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Ein Einblick in die Methoden der unaufhaltsamen Social-Spam-Welle

Spam in sozialen Netzwerken ist in der ersten Hälfte des Jahres um 355% angestiegen.

Spam entwickelt sich mindestens genauso schnell weiter wie sich unsere Art der Kommunikation verändert. Den ersten nervigen Spamtrend gab es schon im Telefonmarketing (es sei denn es gab davor auch schon Telegraphen-Spam). Spätestens als die Leute aufhörten über Festnetze zu telefonieren, wandte sich der Spam den Emails zu. Bis wir gute Spamfilter entwickelten. Inzwischen hat Spam es sich sehr gemütlich in seiner neuesten und noch größeren Brustätte eingerichtet: Soziale Netzwerke.

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Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Sicherheitsfirma Nexgate hat klargestellt, dass sich der Spam in den sozialen Netzwerken allein in der ersten Hälfte dieses Jahres mehr als verdreifacht hat. Um genau zu sein ist er um 355 % angestiegen. Diese Rechnung basiert auf 60 Millionen Datensätzen auf Facebook, YouTube, Twitter, Google+ und LinkedIn.

Für einen Spammer sind die zahllosen persönlichen Angaben, sozialen Grafiken und die virale Reichweite in sozialen Netzwerken wie ein wahrgewordener Traum. Erstens ist es einfacher geworden an persönliche Informationen zu gelangen, wie der Bericht beweist, als er beschreibt, dass Phishing viermal häufiger auf Facebook als auf anderen Seiten auftritt. Zweitens sind die Nutzerdaten so gut analysierbar, dass auch du persönlich den richtigen maßgeschneiderten Spam bekommst.

Aber die Struktur der Netzwerke gibt den Spammern noch mehr: Den Scheiß den sie an dein Konto schicken geht auch an alle deine Freunde. Und an deren Freundes Freunde und so weiter bis die Spammer Tausende, sogar Millionen Nutzer damit erreicht haben.

Selbstverständlich räumen soziale Spammer ab - allein auf Facebook ist das ein 150 Millionen Euro Geschäft. Die Anzahl der Spam-Posts steigt wesentlich schneller an als die Anzahl von legitimen Kommentare. Das bedeutet ungefähr soviel, wie den Sieg der Spammer über die Menschen in derem eigenen Spiel.

Der soziale Spam nimmt viele Formen an, aber eigentlich nutzt er nur die Schwächen der menschlichen Natur aus: Er lockt die Leute auf Spamseiten, Pornositen oder Malware indem ihnen Sex, einfaches Geld oder ähnliches versprochen wird.

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Der Bericht unterscheidet unterschiedliche Typen:

a) Link Spam: Eine falsche URL soll dich dazu verlocken auf den verhängnisvollen Link zu klicken. Und der Link schickt dich auf eine ganz andere Seite, die Werbeeinnahmen durch diese Klicks machen. Diese Veriante, hilft auch beim „Spamdexing“, bei dem die Spam-Website einen höheren Platz in den Suchergebnisrankings bekommt.

b) Text Spams sind die nervigen Kettenbrief-artigen Nachrichten bei denen einem gesagt wird, man solle die Nachricht an mindesten 20 seiner Freunde weiterleiten. Oder schlimmer: wenn sich jemand in dein Konto hackt und Sachen in deinem Namen verschickt. (Ich hab einmal hunderten von meinen Freunden kostenlose iPods angeboten)

c) Spam Apps sind Möchtegern-Apps. So wie die App die dir alle Leute anzeigen will, die auf deiner Facebook-Seite waren. Diese Apps klauen deine persönlichen Daten, sobald du sie runterlädst und dich anmeldest.

d) Und natürlich die guten alten Schadprogramme der Spam Bots: Die Spammer werden immer schlauer und schaffen es, dass Schadenprogramme und unechten Konten sich immer besser als echte Menschen tarnen, um so die Sicherheitssysteme zu umgehen.

Aber während viel Spam von Bots kommt, die sich als Menschen ausgeben, gibt es mindestens genauso viel Spam, der tatsächlichen von Menschen rausgeschickt wird - ethisch fragliche Leute, deren Karriere darauf basiert deine online Erfahrungen zu ruinieren.

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Diese Pro Spammer treiben sich auf Untergrund-Onlinemärkten herrum, wo sie Fake Profile und Follower an- und verkaufen. Es genügt eine einfache Suche mit dem Stichwort „social media“ bei BlackHatWorld - eines der bekannteren „Internet Marketing“ Foren - und du kriegst Angebote wie „Cheap US/UK Traffic from Facebook Pages! 515K US, 253K, 116k UK I Buy Status Updates Now!“ und „AllinOne BOT PACKAGE2 - Youlikehits, Addmefast, SocialClerks, SocialMediaExplode and more!"

Im August haben Forscher vom International Computer Science Institute den Schwarzmarkt für Twitter Spam erforscht und fanden heraus, dass 27 Händler für mehrere Millionen fälschliche Konten verantwortlich waren. Die Superhirne, die sich hinter diesem Markt befinden, haben an die 120000 Euro im Jahr verdient.

Nexgate hat eine Liste von bekannten Spammern herausgeben, die du herunterladen kannst – jedenfalls wenn du den Nexgate Service gekauft hast. Oder du gehst einfach auf SpamHaus. Das sind nämlich die Spam Bullen des Internets. Laut der SpamHaus Webseite richtet sich „bis zu 80% Spam auf Internetnutzer in Nordamerika und Europa und wurde von einer Gruppe von 100 bekannten, professionellen Spam-Gangs erstellt.“

„Es ist keine Überraschung, dass die ‚Bad Guys‘ sich dem beliebtesten Kommunikationsmedium zuwenden. Trotzdem hat bisher noch keiner so wirklich die Methoden der New Age Spammers untersucht oder entsprechende Technology entwickelt um das Problem vernünftig zu lösen,“ bilanziert der Nexgate Bericht.

Der Autor von „Spam: A Shadow History of the Internet“, Finn Brunton, tauchte in die Untergrundwelt von professionellen Email-Spammern ein und lernte einige von ihnen kennen. So zum Beispiel den ehemaligen Neonazi Anführer, der mit Vollzeit Spamming begann, nachdem er herausfand, dass sein Vater Jude war. Die Spamwelt ist eine Grauzone, sagt Brustton in einem Interview mit dem Guardian. Die Grenzen zwischen übereifrigem Marketing und tatsächlicher Cyber-Kriminalität sind manchmal schwierig zu setzen.