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Geleaktes Paper soll zeigen, dass der "unmögliche Warpantrieb" funktioniert

In 70 Tagen zum Mars mit einem treibstofflosen Perpetuum Mobile—laut eines neuen Papers könnte das bald Wirklichkeit werden.
Bild: emdrive.com | Roger Shawyer

Titelbild: emdrive.com | Roger Shawyer Star Trek ist nicht nur aufgrund seiner erzählerischen Ausdauer eine einzigartige Science Fiction-Serie—das besondere ist auch, dass alle in dem utopischen Universum verwendeten Geräte auf wissenschaftlichen Grundlagen basieren. Auch wenn sie auf den ersten Blick wie Zukunftsmusik erscheinen, soll ihre Umsetzung zumindest theoretisch gesehen möglich sein. Das haben im Laufe der Jahre schon die Erfindung von Handys und 3D-Druckern bewiesen. Doch es gibt eine prominente Ausnahme: den Warpantrieb. Die Erschaffung einer Energiequelle, die ohne Zufuhr jeglichen Treibstoffes ein Raumschiff antreiben könnte, gilt noch immer als physikalische Unmöglichkeit.

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Doch nun soll ein geleaktes wissenschaftliches Paper das Gegenteil beweisen. Laut dem zuerst bei Google Drive hochgeladenen Dokument soll das Paper bereits Ende 2015 von den NASA-Wissenschaftlern der Eagleworks Laboratories Harold White, Paul March und James Lawrence verfasst worden sein. Der Titel „Measurement of Impulsive Thrust from a Closed Radio Frequency Cavity in Vacuum" des von einem anonymen User hochgeladenen Dokuments, dessen Echtheit bisher nicht unabhängig bestätigt wurde, mag wenig spektakulär klingen, aber der Inhalt könnte eine lang andauernde Physiker-Kontroverse beenden und eine Sensation bereithalten. Das Versprechen des futuristisch anmutenden Antriebs: In nur 70 Tagen zum Mars reisen.

In der angeblichen Untersuchung beschreiben die beiden NASA-Forscher den erfolgreichen Testlauf des sogenannten EM-Drive (Electromagnetic Drive, zu deutsch: elektromagnetischer Antrieb), der in der Öffentlichkeit seit Jahren als realistischste Chance auf die Umsetzung eines Warp-Antriebs gehandelt wird. Die Wissenschaftler hatten in ihrem Versuchsaufbau einen Prototypen des zylindrischen Zukunftsantriebs nachgebaut und an verschiedene Messgeräte angeschlossen. Der EM-Drive ist ein elektromagnetischer Antrieb, der nur mit Mikrowellen funktioniert und keinen Treibstoff verbraucht. Das Aufsehenerregende an den Ergebnissen ist, dass dieser treibstofflose „Motor" theoretisch unmöglich ist, da er den allgemeinen Grundsätzen der Physik widerspricht. Ein Antrieb, der keinen Treibstoff verbraucht könnte ewig laufen—ein Perpetuum Mobile. Auf dem Papier ist die Funktionsfähigkeit der Technologie unmöglich, was bereits zu einer jahrelangen kontroversen Debatte geführt hat.

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Das Kozept und ein Prototyp des elektromagnetische Antriebs wurden von dem Briten Roger Schawyer entwickelt, einem ehemaligen Mitarbeiter des deutschen Raumfahrtunternehmens EADS-Atrium, das heute zu Airbus gehört. Allerdings wurde die neuartige Technologie erst im vergangenen Jahr zum ersten mal von einem chinesischen Forscherteam rekonstruiert und getestet—keiner hatte sich bis dahin dieser, als Spinnerei abgetanen Idee, annehmen wollen. Obwohl die Ergebnisse der Chinesen positiv ausfielen und die Wirksamkeit des Antriebs bestätigten, wurden sie in der wissenschaftlichen Diskussion mit großer Skepsis aufgenommen. Einer der Zweifler ist der Astrophysiker Brian Koberlein, der ohne handfeste praktische Beweise wenig von der Theorie des EM-Drive hält. Auch bei Reddit wird diskutiert. Dort gibt es einen Thread mit dem Titel „4 Reasons Why The EM Drive is Probably Bullshit".

