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Himmel und Hölle über dem Kongo

Es gibt wohl kaum einen Ort auf dieser Welt, an dem Fliegen so riskant ist wie in der Demokratischen Republik Kongo.

Es gibt wohl kaum einen Ort auf dieser Welt, an dem Fliegen so riskant ist wie in der Demokratischen Republik Kongo. Die rund 50 kongolesischen Fluglinien stehen allesamt auf der Schwarzen Liste der Europäischen Union und haben damit Flugverbot in der EU. Flugzeugabstürze geschehen dort nicht nur häufiger als anderswo auf der Welt, sondern gehören zum Alltag. Erst vor knapp zwei Monaten zerschellte eine 727 bei ihrem Landeanflug, 74 Menschen starben. Im Mai bohrte sich eine weitere Maschine in den Boden, 32 Menschen starben. Im März fiel eine Frachtmaschine aus dem Himmel, 16 Menschen starben. Diese Liste könnte man endlos weiterführen, aber es wird deutlich, dass Fliegen im Kongo eher ein Wagnis ist.

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Es gibt kaum NGOs, die ihre Cessnas über das Dickicht des kongolesischen Regenwalds steuern, um dringend benötigte Hilfe in Form von Mensch und Material an entlegenen Ort im Dschungel zu bringen. Vielleicht aus einem schlechtem Gewissen ihrer ehemaligen Kolonie gegenüber übernehmen diesen Dienst die beiden Dependancen von Aviation Sans Frontiers, kurz ASF aus Belgien und Frankreich. Ohne irgendetwas, dass einer Flugsicherung oder einer Infrastruktur ähnelt, landen die Piloten dieser Organisation mitten im Dschungel, um der Bevölkerung in abgelegenen Winkeln des krisengeplagten Ostkongos zumindest ein wenig Hilfe aus der Luft zu bringen. Ich habe mich also mit Laszlo Sandrin von ASF Frankreich, der als Buschpilot im Kongo arbeitet, unterhalten.

VICE: Hallo Laszlo, wie lange fliegst du schon für ASF im Kongo?

Laszlo Sandrin: Ich bin bereits seit zehn Jahren Pilot und seit drei Jahren fliege ich Missionen für ASF in Afrika und dort vorwiegend im Kongo. Da wir keine Firma sind, sondern eine NGO, fliegen bei uns hauptsächlich Piloten, die sich freiwillig melden. Zum einen, weil sie eine andere Art des Fliegens erleben, oder eben den Menschen in Afrika helfen wollen. Im Kongo zu fliegen ist extrem spannend und herausfordernd für einen Piloten.

Was macht das Fliegen im Kongo so gefährlich?

In Europa ist alles in der Luft kontrolliert. Es gibt immer jemanden, der dir sagt, was du tun musst, wohin du fliegen musst und wo es lang geht. Im Kongo gibt es keinerlei Flugsicherung und das Wetter ist durch Nähe zum Äquator ziemlich schwierig. Man hat es ständig mit Gewittern zu tun und da wir dort mit kleinen Maschinen arbeiten, muss man einfach nach seinen eigenen Regeln fliegen und sehr vorsichtig sein. Außerdem ändert sich die Sicherheitslage andauernd. Das muss man auch im Auge behalten.

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Was genau macht ASF im Kongo?

Wir sind eine unabhängige NGO, wir helfen den Menschen vor Ort. Dafür haben wir zwei Maschinen im Einsatz, die im Monat knapp 80 Missionen fliegen. Eine im Westen und eine im Osten. Es sind relativ kleine Maschinen, mit denen wir Material für die UNO, Oxfam, die Welternährungshilfe oder andere Organisationen fliegen, oder auch Ärzte und Mitarbeiter dieser Organisationen. Wir fliegen jedoch keine kommerziellen Güter, Politiker oder sowas.

Wie gefährlich ist die Situation am Boden?

Die Bevölkerung des Kongos ist sehr herzlich, freundlich und offen, aber auch bitterarm. Das führt manchmal zu Schwierigkeiten. Ab und an blockieren sie die Landebahnen, oder gleich das ganze Flugzeug, um so an Geld zu kommen. Man muss in solchen solchen Situationen abwägen. Einfach ja zu sagen und Geld zu bezahlen, kann zu noch mehr Problemen führen. Abgesehen davon gibt es kaum Pisten zum Landen und wenn, dann sind sie in einem sehr schlechten Zustand.

Ihr fliegt ja auch im Osten des Kongos, wo de facto noch Bürgerkrieg herrscht.

Ja, der Osten des Kongos wurde von der UN als sogenannte No Go-Zone deklariert und wir haben dort eine Menge Probleme mit den Milizen. Da wir aber regelmäßig Flüge dorthin unternehmen, kann man dem auch nicht aus dem Weg gehen.

Wie sehr spielen Konfliktmineralien deiner Meinung nach eine Rolle?

Eine große. Überall dort, wo sich die Minen befinden, gibt es Konflikte. Viele Leute sind daran interessiert, Geld zu verdienen und das Zeug wird dann von den kommerziellen Flugzeugen aus dem Kongo geflogen.

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Die in schöner Regelmässigkeit abschmieren …

Man kann es kaum glauben, in welch schlechtem Zustand die Maschinen im Kongo sind. Das ist einer der Gründe für die vielen tödlichen Zwischenfälle dort. Zum anderen sind dort Piloten aus aller Welt im Einsatz. Die Kommunikation in der Luft ist also meistens eher schwierig und zudem fliegen dort viele Piloten aus Ländern wie der Ukraine, Russland oder auch Spanien, die in ihrer Heimat keine Lizenz mehr haben und deswegen dort nicht mehr arbeiten dürfen. Sie gehen dann also in den Kongo, um schnell etwas Geld zu verdienen. Alles zusammengenommen führt das natürlich zu Unfällen.

Wann fliegst du wieder im Kongo?

Meine nächste Mission beginnt im November. Normalerweise fliegen wir immer für fünf bis sechs Wochen in der Region, bevor wir dann für zwei bis drei Wochen nach Hause kommen. Die Nerven liegen dann meist etwas blank und man muss sich erholen.

Wie kann man euch helfen, damit ihr den Menschen im Kongo helfen könnt?

Man kann spenden, wie jede Organisation sind wir von Spendengeldern abhängig. Wenn jemand selber mit in den Kongo will, um zu helfen: Wir sind immer auf der Suche nach fähigen Mechanikern.