Warum ich als Chrome-Fan ausgerechnet zu Opera gewechselt bin

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Warum ich als Chrome-Fan ausgerechnet zu Opera gewechselt bin

Ich gebe es zu: Ich jongliere regelmäßig mit viel zu vielen offenen Tabs. Dafür wurde ich jahrelang von speicherfressenden Browsern bestraft. Bis jetzt.

Chrome ist für viele Internetnutzer der beste Browser der Welt, und diesen Titel trägt er nicht zu Unrecht – er stellt so ziemlich alles, was im Web stattfindet, zuverlässig dar. Aber er hat eine Schwäche: Wenn es um Ressourcenmanagement geht, ist er ein richtig mieser Partner.

Jahrelang habe ich mich insgeheim über Chromes verschwenderischen RAM-Verbrauch geärgert, vor allem auf MacOS. Ja, ich gebe zu, dass ich selbst nicht ganz unschuldig bin, denn ich habe meistens viel zu viele Tabs auf einmal offen, aber damit stehe ich bestimmt nicht alleine da. Mit Chrome als Browser wird mein Computer mehrmals am Tag so quälend langsam, dass am Ende gar nichts mehr läuft. Nachdem ich einmal zu oft die Aktivitätsanzeige aufrufen musste, um herauszufinden, welches kleine Chrome-Tab da wieder mal mehrere Gigs an Speicher frisst, hatte ich endgültig genug.

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Kurzerhand versuchte ich mein Glück mit Opera, einem Browser, von dem ich zuvor dachte, dass er nur was für Menschen sei, die aus Prinzip alles anders machen wollen.

Warum Firefox und Safari mich nicht überzeugen konnten

Eigentlich hatte ich keine allzu großen Hoffnungen, dass ich mit dem neuen Browser glücklich werden würde, denn ich war in der Vergangenheit bereits von Safari und Firefox enttäuscht worden. Chrome hat den anderen Browsern gegenüber nämlich einen entscheidenden Vorteil: Web-Entwickler optimieren ihre Seiten immer für den beliebtesten Browser, und das ist nun mal Chrome. Je beliebter Chrome also wird, desto besser wird auch seine Kompatibilität – und Safari und Firefox fallen immer weiter zurück.

Safari verwaltet den Arbeitsspeicher zwar gut, kommt aber mit vielen Video-Streaming-Formaten nicht gut klar. Außerdem gibt's in Safari keine Favicons, das sind die kleinen Icons in den Tabs, die mir auf einen Blick zeigen, auf welcher Seite ich mich gerade befinde. Genau das ist aber für einen chronischen Tab-Hamster wie mich essentiell, um nicht verrückt zu werden. Firefox empfand ich als sehr langsam und auch hier hatte ich mit einigen Kompatibilitätsproblemen zu kämpfen. Da mein Firefox-Techtelmechtel schon über ein Jahr zurückliegt, erinnere ich mich nicht mehr an alle Details, aber der Browser konnte mich nicht überzeugen. Mit dem neuen Vivaldi-Browser gab ich mich nur wenige Stunden ab, bevor ich frustriert wieder hinschmiss – er konnte mit Chrome einfach nicht mithalten.

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Die Tabs in Safari ohne hilfreiche Favicons

Nachdem ich nun seit mehreren Monaten Opera benutze, kann ich verkünden: Die meisten meiner Web-Browsing-Probleme gehören nun der Vergangenheit an. Der größte Vorteil von Opera besteht darin, dass er sich anfühlt wie Chrome – nur mit viel weniger Abstürzen.

Da Opera genauso wie Chrome auf der HTML Rendering Engine Blink basiert, habe ich fast nie Ärger mit der Kompatibilität von Websites, Plugins, Skripten oder Videos. Tatsächlich funktioniert Opera fast genauso wie Googles Platzhirsch, nur eben ohne den exzessiven RAM-Verbrauch, wegen dem ich meinen Computer früher regelmäßig aus dem Fenster werfen wollte.

Und das ist auch das erklärte Ziel von Opera, wie der Firmensprecher Jan Standal mir erklärt: "Wir bieten eine optimierte Version von Chrome. Web-Entwickler optimieren ihre Seiten für den Browser mit dem größten Marktanteil, und das ist nun mal Chrome. Wir profitieren von diesen Optimierungen."

Warum ich es mit Chrome nicht länger aushalte

Ursprünglich reizte mich an Chrome, dass der Browser jedes Tab als separaten Prozess behandelt. Der Vorteil: Wenn ein Tab abstürzt, stürzt nicht gleich der ganze Browser ab. Genau dieses Feature wird aber leider schnell zum Bug und ist einer der Gründe, warum die Arbeit mit Chrome heutzutage so ein Albtraum ist. Da inzwischen die meisten Websites mit automatisch startenden Videos, Tracking-Scripts und Werbung überladen sind, hat nun jedes Tab, das wir öffnen, das Potenzial, haufenweise Arbeitsspeicher zu fressen. Obwohl ich Extensions wie Great Suspender und One Tab ausprobiert habe, die Usern dabei helfen sollen, ihre vielen offenen Tabs zu managen, konnte ich mein Problem nie ganz lösen. Google hat zwar versucht, in den neueren Chrome-Versionen gegen RAM-fressende Tabs vorzugehen, doch meiner Meinung nach ohne großen Erfolg.

