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Warum jedes Land der Welt seine Raumstationen abstürzen lässt

Viele Leute haben gerade Angst, dass ihnen die Trümmer der chinesischen Raumstation Tiangong-1 auf den Kopf fallen, wenn sie abstürzt. Doch das Raumlabor kann nicht im All bleiben. Keine Raumstation kann das.
3D-Modell der chinesischen Raumstation Tiangong-1 | Bild: Shutterstock | Alejo Miranda

Die Tage von Chinas erster Raumstation Tiangong-1 sind gezählt. In den nächsten Wochen wird sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen und ihre Trümmerteile auf die Erde stürzen – auch wenn bisher niemand genau sagen kann, wann und wo das passieren wird. Viele fragen sich jetzt, warum die Station nicht einfach im Weltraum bleiben kann. Das hat gute Gründe.

Die Tiangong-1 wurde 2011 als erste chinesische Weltraumstation ins All geschickt. Zwei Besatzungsteams forschten auf dem zwölf Meter langen Raumlabor. Ihre Erkenntnisse werden für die Entwicklung einer großen modularen Raumstation genutzt, die 2019 ins All geschickt werden soll.

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Doch die Tiangong-1 hat nun ihr Lebensende erreicht und wird zurück auf die Erde stürzen – beim Eintritt in die Erdatmosphäre wird der Großteil der Station verglühen, die restlichen Teile fallen auf die Erde. Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) rechnet aktuell damit, dass es zwischen dem 29. März und 9. April so weit sein wird. Für alle, die sich nun Sorgen machen, dass ihnen in ein paar Wochen Weltraumschrott auf den Kopf fällt: Die ESA schließt aus, "dass Fragmente auf irgendeinen Punkt weiter nördlich als 43ºN oder weiter südlich als 43ºS fallen" – somit ist es quasi ausgeschlossen, dass Deutschland, Österreich oder Schweiz getroffen werden. Dagegen könnte es Südeuropa, Teile von Nord- und Südamerika, den Norden Chinas, Neuseeland oder den Süden Afrikas treffen. Trotzdem gibt es hier auch keinen übermäßigen Grund zur Sorge: Laut Aerospace ist die Chance, im Lotto zu gewinnen, eine Millionen Mal größer, als von einem Bruchteil der Tiangong-1 getroffen zu werden.

Die Tiangong-1 ist bei Weitem nicht die erste Raumstation, die einem feurigen Tod überlassen wird. Das gleiche Schicksal ereilten auch die sowjetischen Saljut-Stationen, das US-amerikanische Skylab und die Raumstation Mir. Auch die Internationale Raumstation (ISS) wird zerstört indem sie irgendwann in den nächsten Jahrzehnten in die Erdatmosphäre eintritt.

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Es scheint verschwenderisch, die millionenschweren Raumfahrtprojekte wie die Tiangong-1 einfach verglühen zu lassen. Könnten die Stationen nicht stattdessen weiter im All betrieben oder zumindest zur Erde zurückgebracht werden, um sie zu studieren oder Einzelteile für andere Missionen wiederzuverwerten?


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Extreme Strahlung, fiese Mikroben: Das All ist ein hartes Pflaster

Die russische Raumstation Mir ist ein gutes Beispiel dafür, warum Raumstationen nicht auf ewig weiter betrieben werden. Als das erste Modul der Mir 1986 in den Weltraum geschickt wurde, verkörperte sie den damaligen Höhepunkt der bemannten Raumfahrt. Ihre Kosmonauten führen bis heute die Rekordlisten für die längsten Weltraumaufenthalte an.

Doch genau wie bei jedem anderen Fahrzeug traten auch bei der Mir mit der Zeit Verschleißerscheinungen auf. Denn im Weltall herrschen grausame Bedingungen: Die Hüllen von Raumfahrzeugen müssen konstant Mikrometeoriten, extremer Strahlung und Temperaturschwankungen standhalten.

Auch das Innere der Mir nutzte sich immer weiter ab, da sich durch seine menschlichen Bewohner auch Mikroben auf der Station ausbreiteten – darunter Hausstaubmilben, Bakterien und Schimmelpilze. Verschiedene Unfälle, wie ein gefährlicher Zusammenstoß und ein Brand, taten ihr übriges. Nach einigen Reparaturen wurde schließlich beschlossen, dass die Mir nicht mehr sicher sei und 2001 schließlich zum kontrollierten Wiedereintritt in die Atmosphäre gebracht.

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So sah es aus, als der Raumtransporter Jules Verne beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühte.

Zwar ist die Tiangong-1 nicht annähernd so groß oder komplex wie die Mir oder ISS – trotzdem hat der Weltraumaufenthalt signifikante Spuren hinterlassen. Als Prototyp sollte Tiangong-1 eigentlich nur zwei Jahre im All bleiben. 2016 verlor die Station den Funkkontakt zur Erde und wurde somit für weitere Forschungsmissionen nutzlos.

Hitzeschilde und Fallschirmsysteme würden Kosten explodieren lassen

Wenn wir also Raumstationen nicht weiter im All nutzen können, warum bringen wir sie denn nicht wenigstens unbeschadet zur Erde zurück? Der Grund ist einfach: Die Kosten wären viel zu hoch. Weltraumstationen sind sowieso schon die kostspieligsten Bauprojekte der Menschheitsgeschichte, die ISS kostete beispielsweise über 100 Milliarden Euro. Dieser Preis wäre noch astronomischer, wenn die gesamte Station zusätzlich mit einem Hitzeschild und Fallschirmsystem ausgestattet würde, um den sicheren Rückflug zur Erde zu ermöglichen.

Das größte Hitzeschild, das je gebaut wurde, umfasst fünf Meter und soll die Orion-Raumkapsel der NASA schützen. Ein Hitzeschild und Fallschirmsystem für eine gesamte Raumstation müsste um ein Vielfaches größer sein, um dann bloß ein demoliertes und Mikroben-verseuchtes Weltraumwrack zurück zur Erde zu bringen.

Vielleicht können Raumfahrtingenieure eines Tages Stationen entwickeln, die 50 Jahre länger im All durchhalten. Oder sie entwickeln Stationen, die kostengünstig zur Erde zurückgebracht und dort wieder einsatzfähig gemacht werden können, so wie es für die Raketen von SpaceX geplant ist. Das Raumfahrtunternehmen Bigelow Aerospace hat bereits erfolgreich Raumstationsmodule mit entfaltbarer Außenhaut entwickelt: Die Module werden im gefalteten Zustand in den Weltraum geschickt und erst dann auf ihre gesamte Größe aufgeblasen. Die NASA arbeitet an ähnlichen Konzepten, der Raumstation Nautilus. Vielleicht gibt es eines Tages die Möglichkeit, Raumfahrzeuge wieder zu komprimieren und zur Erde zurückzuschicken. Doch bis es so weit ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als Raumflugkörpern beim Verglühen zuzusehen. Mach's gut, Tiangong-1!