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Pranger-Sexvideos auf Youtube sind Revenge Porn für Arme

Ein YouTuber stellt mit einer eigenen Überwachungskamera gefilmte Videos von Paaren online, die gegenüber seines Grundstückes im Park nachts Sex haben. Fragwürdig oder illegal?
Alle Bilder: Screenshots Youtube/ Caught with my CCTV Cameras

Ein anonymer YouTube-Nutzer filmt Paare beim Sex, beim Kiffen, oder Frauen beim Pinkeln in einem Park mit selbst installierten Überwachungskameras und stellt sie auf YouTube online—angeblich, um dem Treiben gegenüber seines Grundstücks ein Ende zu bereiten.

Eines seiner Videos trägt den Titel „Fat Drunk Chick taking a Piss caught on CCTV with audio" und zeigt eine Frau, die neben einem Baum uriniert. „Einmal mehr machen Leute Dinge vor meinem Haus, die sie nicht bei sich zu Hause machen würden. Wann kriegen sie wohl heraus, dass der Mast voller Überwachungskameras echt ist?", schreibt der Mann beispielsweise unter ein Video.

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Seine Opfer filmt er gleich aus mehreren Perspektiven, verfolgt sie mit der Kamera und zoomt heran, wenn er es für nötig hält. In einem anderen Video konfrontiert er zwei Personen in einem Auto direkt. Als eine Art krudes Zwischending aus Racheakt und Erziehungsmaßnahme veröffentlicht er seine Clips anschließend auf YouTube, inklusive herablassender Kommentare.

Dem britischen Boulevardblatt Mail Online war das Paar in Sacramento, das „schamlosen Sex" in einem Park hatte und deshalb auf YouTube landete, gleich einen ausführlichen Artikel wert. Selbstverständlich ließ die Zeitung es sich nicht nehmen, das Video, das ohne das Einverständnis der gezeigten Personen nachts heimlich gefilmt wurde, einzubinden—was dem kurzen Clip zu über 90.000 Hits verhalf, bevor YouTube ihn löschte.

Über die Identität des scheinbar voyeuristisch veranlagten Youtubers und über seinen Kanal „Caught on my CCTV Cameras" wissen wir derweil kaum etwas. Nicht mal der Ort der Aufnahme lässt sich bestätigen, oder die Behauptung, dass die Überwachungskameras (er schreibt, er habe mehrere an einem Laternenmast angebracht) tatsächlich gegenüber seines Hauses in Sacramento im US-Bundesstaat Kalifornien aufgestellt seien.

Doch wie ist eigentlich die rechtliche Lage bei einer derartigen Aktion? Wiegt die Persönlichkeitsverletzung durch den Uploader nicht schwerer, als jede mutmaßliche Erregung öffentlichen Ärgernisses es je sein könnte? In Deutschland ist das Gesetz rund um die Überwachung im öffentlichen Raum recht streng. Privatpersonen dürfen keine Überwachungskamera in einem Park aufstellen und andere heimlich und dauerhaft filmen. Schon gar nicht dürfen sie ohne das Einverständnis der Gefilmten dieses Material veröffentlichen. Beides stellt erhebliche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte des Gefilmten dar.

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In einem wichtigen Urteil des Bundesgerichtshofs von 1995 heißt es: „Die Herstellung von Bildnissen einer Person, insb. die Filmaufzeichnung mittels einer Videokamera, kann auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht." 1998 bestätigte das Oberlandesgericht Schleswig dieses Urteil noch einmal.

Verdeckte Videoaufnahmen bei begründetem Verdacht darf die Polizei aufstellen, zum Beispiel darf sie den Eingangsbereich des Hauses eines Verdächtigen filmen. Im Nachbarschaftsrecht ist die Rechtslage etwas komplizierter, doch als Faustregel gilt: Nur ein schmaler Streifen vor dem eigenen Hauseingang darf gefilmt werden.

Letztlich wird rechtlich auch noch zwischen Videoüberwachung (keine Speicherung des Materials) und Videoaufzeichnung unterschieden, wie sie im Fall unseres Freundes aus Sacramento der Fall war, der die vermeintlichen „Vergehen" seiner Mitbürger gezielt aufzeichnete, zuschnitt, katalogisierte und auf Youtube verbreitete. Nicht jede Videoüberwachung des öffentlichen Raums greift in das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht ein; der Unterschied liegt jedoch in privater und staatlicher Überwachung (die nie anlasslos erfolgen darf), sowie gesetzlichen Vorgaben über per Video zu überwachenden Teilen des öffentlichen Raums wie Banken oder Casinos.

Doch auch in den USA bewegt sich der Youtube-Nutzer am Rande der Illegalität, wenn er das Material der Paare und der pinkelnden Frau veröffentlicht. Zwar ist das Filmen an öffentlichen Orten durch das First Amendment gewährleistet, doch der Knackpunkt, wann ein Einverständnis des Gefilmten vorliegen muss, liegt in der „Erwartung der Privatsphäre". In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Paare in den Park fahren, um allein zu sein. Bevor der voyeuristisch veranlagte Youtuber sein Material unter reißerischen Titeln auf Youtube veröffentlichen kann, müssten diese eine Verwertungserlaubnis unterschreiben—und das würden die Menschen, die sich nachts im Park tummeln, ganz sicher nicht tun.

Hüben wie drüben erlaubt das Gesetz also nicht, dass sich jedermann einfach so durch heimliche Überwachung zum moralischen Big Brother aufschwingen kann. Sollten sich die beim Sex gefilmten Paare wiedererkennen, könnten sie versuchen, den Uploader ermitteln zu lassen und ihn auf Schmerzensgeld verklagen.