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Sind diese metallfressenden Bochumer Pflanzen die Zukunft der Rohstoffgewinnung?

Im Labor von Prof. Ute Krämer wachsen Pflanzen, die per Phytomining wichtige Metalle für uns abbauen, während sie gleichzeitig den Boden von giftigen Metallen säubern.
Pflanzensammlung Hallerscher Schaumkresse aus verschiedenen europäischen Ländern im Gewächshaus | Bild: Klaus Hagemann. Mit freundlicher Genehmigung

Die Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri) ist eine unspektakuläre Pflanze. Botaniker beeindruckt sie noch am ehesten mit ihrer Bescheidenheit—durch besondere Schönheit oder Eleganz jedenfalls zeichnet sie sich nicht aus. Aber wenn es nach Ute Krämer geht, dann ist die Pflanze zu wahren Wunderdingen fähig: Phytomining.

Am Beispiel der Hallerschen Schaumkresse erforscht die Leiterin des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum in ihrem Gewächshaus, wie das Phytomining mehrere unserer dringlichsten globalen Probleme gleichzeitig lösen könnte. Manche Pflanzen können wertvolle Metalle aus dem Boden abbauen, und damit nicht nur kontaminierte Böden reinigen, sondern auch den unnatürlichen Raubbau an Rohstoffen zumindest teilweise ersetzen.

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Das Prinzip des Phytominings beruht auf dem Vermögen spezieller Pflanzen, Schwermetalle aus dem Boden zu ziehen. Sinngemäß lässt sich der Begriff mit „Rohstoffabbau durch Pflanzen" übersetzen. Pflanzen wie beispielsweise die  Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri) sind Hyperakkumulatoren—nicht besonders prachtvoll, dafür aber so genügsam, dass sie auf ausgelaugten und sogar kontaminierten Böden wachsen. Befinden sich dort Metalle in der Erde, ziehen sie diese mit ihren Wurzeln an und sammeln sie in ihren Blättern und Stängeln. Für pflanzenfressende Tiere ist der Genuss dieser Gewächse giftig, den Pflanzen selbst scheinen die Schwermetalle jedoch nicht zu schaden. Diese grünen und blühen fröhlich in vollständig verseuchten, verdorrten Brachen.

Die Hallersche Schaumkresse kann so viel Zink aus dem Boden aufnehmen, dass der Verzehr eines einzigen Blattes den gesamten täglichen Zinkbedarf eines Menschen decken würde. Was die Pflanze zu solch ungewöhnlicher Ernährung veranlasst, wird von Wissenschaftlern wie Ute Krämer noch untersucht. Eine ihrer bisherigen Vermutungen lautet, dass sie sich auf diese Weise vor Krankheitserregern schützt.

Hallersche Schaumkresse auf dem Gelände eines ehemaligen Zink- und Bleibergwerkes, Littfeld, Deutschland 2011 | Bild: Romário Melo. Mit freundlicher Genehmigung

„Wir arbeiten daran, zu verstehen, wie die extrem hohe Akkumulation von Metallen in diesen Pflanzen funktioniert", erklärte mir Ute Krämer in einer E-Mail. „Was ist in diesen Pflanzen genetisch verändert? Welche Folge hat das für Abläufe auf der molekularen und physiologischen Ebene?"

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In Deutschland bieten sich Industrie- oder Bergwerksareale wie im Ruhrgebiet für eine Bepflanzung mit den grünen Bodenstaubsaugern an. Oft sind dort ganze Landstriche mit krebserregendem Cadmium verseucht. Auch die Verwendung von cadmiumhaltigem Phosphatdünger hinterlässt unbrauchbare, vergiftete Felder. Mit Hilfe der Wunderkräfte von Pflanzen wie der Hallerschen Schaumkresse könnten die Böden nach einer gewissen Zeit komplett von Schadstoffen gereinigt sein und sogar wieder für den Gemüseanbau genutzt werden.

Der Prozess des Phytomining. Grafik: Klaus Hagemann | Mit freundlicher Genehmigung.

Wie die Grafik oben zeigt, werden die verschiedenen Schwermetalle aus dem Boden mit den Wurzeln aufgenommen und von Pflanzenzellen nach oben in die Blätter transportiert. Die Schadstoffe werden dabei in der Vakuole, einem Bestandteil der Zelle, abgelegt. Zink wird von der Pflanze in großen Mengen gespeichert, Blei in eher geringerem Maße. Bisher wurde jedoch noch nicht vollständig ermittelt, wo sich das Blei in der Pflanze genau befindet (wie durch das Fragezeichen angedeutet).

