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Das zweite Leben der deutschen Haustierkryonik

Der Leiter des deutschen Instituts für Tierkryonik friert immer noch gern deine Katze ein, wenn du für den Stickstoff bezahlst. Aber die Haustierkonservierung war nur eine Aufwärmübung für sein eigentliches Ziel der Kryonik von Menschen.
Ein Kryostat wird mit flüssigem Stickstoff gefüllt. Bild: mit freundlicher Genehmigung von Murray Ballard

Michael Saxer ist Kryoniker von ganzem Herzen. Ein leidenschaftlicher Spezialist für die Kühlung von toten Organismen, um diese in ferner Zukunft erneut zu beleben.

Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Kryokonservierung und meldete 2004 in Görlitz das erste Gewerbe für kryonische Dienstleistungen an. Wenige Monate später eröffnete er mit einem Freund in Kaiserslautern ein Institut für die kryonische Aufbewahrung von verstorbenen Haustieren. Seine Homepage fasst das Angebot mit dem Slogan „Alternative zum Tierfriedhof" kompakt zusammen.

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Du musst das Blut schnell durch ein Frostschutzmittel ersetzen. Wir nennen das Perfusion.

Saxer—hauptberuflich Leiter eines Versandhandels für Modelleisenbahnen—schrieb also einen Businessplan. Beinahe hätte er für sein neugegründetes Kryonik-Institut sogar einen millionenschweren EU-Förderkredit bekommen. Letztlich scheiterte er jedoch am Nachweis eines Eigenkapitals von 300.000 Euro, das der Hobbywissenschaftler nicht auftreiben konnte. Er konnte auch keinen Investor finden, der das Geld für seine durchaus überzeugende Geschäftsidee aufbringen wollte—dabei dürfte es ja nichtsdestotrotz eine ansehnliche Zielgruppe unsterblich verliebter Haustierfreunde geben.

Seine Tierkryonik-Webseite bietet eine detaillierte Preisliste vom Vogel bis zum Pferd. Als ich ihn anrufe, um mit ihm über den Zustand der Tierkryonik in Deutschland zu sprechen, erzählt mir Saxer, warum er dennoch lieber keine Werbung für sein Angebot machen möchte, und warum die Tierkryonik für ihn nur eine kleine Aufwärmübung für das Einfrieren von Menschen ist.

Motherboard: Hallo Herr Saxer, wie funktioniert die Tierkryonik?

Michael Saxer: Die Vorgehensweise unterschiedet sich nicht besonders von der Kryonik des Menschen, aber das Tier sollte am Besten unter Aufsicht eingeschläfert werden, damit es sofort weiterbehandelt werden kann. Man muss den Leichnam wirklich unmittelbar nach dem Ableben behelfsmäßig kühlen, am besten in einer Eiswanne. Das Blut und andere Körperflüssigkeiten werden dann schnell durch ein Frostschutzmittel ersetzt, wir nennen das Perfusion.

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Das Ganze ergibt nur Sinn, wenn auch der Besitzer einen Vertrag mit einem kryonischen Institut hat.

Wenn das Mittel dann zu Glas aushärtet, ist das die sogenannte Vitrifikation, welche die Chancen für eine erfolgreiche Wiederbelebung um ein Vielfaches erhöht. Das ist vergleichbar damit, wenn Sie Erdbeeren ins Eisfach legen. Wenn die später auftauen, sind sie ja auch zermatscht. So kann man sich die Zellschäden vorstellen, die die Kälte am Gewebe verursacht. Im Stickstofftank wird der Körper dann bei -196°C aufbewahrt, bis er wieder zum Leben erweckt werden kann.

Wieso sollte ich mein Haustier überhaupt einfrieren lassen?

