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Umweltaktivisten landen dank Olympia im Arbeitslager

Im Zuge der gewaltigen Baumaßnahmen für die Olympischen Winterspiele sollen illegal über 2.000 Hektar Wald zerstört worden sein. Zwei Aktivisten, die dagegen protestierten, werden wohl zu drei Jahren Haft verurteilt.

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Um sich Zugang zu einem öffentlichen Wald zu verschaffen, rissen die russischen Umweltaktivisten Evgeny Vitishko und Suren Gazaryan 2012 in der Nähe von Sotschi ein Stück Bauzaun herunter. Im Zuge der gewaltigen Baumaßnahmen für die Olympischen Winterspiele soll es nach Aussagen von Aktivisten zu einer illegalen Zerstörung von über 2.000 Hektar Wald gekommen sein. Bevor Vitishko und Gazaryan den Ort wieder verließen, bemalten sie den Zaun mit Parolen. Eine davon lautete: „Das ist unser Wald.“ Die beiden Männer sind Mitglieder der Gruppe Environmental Watch on North Caucasus (EWNC). Beide waren im Anschluss an die Aktion mit einer dreijährigen bedingten Verurteilung konfrontiert. Sie standen unter strengem nächtlichen Hausarrest und mussten die Behörden über jegliche Ortswechsel informieren, was sowohl ihre Arbeit als Wissenschaftler als auch ihre Tätigkeit als Umweltaktivisten massiv behinderte. Im Dezember wurde Vitishko angeklagt, gegen diese Bedingungen verstoßen zu haben, woraufhin er zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt wurde. (Gazaryan war bereits aus Russland geflohen, um sich vor einer möglichen Verhaftung zu schützen.) Vitishko hat Berufung eingelegt und wartet nun auf die Verhandlung, die am 22. Februar stattfinden soll. „Im Moment versuchen wir, Evgeny bei der Berufung zu unterstützen, seinen Fall so weit wie möglich an die Öffentlichkeit zu bringen und die Aufmerksamkeit von Menschenrechtsorganisationen zu erregen“, teilte ein EWNC-Sprecher VICE mit. Wir haben mit Vitishko Kontakt aufgenommen. Er sagte, dass er seit eineinhalb Jahren von der russischen Regierung überwacht wird, von der Polizei verfolgt und unter Angabe dubioser Gründe belästigt wurde. „Wenn sie mich zu einer Gefängnisstrafe verurteilen und das Landgericht das Urteil bestätigt, dann bedeutet das, dass es für die Regierung und das gesamte System in Russland keine Chance mehr gibt, zu einem Dialog mit der Gesellschaft und zivilen Aktivisten zurückzukehren“, erzählte uns Vitishko. Er glaubt, dass sein Fall nur einer von vielen sein wird, da die russische Regierung kaum aufhören wird, Umweltaktivisten zu verfolgen. „Sie werden mit kriminellen Verfahren gegen die Umweltschützer vorgehen, die sich für den Fluss Khopyer und den Wald um Moskau einsetzen, und generell gegen alle ökologischen Aktivisten, die die globale Gemeinschaft auf die Umweltzerstörung aufmerksam machen.“ Vitishko sagte, dass in den Jahren 2006, 2011 und 2013 Naturschutzgesetze geändert wurden, um den Olympischen Spielen in Sotschi freie Bahn zu bereiten. Durch diese Gesetzesänderungen wurde es möglich, in Nationalparks Sportanlagen zu errichten und die soziale Infrastruktur auszubauen. Auch wenn die meisten Arbeiten im Namen der Olympischen Spiele begonnen wurden, war es im Wesentlichen die Tourismusbranche, die davon profitierte und ehemals geschützten Boden bebauen konnte. Die Olympischen Spiele in Sotschi kosten voraussichtlich über 50 Milliarden Euro—mehr als alle anderen Winterspiele zusammen. Diese horrende Summe wird zum einen damit begründet, dass Sotschi für die Ausrichtung der Spiele denkbar ungeeignet ist, zum anderen mit der grassierenden Korruption. Vitishko erzählte, dass sich die Vorbereitungen der Olympischen Spiele auf Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes im Westkaukasus und auf einige nahegelegene Flüsse auswirken. Auch wenn mehrere an den Baumaßnahmen beteiligte Unternehmen einen Plan zur „Wiederherstellung des Ökosystems des Msymta-Flusses“ unterschrieben haben,  um den ursprünglichen Zustand zu bewahren—die vielen Straßen, die zu Bauzwecken um den Fluss gebaut wurden, werden nicht wieder entfernt werden, ganz zu schweigen von den Schadstoffen, die ins Wasser fließen. „Entgegen des offiziellen ,Zero Waste‘-Prinzips zur Abfallvermeidung werden gewaltige Mengen unbehandelter Abfälle aus Sotschi zur TBO-Mülldeponie in Belorechensk sowie zur offiziell geschlossene Loo-Deponie verfrachtet“, sagte Vitishko. „Millionen Tonnen Bauschutt werden auf Müllhalden entsorgt, die keinerlei Basisabdichtungen haben, sodass die Abfälle sowohl das Gebiet des Nationalparks als auch besiedelte Gegenden in Sotschi verseuchen.“ Trotz Solidaritätsdemonstrationen und rechtlicher Hilfestellungen ist es nicht unwahrscheinlich, das Vitishko nach einem erfolglosen Berufungsverfahren in eine Strafkolonie geschickt wird. Abgesehen davon äußerte er keine Sorgen hinsichtlich seiner möglichen Haft. Vitishko, der von Anfang an angeboten hat, für die Kosten des Zauns aufzukommen, den er 2012 kaputt gemacht hatte, fordert einfach nur Gerechtigkeit. „Die Regierung ist noch immer nicht bereit, sich an die Gesetze der Russischen Föderation zu halten“, sagte er. „Niemand hat das Recht, gegen das Gesetz zu verstoßen—weder der Gouverneur noch der Präsident noch Vitishko.“