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In den Tiefen der Arktis haben Forscher den ältesten Hai der Welt entdeckt

Die Gröndlandhaie lebten schon zu Zeiten von Martin Luther.

Titelfoto: Ein Grönlandhai. Bild: Julius Nielsen

Der Grönlandhai ist eine der merwkürdigsten Kreaturen der Ozeane—und in den Weltmeeren herrscht nun wahrlich kein Mangel an wundersamen Wesen. Die Tiere leben in den eiskalten, arktischen Gewässern und haben dabei ein Fleisch, das aufgrund von Frostschutzmittel-ähnlichen Verbindungen giftig ist. Obwohl sie mit einer Länge von bis zu 6,5 Metern ganz klar zu den größten räuberischen Haien gehören, wachsen und schwimmen sie eher langsam. Doch trotz ihres trägen Tempos wurden in ihren Mägen bereits Überreste von Robben, Rentieren, Pferden und sogar Eisbären gefunden—an Appetit mangelt es ihnen also offensichtlich nicht.

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Nun legen neue Beweise aus einer in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie dar, dass Grönlandhaie auch echte Methusalems sind: Sie sind die am längsten lebenden Wirbeltiere der Welt sind. Ein Forscherteam um den Meeresbiologen Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen hat 28 weibliche Grönlandhaie untersucht, die als Beifang in Fischernetzen gelandet waren. Die Länge der Exemplare variierte von Kopf bis zur Flosse zwischen 81 Zentimetern und mehr als fünf Metern.

Auf der Grundlage der langwierigen Wachstumsrate von weniger als einem Zentimeter pro Jahr schätzen Nielsen und seine Co-Autoren, dass die Tiere aus den dunklen Tiefen der Ozeane ein Alter von bis zu drei oder vier Jahrhunderten erreichen können—und obwohl die Fehlerspanne in Jahren hier zugegebenermaßen ziemlich groß ist, sind diese Zahlen äußerst beeindruckend.

„Wir behaupten nicht mit Sicherheit, dass der Grönlandhai 400 Jahre alt ist", sagte Nielsen im Sykpe-Gespräch mit Motherboard. „Wir sagen, dass sein Alter mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit zwischen 272 und 512 Jahren liegt."

Ein Grönlandhai wird als Beifang von dem Forschungsschiff Pâmiut im Südwesten Grönlands gefangen. Bild: Julius Nielsen

Die Unsicherheit bei der Altersbestimmung begründet sich laut den Autoren darin, dass noch immer viel zu wenig über den Grönlandhai bekannt ist. Den Großteil seines Lebens verbringt das Tier nämlich gemächlich in wenig erforschten Polargewässern schwimmend. Grönlandhaie wurden bereits in Tiefen von mehr als 2.000 Metern gesichtet, also in dunklen, einsamen Regionen, in die nur wenige Tauchboote vordringen—die Wahrscheinlichkeit, die Kolosse in freier Wildbahn zu beobachten, geht also eher gen Null (was in diesem Video an der Reaktion eines Forschers auf eine der seltenen Sichtungen besonders gut zu sehen ist).

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„Es wäre wirklich fantastisch, mehr Filmmaterial von den Haien in ihrem natürlichen Lebensraum zu haben", so Nielsen.

Erschwerend zum abgeschotteten Lebensstil der Grönlandhaie kommt hinzu, dass sie nur sehr wenig verkalktes Gewebe aufweisen, das normalerweise zur relativ zuverlässigen Altersbestimmung herangezogen wird. Um dieses Problem zu lösen, machte sich Nielsens Team die Radiokarbonmethode zunutze und bestimmte das Alter über Messungen der Proteine in den Augenlinsen.

„Die Genauigkeit der Altersangaben kann mit Sicherheit noch verbessert werden, und ich hoffe, dass uns das in der Zukunft auch gelingen wird, denn 240 Jahre Messunsicherheit sind natürlich nicht gerade ideal. Doch wir haben beschlossen, dass es genug ist, um nun zumindest bekannt zu geben, dass die Langlebigkeit dieser Spezies in Jahrhunderten gemessen werden kann."

Ein Grönlandhai in der Diskobucht, Westgrönland. Bild: Julius Nielsen

Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Grönlandhai nur die untere Altersgrenze von 272 Jahren erreicht, wäre er damit immer noch das am längsten lebende Wirbeltier. An zweiter Stelle folgt ihm der Grönlandwal, der vergleichsweise nur mickrige 211 Jahre auf dem Buckel haben kann.

Ebenso faszinierend ist das fortgeschrittene Alter, in dem weibliche Grönlandhaie die Geschlechtsreife erreichen. In der Studie wird geschätzt, dass sich Weibchen erst im hohen Alter von etwa 156 Jahren, plus minus 22 Jahren, niederlassen und ihren ersten Wurf haben. Es ist erstaunlich, dass die Haie weit über einhundert Jahre alt werden, bevor sie sich fortpflanzen können. Da bisher aber nur ein Wurf eines Grönlandhais in utero beobachtet werden konnte, sind nur sehr wenige Details über das Fortpflanzungsverhalten der Tiere bekannt.

Es wäre schon an sich faszinierend genug, herauszufinden, warum und wie der Grönlandhai eine solche Langlebigkeit entwickelt hat, doch tatsächlich könnten Erkenntnisse darüber auch Auswirkungen für die Verlängerung der menschlichen Lebenserwartung haben.

„Bei Menschen und Grönlandhaien handelt es sich schließlich um Wirbeltiere", sagte Nielsen, „also haben sie natürlich einiges gemeinsam. Es wäre möglich, etwas über die Alterungsprozesse herauszufinden; sowohl bei Wirbeltieren im Allgemeinen, als auch speziell im menschlichen Körper."

„Hoffentlich werden wir in der Zukunft weitere Gelegenheiten haben, einige dieser Fragen zu klären", folgerte der Biologe. „Es ranken sich noch so viele Geheimnisse um den Grönlandhai."