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Hier verscherbeln Hacker einen MH17-Absturzbericht für schlappe 10.000 Bitcoin

Warum sollte die Wahrheit Geld kosten?
Zum Verkauf steht nicht dieses Flugzeug, sondern der angebliche Grund für den Absturz von MH17. Bild: The Exchange of Information

Hey, hat jemand von euch mal zweieinhalb Millionen Euro übrig? Ich würde nämlich wirklich gerne wissen, wer vor einem Jahr die Malaysian Airlines-Maschine MH17 bei ihrem Flug über der Ostukraine abschoss und den Tod von 298 Menschen in Kauf nahm—und warum.

Und scheinbar trennt uns alle nichts anderes von der wirklich wahren Wahrheit als ein kleines Honorar, zahlbar in 10.000 Bitcoins—was nach heutigem Wechselkurs schlappen 2,5 Millionen Euro entspricht. Das zumindest behauptet eine neue Enthüllungs-Plattform, die eine komplette Untersuchung des Absturzes anbietet, geleakt von anonymen Hackern und angeblich wasserdicht durchgeführt von einer Privatdetektei.

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Die Plattform ist die Kommodifizierung des Whistleblowing.

Gleich auf der Startseite geht The Exchange of Information in die Vollen und zitiert pathetisch aus dem Markusevangelium: „Denn es ist nichts verborgen, das es nicht offenbar werde, und ist nichts Heimliches, das nicht hervorkomme."

Das macht den angeblichen Informationsaustausch leider keinen Deut ethischer. Denn getauscht wird hier nichts anderes als Cash gegen zweifelhafte Leaks und Geheimnisse aus dem Innersten Russlands, was den gern geforderten freien Informationsfluss schon gleich wie einen schlechten Witz klingen lässt.

The Exchange of Information bietet russische Geheimnisse gegen Bitcoin zum Verkauf und als Auktion. Bild: Screenshot The Exchange of Information

Das System funktioniert ähnlich wie eBay, die Angebote lassen sich höchstbietend als Aktion oder per Sofort-Kauf oder Auktion erwerben. Im Katalog unter der hochseriös klingenden URL joker.buzz finden sich noch knapp zwei Dutzend weitere Angebote, so wie der Inhalt des privaten Fotoordners von Putins Pressesprecherin.

Die Seite steht in enger Verbindung zu den Anti-Kremlin-Hackern Humpty Dumpty (auch als Anonymous International bekannt), deren Website für Internetnutzer in Russland geblockt ist. Laut einem Sprecher der radikalen neuen Leaking-Plattform, der unter dem Alias Libertas mit Daily Dot gesprochen hat, wird The Exchange of Information von der Hackergruppe zwar zuverlässig mit gestohlenen E-Mails und anderen Informationen beliefert, aber nicht betrieben.

Russisch Roulette auf VICE: Die Durchsuchung der Trümmer von MH17

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Selbstverständlich ist das Ganze illegal. Das scheint die Betreiber der Seite aber nicht nur nicht von einem umfangreichen Angebot im Clearweb abzuschrecken, sondern sogar noch zu ermutigen: Die Plattform existiert seit einem Jahr. „Es überraschte uns, dass es keine digitalen Marktplätze gab, auf denen jeder anonym einzigartige Informationen zum Verkauf anbieten kann", schrieb Libertas dem Autor Joseph Cox in einer E-Mail.

Hier hat jemand etwas Grundlegendes nicht verstanden: Wenn Information, wie behauptet, frei sein soll, dann muss sie auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Nicht umsonst werden Journalisten geächtet, die Ihre Quellen vergüten, denn sonst verändert sich die Motivation für die Beschaffung und Veröffentlichung von sensibler Information grundlegend, wenn an ihr ein potentielles, fettes Preisschild klebt.

Das Inhaltsverzeichnis der angeblichen Absturz-Untersuchung von MH17. Bild: Screenshot — The Exchange of Information

Wikileaks war nur der Anfang einer neuen, digital gestützten Transparenz- und Whistleblower-Welle. Die veröffentlichten Datenleaks sorgten für Transparenz und haben das Potential einen öffentlichen Diskurs anzuregen, der für Demokratie und Meinungsfreiheit von großer Bedeutung sein kann. Gleichzeitig zeigen die Leaks der vergangenen Monate aber auch, dass sich die Modi der Veröfftlichung von Datenleaks längst diversifiziert haben.

Nach dem Hack der deutschen Spionagesoftwarefirma FinFisher 2014, dem spektakulären Filedump aus der gehackten, umstrittenen italienischen Spionagefirma Hacking Team und den geleakten Personaldaten von rund 22 Mio. Menschen, die im Recruiting-System der US-Gesundheitsbehörden eingetragen waren, ist The Exchange of Information ein weiteres, ganz anderes Kaliber im Kampf um maximale Aufmerksamkeit durch aufsehenserregende Leaks.

Der Exchange of Information ist das Gegenteil einer die Öffentlichkeit emanzipierenden, demokratischen Plattform: Sie bietet die Kommodifizierung von gestohlener Information statt ihrer Befreiung und Verbreitung. Du willst etwas wissen, was die ganze Welt interessiert? Fang schon mal an zu sparen.

Mal ganz abgesehen von dem fragwürdigen Wahrheitsgehalt der MH-17-Untersuchung und dem noch fragwürdigeren Wert geleakter Privatfotos einer Kreml-Mitarbeiterin—ein Marktplatz für solche Hacks ist gefährlich und sein beschränkter Zugang ist nicht demokratisch, sondern elitär.