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Jeden Tag 4/20

Dieses Anti-Gras soll dir das Kiffen abgewöhnen

Dieser Weed-Ersatz will dich wahlweise mit süßlichem Vanillegeschmack oder dem unfassbarsten Ekelgefühl von deiner Sucht befreien.
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Manchmal komme ich in die Arbeit und habe neue Post, Magazine oder eine Packung Gummibärchen am Schreibtisch—weil meine Kollegen wollen, dass ich mich um meinen Scheiß kümmere, meinen Horizont erweitere oder bis zum nächsten Billa-Ausflug nicht verhungere. Gestern lagen dann aber auf meinem minimalistischen, weißen IKEA-Rechteck weder die neue Ausgabe der Sports Illustrated oder ein bisschen was Essbares sondern drei Baggies vollgestopft mit grünlich-brauner Rauchware. Dabei kommen die Baggies nicht wie angenommen von meinen Brieffreunden aus Kolumbien, sondern sind ein Mitbringsel meiner Kollegin aus dem Australien-Urlaub.

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Mit diesen Substanzen hörst du auf zu kiffen, so jedenfalls die Etiketten, die aussehen, als hätte man sie fein handwerklich im MS Paint erstellt. Den Wink mit dem Zaunpfahl, was Entwöhnung oder Kiff-Stop angeht, ignoriere ich bewusst und mache mich daran, herauszufinden, was hinter den Versprechen steckt und ob ich nach den Kräutermisches wirklich weniger oder doch mehr Lust auf die süße Maria Juanita habe.

Dabei stecken in meinen kleinen braunen Beuteln verschiedene Kräuter und anderes Zeug. Die simpelste Mischung ist „Marijuanilla"— hinter dem Trivialnamen steckt das sibirische Herzgespann, das vor allem im Cannabis-Ersatz Spice verwendet wird, das seit 2009 auch bei uns verboten ist (aber nicht wegen Marihuanilla). Im „Hazy Daze"-Mix stecken Blauer Lotus, Indianertabak und Löwenohr, und der „Quit Pot Mix" hat neben Damiana, Indianertabak—der übrigens Brechreiz auslösen soll—und Kalifornischem Mohn auch (echte) Katzenminze und Hopfen zu bieten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darauf freuen soll, aber jetzt ist es auch irgendwie zu spät, und ich habe Kamera, Kübel, Notizbuch und Notfalltelefon bereit, um alles angemessen zu dokumentieren.

Marihuanilla—das kleine Marihuana

Ein Haufen Marihuanilla, ein Buddha und ein halbes Disney-Eichhörnchen.

Kandidat Nummer eins auf meinem Inhalations-Index. In der traditionellen chinesischen Medizin wird Leonurus sibiricus gegen Bakterieninfektionen und Menstruationsprobleme verwendet. Der süßliche Vanilleduft, von dem man online so viel liest, erinnert mich nach einem ersten Riech-Check eher an vermodernde Bücher oder frische Mottenkugeln.

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Aber wir wollen ja nicht oberflächlich sein und rollen uns gemütlich eine Marihuanilla-Zigarette. Immerhin ist der Geschmack tatsächlich irgendwie angenehm süßlich und erinnert mit ein bisschen Fantasie an Vanille, deutlich besser als der Schimmelgeschmack, den ich erwartet habe. Außer dem Geschmack von Vanilla Coke bleibt aber nicht viel. Ich fühle mich weder irgendwie berauscht, betäubt noch sonst irgendwie so, als hätte ich gerade irgendwas anderes als ein Zuckerl geraucht. Weil ich Masochist bin, drehe ich mir jedoch einen zweiten Dübel, um zu sehen, ob ich doch irgendwie pseudo-high davon werde. Aber nichts da. Nicht mal „Buffalo Soldier" von Bob Marley hört sich irgendwie anders an. Sich mit Marihuanilla zu bekiffen, ist noch zweckloser als der Versuch, sich mit Radler zu besaufen. Seinen Zweck als Gras-Ersatz oder Entwöhnungsmittel erfüllt Marihuanilla daher meiner Meinung nach höchstens bei Ultra-Süchteln, die alles rauchen, was man zerbröseln und einrollen kann, bevor sie sich zwanghaft den nächsten Beutel Gras holen.

Ich gebe 2 von 5 Buddha-Statuen, weil der Geschmack doch irgendwie angenehm war und ich nicht kotzen musste.

Hazy Daze—eine beruhigende Mischung

Hazy Daze—eine Tüte so bunt und geschmacklos wie ein Hawaii-Hemd.