Die Metalldiät der Pflanzen und ihr Vermögen, die Stoffe in die Blätter zu transportieren scheint mit einem bestimmten Gen, dem Nicotianamin, zusammenzuhängen, wie der Molekularbiologe Ulrich Deinlein an der Universität Bayreuth herausfand. Denn sobald die Wissenschaftler dieses Gen hemmten, blieben die Schadstoffe in den Wurzeln. Krämer erzählte mir von ihren ambitionierten langfristigen Forschungsplänen dazu:

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„Wir haben bereits einige der Gene identifiziert und ihren [Speicher]Beitrag herausgefunden, aber es gibt weitere, die wir noch gerne untersuchen würden. Wir möchten unsere Untersuchung der Akkumulation von verschiedenen Schwermetallen, zum Beispiel  Zink, Cadmium und Blei in Hallerscher Schaumkresse (Arabidopsis halleri) auf die gesamte Art ausweiten und dadurch die ökologische und evolutionäre Tragweite noch einmal deutlich steigern."

In Deutschland gibt es jedoch kaum Ambitionen für den Einsatz der Phytomining-Gewächse. „Deutschland hat kaum Gesetze, die den Verursacher von Umweltverschmutzung zum Saubermachen zwingen", wird Ute Krämer im Süddeutsche Zeitung Magazin zitiert. So entstand, im Gegensatz zu den USA, bisher auch kein Markt, der die Beseitigung solcher Altlasten regelt und ein wirtschaftliches Interesse an den Pflanzen fördern könnte.

Dennoch existiert eigentlich bereits seit Jahren eine einsatzfähige Technologie aus dem Bereich Phytomining für die „Entsorgung" von Nickel, die nur wenig und kurzfristige Züchtung erfordert. Entwickelt wurde sie von dem amerikanischen Agrarwissenschaftler Rufus Chaney und dem britischen Botaniker Alan Baker. „Das ist auch in Hinsicht auf andere Metalle vielversprechend. Die Züchtung muss stets die Metallkonzentrationen in Blättern und die Biomassebildung maximieren. In diesem Fall müssen wir von Hyperakkumulatorpflanzen ausgehen, die man in der Natur findet", so Krämer.

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Arabidopsis halleri. Bild: HermannSchachner/ Wikipedia |  Gemeinfrei

Das Patentrecht ihrer Nickel-abbauenden Pflanze verkauften die Wissenschaftler jedoch unglücklicherweise an eine texanische Investmentfirma, die ihre Studien stets gefördert hatte, die Entwicklung aber nun bis heute unter Verschluss hält (Die Forscher vermuten mangelnde Expertise bei der Firma als Grund).

Doch das Patent von Viridian läuft bald ab, und längst würden zahlreiche Firmen den Entwicklern der pflanzlichen Nickelfresser die Türen einrennen, berichteten sie im Süddeutsche Magazin. Außerdem weiß auch Krämer nichts von einem globalen Patent auf alle Phytomining-Techniken, so dass einem baldigen Einsatz der Technologie hoffentlich tatsächlich nichts mehr im Weg zu stehen scheint.

Umso dringender ist der Bedarf an weiterer Forschungsarbeit, um Pflanzen als Minenarbeiter fit zu machen. Bis die Technik in der generellen Praxis zur Bodenregeneration angekommen ist, wird es nämlich wohl leider noch eine Weile dauern. Weltweit gibt es, laut Ute Krämer, nur 20 zumeist unterfinanzierte Forschungsgruppen zum Phytomining, was zeigt, dass bisher keine Prioritäten auf die Metallsauger gelegt werden.

Phytomining könnte nicht nur die umweltschädlichsten Varianten des Bergbaus teilweise ersetzen, sondern macht auch verseuchte Erde wieder nutzbar, zum Beispiel zum Gemüse- und Obstanbau. Könnten gar Menschen mit Zinkmangel ihren Bedarf einfach mit einem Biss in ein Schaumkresseblatt stillen? Zumindest zum Hoffen und Träumen anregen kann die Hallersche Schaumkresse und ihre Hyperakkumulatoren-Gang schon heute vorzüglich.