche Informationen erhalten, werden alle Parteien diese Daten umgehend löschen."

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Paranoiaerprobte Online-Kommentatoren mögen nun einwenden, dass die Puppe ohnehin nur die logische Fortsetzung der allgegenwärtigen Spionagegadgets ist, die wir als Smartphones täglich mit uns herumtragen. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Smartphones nehmen nicht automatisch alle Daten auf, und selbst wenn Geheimdienste wie die NSA die Telefongespräche ohne bestimmten Anlass abfangen und auch dauerhaft nicht nur die Metadaten, sondern auch die Inhalte speichern, so unterliegen die staatliche Stellen zumindest theoretisch rechtlichen Auflagen.

Der unbändige Konsumdrang des Weihnachtsgeschäfts dagegen, ist vielleicht das einzige, was noch schwerer zu bremsen ist als der Überwachungsdurst der NSA.

Wollen wir also hoffen, dass die „Hello Barbie" ein ähnlicher Verkaufsflop wird wie die sprechende „Math Class is tough"-Version aus der Teen-Talk-Reihe.