Menschen lieben Tiere, aber die haben nun mal eine begrenzte Lebensspanne. Wir wollen den Besitzern die Chance nicht verbauen, eines Tages wieder mit ihrem quicklebendigen Tier vereint zu werden. Man sollte jede Chance auf ein Weiterleben nutzen, anstatt den Tod zu verdrängen und als gegeben anzusehen. Noch ist die Möglichkeit klein, aber sie besteht durchaus.

Uns wurde ständig Geschäftemacherei vorgeworfen

Das Ganze ergibt natürlich nur Sinn, wenn die Besitzer ebenfalls einen Vertrag mit einem kryonischen Institut abgeschlossen haben, sonst überlebt das Tier ja den Menschen. Ich möchte da niemandem hineinreden, aber ich persönlich würde eher das Geld für meine eigene kryonische Behandlung sparen und investieren, anstatt für mein Haustier.

Was ist der aktuelle Stand am Institut für Tierkryonik?

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Gerade passiert nicht so viel. Am Anfang haben wir Anzeigen geschaltet und sind auch auf reges Interesse gestoßen. Aber uns wurde ständig Geschäftemacherei vorgeworfen, daher werben wir nicht mehr aktiv für unser Angebot.

Uns wird immer wieder unterstellt, dass wir Lügen verbreiten. Dabei leisten wir Pionierarbeit! Früher dachten die Menschen auch, man könne kein Herz transplantieren, weil dort der Sitz der Gefühle sei. Heute ist es überhaupt nicht mehr vorstellbar, dass sich dagegen mal so ein Widerstand geregt hat. So wird es uns auch mal gehen. In ein paar Jahrzehnten wird es ganz normal sein, sein krebskrankes Kind oder Angehörige einzufrieren, um sie dann, wenn die Medizin soweit ist, wiederzubeleben.

Wir haben noch viel Platz neben den Katzen.

Wir haben das nur gemacht, weil es legal war und es uns die Möglichkeit gab, Erfahrungen für die Kryonik am Menschen zu sammeln. Wir wollen für den Ernstfall gerüstet sein—darauf konzentrieren wir uns jetzt. Zudem nutzen wir die Stickstoffbehälter zum Beispiel für die Forschung an Gewebeproben. Wir haben da ja noch viel Platz neben den Katzen.

Wieso haben Sie das Institut überhaupt gegründet, wenn die Chancen auf eine Wiederbelebung verschwindend klein sind? 

Manchmal bekommen wir auch Anrufe von Schülern, die nicht viel Geld haben und uns beispielsweise bitten, ihren Hamster einzufrieren. Denen sagen wir dann: „Kauf dir doch lieber einen neuen." Das Institut für Tierkryonik existiert nur noch im kleinem Rahmen, alle paar Monate bekommen wir Anfragen zur Einlagerung. Wir weisen die Tierbesitzer zwar darauf hin, dass die Chance auf eine Reanimation sehr klein ist, wenn wir die Tiere im bereits halb verwesten Zustand erhalten, aber wenn sie darauf bestehen, lagern wir jedes Tier ein.

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Wie viele Tiere sind momentan im Institut für Tierkryonik eingefroren?

Eigentlich nur zwei Katzen, aber die sind nicht perfusioniert. Das heißt, dass ihr Blut nicht durch Frostschutzmittel ausgetauscht wurde. Als mich ein Kunde angerufen hatte, lag die Katze schon eine Weile bei ihm im Eisfach. Einem anderen Kunden, der seine Katze bei uns konservieren lassen hat, war kurz darauf die Mutter gestorben—sie befindet sich mittlerweile in den USA bei der Life Extension Foundation Alcor im Stickstofftank. Ihm kam es absolut nicht auf das Geld an.

Beide Tierbesitzer konnten sich die Lagerung gut leisten und haben uns darum gebeten, ihren Katzen nicht die kleinste Chance auf ein Weiterleben zu verbauen. Wir haben die Besitzer zwar darauf hingewiesen, dass die Katzen eben nur so im Stickstoff schwimmen, aber für sie hat die Konservierung vor allem einen psychologischen Effekt.