Doch sogar die Forscher der NASA glauben an die Funktionsfähigkeit des umstrittenen Antriebssystems. Einer der führenden Forscher des EM-Drive ist Paul March vom Eagleworks Laboratory am Johnson Space Center, der auch als Autor des geleakten Papers aufgeführt ist. Schon im April 2015 fand sich in dem Forum NASASpaceFlight die erstaunliche Ankündigung, dass der EM-Drive erfolgreich im Vakuum getestet wurde. Das wäre die erste erfolgreiche Anwendung des Antriebs überhaupt, der damit das dritte Newtonsche Gesetz und somit den Impulserhaltungssatz aus den Angeln hebt. Dieses besagt, dass ein Körper, der eine Kraft auf einen anderen Körper ausübt, gleichzeitig immer eine gleich große Gegenkraft bewirkt. Ein Schub in die eine Richtung stößt folgerichtig also auch einen Schub in die andere Richtung aus. Im Weltraum ist das bisher Raketentreibstoff, der in Flammen ausgestoßen wird. Eine andere treibstoffunabhängige Technologie, an der aktuell geforscht wird, sind Sonnensegel, die Solarkraft in Schub umsetzen. Allerdings ist die Beschleunigung per Segel sehr gering und liegt laut des Papers unter der eines EM-Drive.

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Das ist bei einem EM-Drive anders, was ihn in den Augen vieler Wissenschaftler bisher zu einem hypothetischen Hirngespinst macht. Das Grundprinzip des Antriebs ist schnell erklärt: Ausgangspunkt sind durch Solarenergie erzeugte Mikrowellenphotonen, die in einem Metallkegel hin- und herspringen, was einen Unterschied im Strahlungsdruck erzeugt. Allein diese Bewegung, die, so die Vermutung der Wissenschaftler, auf subatomaren Teilchen beruht, sorgt für den zielgerichteten Schub, der das Raumschiff in Schwung versetzt.

In den Forschungen wurde der Fokus bisher in erster Linie auf den Testaufbau und die Resultate gelegt. Wie genau die physikalischen Mechanismen des Antriebs wirken, ist bisher nicht zufriedenstellend untersucht. Die Annahmen reichen von Mikrowellen, unbekannten Kräften, die auf Einsteins Relativitätstheorie zurückzuführen sind bis zur Lorentz-Kraft, also jener Kraft, die eine Ladung erfährt, wenn sie sich durch ein elektrisches oder magnetisches Feld bewegt.

Laut des Papers erzeugt der EM-Drive selbst nach Ausschluss aller bekannten, möglichen Fehlerquellen in Methodik, Aufbau, Messung und Auswertung bisher 1.2 Millinewton pro Kilowatt im Vakuum. Bereits Ende Oktober 2015 hatte Paul March in einem Blog zu demselben Versuch in der Forschung am EM-Drive Stellung bezogen und erklärt, dass es den Wissenschaftlern gelungen sei, das Triebwerk gegen alle Fremdeinflüsse wie beispielsweise Kabel, die magnetische Felder aufbauen, wenn Strom durch sie durchfließt, abzuschirmen. Demzufolge würde der gemessene Schub nicht auf Fehlern im Versuchsaufbau oder bei der Messung beruhen, so March.

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Der ebenfalls zur Zeit von der NASA entwickelte Hall-Effekt-Antrieb, ein Hochleistungs-Ionenantrieb, der bis 2020 ein einsatzfähiges Triebwerk für Deep-Space-Missionen liefern soll, erzeugt im Gegensatz dazu 60 Miillinewton pro Kilowatt. Der Unterschied ist also enorm, kann jedoch dank weiterer Forschung und einigen Aufräummaßnahmen bezüglich des Transportgewichts möglicherweise stark verringert werden.

Der Hall-Effekt-Antrieb funktioniert nämlich, wie auch die anderen, gängigen Raketen und Shuttles, ganz klassisch mit Treibstoff. Das bedeutet, das Raumschiff transportiert ein enormes Gewicht an Sprit in seiner Ladung. Sollte dieser Ballast wegfallen, wie es beim EM-Drive der Fall wäre, benötigt auch der Antrieb demzufolge weniger Schubkraft, um das Shuttle in die Weiten des Alls zu befördern.

Ob das geleakte Paper echt ist, lässt sich momentan allerdings nicht sagen. Angeblich befindet sich ein Paper mit dem selben Titel „Measurement of Impulsive Thrust from a Closed Radio Frequency Cavity in Vacuum" bereits in Peer Review. Das behauptete José Rodal vom Massachusetts Institute of Technology bereits Ende August in einem mittlerweile gelöschten Kommentar im Forum NASASpaceflight. Außerdem findet sich in dem Kommentar ein Zitat mit einer vorher nicht veröffentlichten Messzahl, die sich so in dem aktuellen Paper wiederfindet. Seiner Aussage nach sollte der Aufsatz ebenfalls inKürze vom American Institute of Aeronautics and Astronautics (AIAA) publiziert werden.

Auf Anfrage von Motherboard nach der Echtheit des Papers bei der NASA und den Wissenschaftlern haben wir bisher keine Rückmeldung erhalten. Sollte sich daran etwas ändern, werden wir diesen Artikel umgehend aktualisieren.