Die Folge: Dein Computer kann jederzeit völlig einfrieren, weil er keinen freien Arbeitsspeicher mehr hat. Dann bleibt dem Nutzer nur noch die Möglichkeit, Anwendungen manuell zu beenden, was zwischen 30 Sekunden und einfach mal 30 Minuten dauern kann.

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Darum habe ich mich von Chrome getrennt.

"Wir haben eine andere Philosophie als Chrome", sagt Standal. Er erklärt mir, dass Opera vor allem in Entwicklungsländern besonders beliebt ist, in denen die Internetverbindungen generell langsam und die Rechnerleistungen eher niedrig sind. Darum war es für die Opera-Entwickler schon immer eine Priorität, Ressourcen möglichst gut zu verwalten.

Genau wie Chrome startet auch Opera für jedes Tab einen neuen Prozess, doch es leidet nicht unter denselben Kinderkrankheiten wie Chrome. Während meines mehrmonatigen Tests habe ich festgestellt, dass ein durchschnittliches Opera-Tab weniger RAM verbraucht, als ein durchschnittliches Chrome-Tab. Standal erklärt, dass Opera Tabs schneller stoppt, die inaktiv sind oder die sehr viel Arbeitsspeicher benötigen. Er sagt, dass eine firmeninterne Auswertung zeigt, dass Laptop-Akkus mit Opera statt Chrome im Durchschnitt ein bis zwei Stunden länger halten.

Opera stürzt viel schöner ab als Chrome

Natürlich quäle ich meinen Browser immer noch mit viel zu vielen offenen Tabs (aktuell habe ich 65 offen), so dass es ein paar Mal in der Woche vorkommt, dass ein oder zwei Tabs viel zu viel Arbeitsspeicher verschlingen.

So viele Tabs hatte ich offen, als ich diesen Artikel schrieb.

Und so sieht dieselbe Anzahl an Tabs in Chrome aus.

Doch hier kommt Operas bestes und wichtigstes Feature ins Spiel: Wenn du zu viele Tabs offen hast, hört Opera zwar auf zu funktionieren, legt aber nicht gleichzeitig deinen ganzen Computer lahm. Wenn das passiert, reicht es, das Beenden von Opera zu erzwingen und den Browser dann neu zu starten – das dauert gerade mal 10 Sekunden. Standal erklärt mir, dass Opera so designt ist, dass er nach einem Absturz so schnell wie möglich wieder starten kann – nach einem Crash versucht der Browser zum Beispiel nicht wie Firefox, erstmal gleichzeitig alle alten Tabs neu zu laden.

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Was mir an Opera außerdem gefällt:

  • Der integrierte AdBlocker funktioniert gut. Laut Standal wird der Ad-Blocker hausintern entwickelt und verbraucht weniger Arbeitsspeicher als eine AdBlock-Erweiterung, da er direkt in den Browser integriert ist.
  • Genau wie alle modernen Browser verfügt Opera über die "Omnibar", somit kann man in der Adresszeile entweder eine URL eingeben, oder direkt nach einem Begriff suchen.
  • Lastpass, Pocket und andere Erweiterungen, mit denen ich in Chrome gearbeitet habe, funktionieren auch bei Opera einwandfrei.
  • Ich konnte meine Browsereinstellungen aus Chrome problemlos importieren.
  • Opera hat einen integrierten VPN. Ich persönlich halte aber einen kostenpflichtigen VPN-Client für sicherer, daher nutze ich dieses Angebot nicht. Dazu ein Tipp: Da der VPN browserbasiert ist, deckt er nicht deine gesamte Internetsitzung ab, daher funktioniert er auch nicht für Torrents oder ähnliche Dienste.

Was mir an Opera nicht gefällt:

  • Opera wurde letztes Jahr von einem chinesischen Konsortium für 600 Millionen US-Dollar erworben. Obwohl Standal mir versichert, dass Opera den Datenschutzvorschriften der Europäischen Union unterliegt, frage ich mich, inwiefern die Investoren versuchen werden, Nutzerdaten zu Geld zu machen.
  • Opera kann nicht alles völlig problemlos darstellen. Die Kompatibilitätsprobleme sind wesentlich geringer als bei Safari und Firefox, aber ein oder zweimal im Monat muss ich auf Chrome zurückgreifen, um irgendein exotisches Format oder Medium zu öffnen.

Insgesamt hat mich der Wechsel zu Opera überzeugt. Er ist zwar nicht perfekt, aber das ist kein Browser, wenn man regelmäßig mit 30, 40 oder 50 Tabs jongliert. Ich kann allen frustrierten Chrome-Nutzern nur raten, sich zu trennen und es mit Opera zu probieren.