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Astrophysiker berechnen, dass niemand die Wahrheit über den russischen Jet sagt

Ein bisschen simple Mathematik und schon wissen wir, dass weder Russland noch die Türkei die volle Wahrheit sagen.

Titelbild: Screenshot Youtube

Es passiert nicht oft, dass Mathe und Physik effektiv und schnell auf tagesaktuelle Ereignisse angewandt werden können—aber die Astrophysiker Tom Doorsselaere und Giovanni Lapenta von der KU Leuven haben gerade mit ein bisschen simpler Physik bewiesen, dass sowohl die Türken als auch die Russen lügen, wenn es um das Dienstag abgeschossene russische Kampfflugzeug geht.

Auf dem Blog der Uni Leuven zeigen die beiden Professoren anhand von Bildern und offiziellen Statements, dass es sich unmöglich so zugetragen haben kann, wie es die beiden Seiten behaupten.

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Sogar die „Fakten" sind umstritten. Der Jet wurde Dienstag früh von türkischen Soldaten abgeschossen, nachdem er Warnungen über die Verletzung des syrischen Luftraums ignorierte. Die türkische Regierung behauptet, das Flugzeug innerhalb von fünf Minuten zehn Mal gewarnt zu haben. Als keine Antwort empfangen wurde, gab der türkische Premierminister höchstpersönlich den Befehl, die Jets abzuschießen. Beide Jets hätten sich zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Sekunden lang im türkischen Luftraum befunden.

Und jetzt die Mathematik. In einem Online-Video ist der Abschuss einer der beiden Jets dokumentiert. Man kann sehen, dass das Flugzeug ungefähr 30 Sekunden fällt, bis es auf den Boden aufschlägt.

Die Physiker schreiben: „Weil die vertikale Bewegung ausschließlich von der Schwerkraft abhängt (g = 9.81m / s², z = gt² / 2), können wir berechnen, dass das Flugzeug auf einer Höhe von mindestens 4.500m geflogen sein muss." Das stimmt noch ungefähr mit dem türkischen Statement überein, das Flugzeug sei auf 19.000 Fuß bzw. 5.800 Metern geflogen.

Diese Karte wird von der türkischen Regierung verbreitet. Bild: New York Times

Auf einer stilisierten Karte, die türkische Sprecher im Internet verbreiteten, sieht man, dass das Flugzeug etwa acht Kilometer entfernt von der Stelle landete, an der es getroffen wurde. Diese acht Kilometer musste das Flugzeug in den 30 Sekunden zurückgelegt haben, daraus kann man schließen, dass sich das Flugzeug mit 980 km/h bewegt haben muss.

Jetzt vergleichen die Physiker die Geschwindigkeit mit der Distanz, die der Jet laut der türkischen Karte im türkischen Luftraum zurückgelegt hat (zwei Kilometer). Wenn du 980 Stundenkilometer schnell fliegst, legst du diese Strecke in zwei Sekunden zurück, und nicht in 17 Sekunden, wie die Türken behaupten. Um diese Strecke in 17 Sekunden zurückzulegen, müsste das Flugzeug nur 420 km/h schnell fliegen, und wir können aus dem Video erkennen, dass das einfach nicht stimmen kann. Physik 1, Türkei 0.

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Zweitens: Die türkische Luftwaffe sagt, sie habe die beiden Jets in fünf Minuten zehnmal gewarnt. In fünf Minuten, die ein Jet mit 980 km/h fliegt, legt er eine Strecke von 80 km zurück. Daraus schließen die Professoren: „Wie hätte die türkische Luftwaffe bereits vorhersehen können, dass das russische Flugzeug in den türkischen Luftraum eindringen würde? Militärjets sind sehr wendig und hätten theoretisch auch in letzter Sekunde noch abdrehen können. Ob die Piloten tatsächlich gewarnt wurden, ist bislang daher noch reine Spekulation".

Zumindest in der Zeit, in der sich der Jet im türkischen Luftraum befand, wären demnach unmöglich Warnungen abgesetzt worden. Es sei denn, der Fluglotse spricht sehr, sehr schnell und schafft es, zehn Warnungen in sieben Sekunden zu verteilen. Aber das ist gelinde gesagt, unwahrscheinlich. Physik 2, Türkei 0.

Offensichtlich gibt es bei solchen Angelegenheiten jedoch nie nur eine Partei, die die Tatsachen zu ihren Gunsten verdreht. Es geht hier schließlich um die Deutungshoheit in der internationalen Geopolitik, einer Disziplin, in der niemand saubere Hände hat.

Die von Russland veröffentlichte Karte zeigt, dass das Flugzeug eine scharfe 90°-Kurve flog, nachdem es getroffen worden war, was natürlich nahezu unmöglich ist. Die einzige Möglichkeit, dass es tatsächlich so passierte, besteht darin, dass die kinetische Energie durch die exakt senkrecht einschlagende Rakete so groß war, dass der Schub des Flugzeugs nicht mit ihr mithalten konnte.

„Eine Richtungsänderung von 90° kann nur ein Objekt verursachen, das um ein Vielfaches schneller und schwerer als das Flugzeug ist", schreiben die Physiker. Daraus können wir schließen, dass die Kampfjets gar nicht versuchten, den türkischen Luftraum zu umgehen, so wie es Russland behauptet. Physik 3, Türkei 0, Russland 0.

Welche politischen Schlussfolgerungen du aus den einfachen Berechnungen ziehst, sei jedem selbst überlassen. Zu den geopolitischen Konsequenzen des Abschusses äußern sich die Physiker nicht. Sie konzentrieren sich schlicht und einfach auf die Fakten, die das objektive Videomaterial liefert.