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Martin Rohla wird Jeganer: Er lebt vegan, geht aber auf die Jagd

In der Nähe von Wien betreibt der unkonventionelle Jäger außerdem eine Biolandwirtschaft. Im Interview erklärt Rohla, warum Veganer und Jäger mehr gemeinsam haben, als man denkt.
Martin Rohla in Berufskleidung. Foto mit freundlicher Genehmigung.

„Ich bin 52 Jahre alt und esse Fleisch für mein Leben gerne. Gegrillt, paniert, gebraten und auch roh", erklärt Martin Rohla. In der Nähe von Wien betreibt er die Biolandwirtschaft Gut Bergmühle, wo er unter anderem selten gewordene Gemüsesorten anbaut.

Der passionierte Jäger hat für den 16. November 2015 eine große Veränderung in seinem Leben angekündigt. Er wird ab diesem Tag vegan leben—mit einer Einschränkung: Rohla wird weiterhin in seinem eigenen Revier jagen gehen und das erlegte Wild auch verspeisen.

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Warum er Jäger bleiben will? Vor allem aus ökologischen Gründen. Jäger berufen sich darauf, durch nachhaltige Jagd einen Beitrag zur Erhaltung und Verbesserung der Artenvielfalt des Wildes sowie einen Schutz der Landwirtschaft zu leisten. Von der Weltnaturschutzunion IUCN wurde die nachhaltige Jagd bereits im Oktober 2000 als eine Form des Naturschutzes anerkannt.

Im idyllischen Weinviertel verantwortet Rohla als Jagdherr und -aufseher der Gemeinde Schleinbach ein 550 Hektar großes Jagdrevier. Das erlegte Wild wandert dabei nicht nur auf Rohlas Teller, sondern auch in die Küche des Vereins Stadtflucht Bergmühle, einem temporären Refugium, wo Menschen bei regionaler Biokost für ein paar Stunden dem Trubel der Großstadt entfliehen können.

Inspiriert zu der unbequemen, aber verantwortungsbewussten Entscheidung, künftig keine Produkte mehr aus Tierhaltung zu konsumieren, wurde Rohla von seiner 20-jährigen Tochter. Auch sie geht auf die Jagd, lebt aber vegan und erfand dann auch die Bezeichnung für die unkonventionelle Ernährungsweise der Rohlas: Sie und Ihr Vater seien wohl „Jeganer".

Ein veganer Jäger, wie soll das funktionieren? Wir haben mit Martin Rohla gesprochen und ihn gefragt, wie er sich seine neue Existenz als „Jeganer" so vorstellt.

MOTHERBOARD: Guten Tag, Herr Rohla. Sie möchten in Zukunft vegan leben, gleichzeitig aber weiterhin zur Jagd gehen. Ist das kein Widerspruch?

Martin Rohla: Nun, das hängt zunächst natürlich davon ab, wie man den Begriff vegan definiert. Ich für mich habe beschlossen, auf jegliche Produkte aus der Tierhaltung zu verzichten. Und geschossenes Wild stammt natürlich nicht aus Tierhaltung.

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Was veranlasst Sie denn dazu, aus der Haltung von Tieren gewonnene Produkte nicht mehr zu konsumieren?

Aus Sicht einer verantwortungsbewussten, ökologischen Lebensweise ist das einfach nicht mehr vertretbar. Man muss schon bewusst die Augen verschließen, um zu ignorieren, dass Tierhaltung für einen sehr großen Anteil des weltweiten Wasserkonsums, des CO2-Ausstoßes und der Nutzung von Ackerflächen verantwortlich ist.

Martin Rohla mit seiner Tochter Mia, das Bild wurde vor zehn Jahren aufgenommen. Foto mit freundlicher Genehmigung

Ich habe diese Energieverschwendung auf dem Blog des „Experiment Selbstversorgung" auch anhand von Zahlen der zur Neutralität verpflichteten Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen erläutert. Natur- und Umweltschutz sind für mich die zentrale Motivation für ein veganes Leben.

Natürlich spielt bei vielen Veganern auch der Tierschutz eine große Rolle. Bei mir ist er zwar nicht das primäre Motiv, aber die Qualen der Massentierhaltung lehne natürlich auch ich vehement ab.

Was für ein Feedback haben Sie von anderen Jägern zu ihrer Entscheidung bekommen?

Aus Jägerkreisen höre ich ausschließlich Positives. Auch aus veganen Kreisen gab es viel Zustimmung und Unterstützung, wie z.B von Michael Hartl vom Experiment Selbstversorgung, allerdings auch teils heftige Kritik.

Dabei ist es ein Missverständnis, dass die Jagd ein Angriff auf Tierrechte ist. Als Jäger habe ich großen Respekt vor dem Lebewesen und bin ganz im Gegenteil sogar Tierschützer. Es gibt sehr strikte behördliche Auflagen, an die ich mich als Jäger halten muss. Ich schieße zum größten Teil schwache, alte und kranke Tiere. Aufgrund von Lebensraumverknappung und Futterüberangebot gibt es davon immer mehr und nicht selten verenden sie qualvoll nach Zusammenstößen mit vorbeifahrenden Autos. Mittlerweile machen diese sogenannten „KFZ-Rehe" 25% des laut Abschussplan zu erlegenden Wildes aus, in meinem Revier sogar 75%.

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Mit der obligatorischen Totenwacht erweise ich einem erlegten Tier die letzte Ehre. Jäger—zumindest diejenigen, die ich kenne— haben einen ganz eigenen, sehr engen Bezug zu den Tieren, die sie essen. Wir ernähren uns unmittelbar von der Natur. In die Produktion dieses Fleischs fließt keinerlei zusätzliche Energie. Ressourcenschonender kann man sich nicht ernähren. Ethisch und moralisch kann ich das Jagen und Verzehren von Wildfleisch also uneingeschränkt vertreten.

Rohla bei der Weinlese auf dem Gut Bergmühle. Foto mit freundlicher Genehmigung

Warum ist es Ihnen wichtig, weiterhin das von ihnen geschossene Wild zu essen?

Nun, vielleicht werde ich eines Tages einmal vollständig vegan leben und sogar auf das Fleisch vom Wild verzichten. Das ist derzeit aber noch schwer vorstellbar. Erstmal hat man ab einem gewissen Alter natürlich seine Gewohnheiten und dann ist das Verzehren des geschossenen Wildes aber auch ein elementarer Bestandteil des Ablaufs der Jagd. Es würde etwas fehlen, wenn ich das geschossene Wild nicht essen würde.

Sie müssten also konsequenterweise auch das Jagen aufgeben, sollten sie sich einmal entscheiden, kein Wild mehr zu essen?

Ja, wahrscheinlich wäre das so. Das Jagen aufzugeben, könnte ich wiederum wohl mit meiner ökologischen Verantwortung nur schwer vereinbaren. Die Jagd ist einfach ein essentieller Teil des Umweltschutzes und der liegt mir am Herzen. Mit der Jagd verbunden bin ich bereits seit Kindertagen. Das aufzugeben ist, wenn überhaupt, aber noch Zukunftsmusik für mich. Zunächst mal geht es mir darum, erfolgreich in mein Leben als Veganer zu starten. Ich werde über entsprechende Erfolge und Misserfolge regelmäßig auf dem Blog des Experiment Selbstversorgung berichten.

Viel Erfolg, Herr Rohla und vielen Dank für das Gespräch!