Hinter dem kleinen Wortspiel steck Blauer Lotus, Indianertabak (das ist doch bestimmt keine angemessene Bezeichnung) und Löwenohr. Bei meinem letzten Zusammenprall mit dem ägyptischen Lotus hatte ich enorme Paranoia, war geil, verwirrt und bereit, aus dem Fenster zu springen. Jetzt soll ich also wieder den Lotus-Teufelstanz tanzen. Eine masochistische Freude der Sonderklasse. Das Etikett auf der Packung verspricht einen Stop der Rauch-Sucht—alternativ kann man aber auch einfach „den Misch genießen", was sich ein paar Momente später als der größte Schwindel des Universums herausstellen sollte.

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Hazy Daze riecht nach Fischfutter, und auch nur ansatzweise high macht auch dieser Mix nicht, ich habe aber wohl herausgefunden, warum der Indianertabak Brechreiz auslösen soll. Der Geschmack ist fast schon faulig und schmeckt wie etwas, das gerade am Verwesen ist. Auch die toll-absurden Effekte des Ägyptischen Lotus konnte ich nicht erneut erleben, was mich zu dem Entschluss bringt, dass ich mit der lieben Dame von damals wohl tatsächlich die mumifizierten Überreste von Ramses II geraucht haben muss. Nach dem Blumenjoint fällt es mir sehr sehr schwer, überhaupt ans Rauchen zu denken—mir ist schlecht, ich fühle mich vergiftet und auf die letzte Tschick mit dem dritten Mix habe ich so wenig Lust wie Spatzi Lugner auf Sex. Nach einer Stunde und zwei Mentholkaugummis hatte ich noch immer diesen widerwärtigen Geschmack im Mund, als hätte ich das verfaulte Arschloch eines auf der Straße überfahrenen Stinktiers geraucht.

Ich gebe 4 von 5 Buddhas weil der Misch dich mit einem unfassbar ekelhaften Geschmack zurücklässt, aber damit wohl ziemlich genau den Entwöhnungszweck erfüllt. Masochismus pur, aber es funktioniert.

Quit Pot Mix—alternative Rauchware

Selbst der Buddha distanziert sich schon ein wenig.

Mit viel Überwindung und einem unablegbaren Ekel rodle ich die dritte Anti-Gras-Piste hinunter. Die Packung befiehlt mir, dem Misch immer weniger der „schädlichen Substanz, von der ich wegkommen möchte" beizumengen, bis ich letzten Endes von meiner Sucht befreit bin und „schuldfrei rauchen kann". Da ich vom letzten Misch eher verängstigt war und die Zugabe von feinstem Kush für mich wie ein Sakrileg wirkt, entschließe ich mich, den Quit Pot Mix pur zu rauchen—schlechte Idee.

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Nach einer halben Wuzelzigarette habe ich einen seltsamen Salbei-Geschmack im Mund (ist wohl die Katzenminze) und die Fähigkeit erlernt, wie man den ekelhaften Indianertabak aus sieben anderen Kräutern und Pflanzen rausschmeckt. Nach der halben Trompete beschließe ich, mein Experiment schön langsam zu beenden, bevor ich der erste Mensch werde, der an einer Überdosis legalen Kiffis stirbt. Ich bin fassungslos, dass es Leute geben soll, die ihr Gras freiwillig in diese Kräuter-Mülltonne mischen.

Ich gebe 1.5 von 5 Buddhas weil ich zum einen unfassbar angewidert bin, mir aber gut vorstellen kann, dass es zumindest auf der ganzen Welt eine Handvoll Leute gibt, die mit diesem Misch irgendwie vom Rauchen wegkommen.

Fazit

Die allgemeine Vorstellung, dass irgendwo Leute sitzen und dieses Zeug rauchen, um vom Rauchen wegzukommen, ist absurd. Auf der anderen Seite gibt es auch ekeligen Nagellack gegen zwanghafte Nägelbeisser und das Nikotinpflaster, das auch irgendwie eine positive Wirkung haben soll. Da Cannabis aber nicht körperlich abhängig macht und ich die Wirkung dieser Legal Highs eher auf theoretischer Ebene ansiedeln würde, würde ich vom Gebrauch abraten. Viel mehr scheint die Zielgruppe aus neugierigen Teens zu bestehen, die eine Cannabis-ähnliche Wirkung erwarten. Wer tatsächlich das Gefühl hat, eine ausgeprägte Weed-Sucht zu haben, und nicht damit aufhören kann, obwohl er das gerne würde, dem ist wohl eher die Suchthilfe ans Herz zu legen als irgendwelche Beutel voller fauliger Fischfutter-Teeblätter.

Raucht mit Adrian verfaultes Fischfutter: @doktorSanchez