Wer jetzt einen Kryonikvertrag abschließt, steht mit einem Bein schon in der Zukunft.

Was kostet eine kryonische Behandlung?

Das kommt natürlich auf die Größe des einzulagernden Guts an. Ein kleiner Vogel braucht ja nicht viel Platz. Bei einem Menschen gibt es beim größten Anbieter die Option, den ganzen Körper für —oder auch nur den Kopf. Für Haustiere verlangen wir einen einmaligen Betrag, mit dem wir für mehrere Jahre die laufenden Kosten decken. Alle acht Wochen müssen wir Flüssigstickstoff in den Druckbehälter nachfüllen. Das kostet nicht viel: Die 150 Liter Stickstoff alle paar Wochen kommen insgesamt auf knapp 100 Euro.

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Wie ist die rechtliche Lage momentan?

Na ja, man darf ja auch ein geschlachtetes Hühnchen in Deutschland einfrieren, die gefrorene Lagerung von Haustieren im Stickstofftank ist insofern überhaupt kein Problem. Leider dürfen Menschen hierzulande nicht kryogenisch aufbewahrt werden, sie müssen dann im Zinksarg auf Trockeneis in die USA ausgeflogen werden.

Saxers Partner lagert eine Katze im Tierkryonik-Institut ein. Bild: mit freundlicher Genehmigung Michael Saxer

Wenn Tiere oder Menschen sterben, sind sie ja entweder alt, krank oder verunglückt. Ein solcher Körper würde doch selbst, wenn er wieder lebendig würde, sofort weiter verfallen. Wäre es dann nicht besser, gesunde Körper zu konservieren?

Das betrifft einen ethischen Grenzbereich, den ich nicht ausloten möchte. Aber ganz generell sind wir Kryoniker der Meinung, dass der Alterungsprozess in nicht allzu ferner Zukunft aufhaltbar ist oder umgekehrt werden kann.

Ich hoffe, im Jahr 2150 wieder rauszukommen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass das in den nächsten Jahren passieren wird. Deswegen lassen sich auch viele Kryoniker nur den Kopf einfrieren: Sie hoffen, dass ihnen per Tissue Engineering ein neuer Leib gezüchtet wird und wichtige Informationen im Gehirn gespeichert bleiben. Mein Vertrag ist schon unterschrieben. Mit ein bisschen Glück werde ich 2060 noch erleben, und dann lasse ich mich einfrieren. Ich hoffe dann, so ungefähr im Jahr 2150 wieder rauszukommen.

Haben Sie keine Angst, vergessen zu werden?

Nein, da bin ich ganz zuversichtlich, weil ich fest an die Medizin glaube und an die Neugier des Menschen. Gut, in 500 Jahren haben wir vielleicht andere Probleme, da holt dich keiner mehr aus dem Tank. Aber denken Sie nur an die gefrorenen Leichen, die manchmal in den Alpen gefunden werden. Die sind zum Teil 300 Jahre alt, stellen Sie sich mal vor, wir könnten einen von ihnen wieder zum Leben erwecken! Das wäre doch unendlich spannend. Also denke ich auch, dass da in der Zukunft ein sehr großes Interesse der Öffentlichkeit bestehen wird, einen Zeitzeugen aus der Vergangenheit zu konsultieren.

Wie weit ist denn die Kryonik am Menschen?

Wer jetzt einen Kryonikvertrag abschließt, steht mit einem Bein schon in der Zukunft. Wir sind europäische Spitze in der Kryonik und haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, insbesondere durch unsere Zusammenarbeit mit Gerontologen, Thanatopraktikern und einem Kardiologen. Mit diesem Team haben wir zu Trainingszwecken gerade im August eine Schweinelunge perfusioniert. Wir brauchen ja vor allem Praxiserfahrung, denn wird ein Kunde eingelagert, muss alles ganz schnell gehen. Da dürfen wir uns keine Fehler erlauben.