Ein Alltag ohne Geld: Dieser Ire gibt seit sieben Jahren (fast) keinen Cent aus
Bild: Mark Boyle

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Ein Alltag ohne Geld: Dieser Ire gibt seit sieben Jahren (fast) keinen Cent aus

The Moneyless Man zeigt, wie ein Leben jenseits der monetären Gesellschaft funktionieren könnte.

Vor sieben Jahren beschloss Mark Boyle, auf Geld zu verzichten. Der damals 29-Jährige machte gerade seinen Abschluss in Betriebswirtschaft, als er auf den Film Gandhi stieß und das Biopic einen einschneidenden Effekt auf den Iren hatte. Zunächst zog Mark allerdings nach England und arbeitete in Bristol einige Jahre als Manager für zwei Biolebensmittel-Unternehmen, bis ihm schließlich immer bewusster geworden war: „Geld zerstört die Verbindung zwischen uns und unseren Taten".

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Mark Boyle beschloss, selbst auszuprobieren, ob und wie ein Leben jenseits der Sicherheiten und Abhängigkeiten eines geregelten Cashflows möglich ist. Zurück im west-irischen Loughrea nahm er sich vier Monate für die Vorbereitungen Zeit, machte eine Liste mit Dingen, die ihm wichtig sind und bekam durch einen glücklichen Zufall sogar einen Wohnwagen geschenkt.

Alle Bilder: Mark Boyle | Mit freundlicher Genehmigung

Auf ein Jahr sollte das Experiment ausgelegt sein, in dem er autonom von jeglichen monetären Verpflichtungen leben wollte. Es dauerte jedoch ganze drei Jahre, bis er sich langsam wieder an Geld herantastete und das auch nur, um Projekte wie die von ihm mitbegründete Freeconomy Community umzusetzen oder die Reisen zu seinen Vorträgen (für die er natürlich kein Honorar nimmt) zu bezahlen.

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„Zur Zeit bekomme ich etwas Geld aus den Lizenzen meiner Bücher „The Moneyless Man: A Year of Freeconomic Living" und„Drinking Molotov Cocktails with Gandhi" oder von meinen Artikeln für The Guardian, aber ich gehe ja nicht shoppen oder so", erzählt Mark in einem Gespräch mit Motherboard. Der Verzicht auf Geld hat ihn glücklicher gemacht, sagt er.

Das Leben ohne Geld bedeutet im Alltag auch, möglichst vollständig als Selbstversorger zu leben. Mark Boyle lebt auf dem Land und produziert so gut wie alles eigenständig, was er zum Leben braucht. Das mache ihn unabhängig und geerdet, sagt er.

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Auf seinem Blog über das No-Money-Leben stellt Mark fest, wie viele Menschen inzwischen mit dem Gedanken eines Aussteigerlebens liebäugeln: „Immer mehr Leute haben Probleme und sehnen sich nach einem sparsameren und umweltverträglicheren Lebensstil." Mark hält auch Vorträge an Unis, in lokalen Buchläden oder auf Literaturveranstaltungen, nach denen er oft Fragen von Off-Grid-Freunden in spe beantwortet muss, die sich fragen, was sie selbst in ihrem Leben verändern könnten. Für die meisten bleibt es beim Aussteigertraum—seinen Alltag auf das das bargeldlose Leben umzustellen, fordert Mark einiges an Kreativität ab:

Für Dinge, die wir wie selbstverständlich in Supermärkten oder Drogerien kaufen, hat Mark Alternativen gefunden, mit denen er teilweise sogar besser zurechtkommt—auch wenn sie natürlich umständlicher herzustellen sind. „Ich reagiere zum Beispiel allergisch auf Gräser und habe dann ein Kraut entdeckt, das ein natürliches Antihistaminikum gegen Heuschnupfen ist. Meine Zahnpasta stelle ich aus Fenchelsamen und Kuttelfischknochen her und ich wohne in dem Wohnwagen, den ich geschenkt bekommen habe. Darin befand sich anfangs ein Ofen mit Gasflasche, den ich gegen einen Holzofen, den ich mit eigenem Holz befeuern kann, ausgetauscht habe."

„Zum Waschen benutze ich eine Pflanze namens Seifenkraut. Meine Nahrung baue ich selbst an oder tausche auch manchmal etwas gegen Dinge, die ich nicht habe, wie Getreide zum Beispiel. Aus Äpfeln mache ich Apfelsaft oder Cider. Und manchmal besorge ich in der Stadt auch aussortierte Nahrungsmittel von Supermärkten. Einmal habe ich sogar ein Festival mit über tausend Besuchern organisiert, die alle ein dreigängiges Menü inklusive Alkohol bekamen. Keiner musste bezahlen und ich hatte alle Speisen und Getränke aus wildwachsenden Pflanzen und ausrangierten Nahrungsmitteln zubereitet."

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Ein Leben abseits der wirtschaftlichen Gesellschaft ist auf dem Land natürlich viel eher umsetzbar als in der Stadt, wo sich eine unentgelliche Bleibe höchstens durch Hausbesetzung oder die freundliche Aufnahme als mietfreier Mitbewohner durchsetzen ließe. So macht es beispielsweise der Potsdamer Raphael Fellmer mit seiner Familie—was jedoch die Disussion aufwirft, inwieweit das Geld anderer für den eigenen nicht-monetären Lebensstil aufkommen soll.

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„Ich würde nicht zu einem Leben in der Stadt raten", erzählt Mark. „Alles ist voller Plastik, Öl, Gas, die ganze Stadt beruht auf Brennstoffen. Es ist eine giftige Umgebung, die auch physische und psychische Krankheiten fördert." Mark hingegen fühlt sich so gesund wie nie, seit er seine eigene Unabhängigkeit entdeckt hat.

„In Städten benötigen wir auch Geld, weil es weniger persönliche Verbindungen und Vertrauen gibt. Je globaler wir agieren, desto geringer wird das Vertrauen, weil wir die Menschen nicht persönlich kennen lernen. Das ist in kleinen, lokalen Gemeinschaften anders. Man kann sich besser helfen, unterstützen und austauschen, das geht auch ohne Geld. In Städten müssen wir uns das alles kaufen."

Mark ist trotz aller Autonomie kein weltfremder Einsiedler. Digitale Vernetzung und sein Computer stellen für ihn keinen Widerspruch zu seinem alternativen Lebensstil dar. „Ich benutze den Computer zur Kommunikation und zum Schreiben meiner Bücher und Blogs, außerdem fühle ich mich verpflichtet, an meinem Lebensstil interessierten Menschen auf ihre Fragen antworten. Ich sitze ja nicht den ganzen Tag davor und sorge auf meine eigene Weise für meine mentale Gesundheit."

Wer mehr über Mark Boyle erfahren möchte wirft am besten einen Blick in seine Blogs The Moneyless Manifesto oder True Activist.