Katzen, die auf Gurken starren—erschreckende Erkenntnisse der Tierpsychologie

FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Katzen, die auf Gurken starren—erschreckende Erkenntnisse der Tierpsychologie

Wir haben eine Tierpsychologin gefragt, was es mit all den Videos auf sich hat, in denen Katzen sich panisch vor Gurken erschrecken.

BIld: imago/shutterstock, Bearbeitung: Motherboard

Was für uns früher Blair Witch Project gewesen sein mag, sind für Katzen Gurken. Video-Compilations, die seit ein paar Tagen auf Youtube viral gehen und zum Teil über 3 Millionen Views haben, zeigen Katzen, die ziemlich uncool auf eine heimlich hinter ihnen abgelegte Gurke reagieren und sich in einer Panikreaktion in Richtung Zimmerdecke schrauben oder anderweitig abdrehen. Sonst eher für abgeklärtes und halbwegs elegantes Verhalten bekannt, scheint der Anblick einer unbeweglichen Gurke die Tiere komplett zu überfordern.

Anzeige

„Wenn Sie das zum Spaß machen, zweifle ich an ihrer Menschlichkeit."

Überall auf der Welt schleichen sich schadenfrohe Besitzer in diesen Tagen an ihre haarigen, nichtsahnend aus dem Napf fressenden Freunde heran und platzieren Gurken hinter ihnen, um diesem Phänomen selbst beizuwohnen und gegebenfalls ihre Katzen herzhaft auszulachen.

Selbstverständlich warnt auch schon eine kalifornische Verhaltensexpertin vor nachhaltigen Schäden in der Tierpsyche, vielleicht gar einer ausgewachsenen Gurkenpsychose, ausgelöst durch verrohte Besitzer, die ihre Tiere terrorisieren: „Wenn Sie das zum Spaß machen, zweifle ich an ihrer Menschlichkeit." Ein anderer, Buchautor eines Buches über Katzenverhalten, nennt die Videos von angesichts Überraschungsgurken panisch hopsender Katzen sogar „abscheulich" (wir vermuten, der Mann war wohl noch nicht lange genug im Internet unterwegs).

Die ersten Erklärungsversuche eines Tierpsychologen im Guardian für dieses Phänomen sind ebenfalls nicht allzu zufriedenstellend: Katzen würden einfach nicht mit einer spontanen Gurke auf dem Boden rechnen, so der Experte. Mit Verlaub: Wer tut das schon?

Da uns diese Antwort noch nicht erkenntnisreich genug erschien, haben wir eine ausgewiesene Katzenpsychologin in Berlin angerufen und uns von Sabine Caspary erklären lassen, wieso vom diesem doch recht harmlos erscheinenen Gemüse (für botanische Klugscheißer: Kürbisgewächs) ein solches Schreckenspotential ausgehen kann.

Anzeige

Hallo Frau Caspary, was geht mit diesen komischen Katzenviechern ab?

Ich kann da auch nur vermuten. Katzen sind ja eigentlich sehr neugierig, deswegen denke ich, dass dort ein gewisser evolutionär veranlagter Urinstinkt eine Rolle spielen könnte, der auf eine althergebrachte Schlangenfurcht zurückzuführen ist. Form und Farbe der Gurke könnten die Katze an eine sich unbemerkt nähernde Schlange erinnern.

Katzen halten Gurken also für Raubtiere. Haben Katzen denn Erfahrungen mit Schlangen?

Unsere Hauskatze stammt von der afrikanischen Wildkatze ab, nicht von der hier in unseren Wäldern beheimateten Wildkatze. Die afrikanische Wildkatze ist dort zu Hause, wo es gerade schreckliche kriegerische Auseinandersetzungen gibt—in Syrien und im Irak. Man nennt diese Gegend auch den „fruchtbaren Halbmond". Dort gibt es durchaus andere Fressfeinde für Katzen: nicht nur viele Schlangen, sondern auch Greifvögel.

Heißt das, dass Katzen vor allem Angst haben, was länglich ist?

Eine Rolle spielt bestimmt auch, dass der Gegenstand in der Nähe des Napfes liegt, dort fühlen Katzen sich besonders sicher. Ob das allerdings auch mit anderen Gegenständen funktioniert, weiß ich nicht, müsste man mal ausprobieren.

In einem Motherboard-Selbstversuch, den wir aus Sicherheitsgründen an die 600 km entfernte Mutter einer Redakteurin ausgelagert haben, reagierten in einem willkürlich ausgewählten Sample 2 von 2 Katzen (100%) komplett gleichgültig auf die unauffällig platzierte Gurke, wenn auch ein gewisses Zögern registriert werden konnte. Manche Katzen, so ergab unser Experiment, scheren sich also auch einen feuchten Dreck um die Gemüseinvasion.

Bevor uns die Animal Liberation Front die Scheiben einschlägt, darf in der tierrechtlichen Diskussion nicht vergessen werden, dass Katzen selbst Meister im Spuken und Erschrecken sind, wenn sie sich ninjamäßig an ihren Besitzer anschleichen, fledermausartig auf deren Köpfe niederregnen oder menschlichen Füßen hinterrücks in ein Bettlaken gewickelt auflauern.

Es ist daher nur gerecht, das Haustier im Dienste der Wissenschaft zumindest einmal mit einer Gurkenüberraschung zu konfrontieren.