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Endlich wissen wir, wie Juckreiz entsteht und wie man ihn bremsen kann

Mit leuchtenden Nervenzellen sind die Forscher einer Technik auf der Spur, den ewigen Teufelskreis zwischen Jucken und Kratz-Impuls zu durchbrechen.
Bild: shutterstock

Die Kratz-Bewegung erfolgt fast schon von allein. Zwar ist sie nicht so automatisiert wie der Herzschlag oder die Atmung und doch ist das Kratzen ein Reflex, der sich kaum unterdrücken lässt. Wenn das Gehirn eine juckende Stelle registriert, reagiert es unweigerlich mit dem Befehl des Einsatzes von Fingernägeln – und das fühlt sich ziemlich gut an.

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Denn durch das Kratzen lässt sich unser Gehirn austricksen, zumindest für einen kurzen Moment: Der wohltuende Schmerz des Kratzens überlagert den Juckreiz, der uns so plagt. Doch hinter dem Kreislauf aus Jucken und Kratzen steckt aus neurowissenschaftlicher Sicht noch viel mehr. Erst in den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft damit begonnen, der Entstehung des Juckreizes auf die Spur zu kommen. 1997 konnten Neurowissenschaftler erstmals eine der Nervenfasern in der Haut identifizieren, die für den Juckreiz verantwortlich sind. Nun ist Forschern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ein weiterer großer Schritt gelungen. Sie haben herausgefunden, welcher neuronale Schaltkreis im Gehirn den Juckreiz offenbar steuert. Ihre Arbeit ist vergangene Woche im Fachmagazin Science erschienen.

Dem Jucken auf der Spur

Ein für die Forschung bisher noch recht rätselhafter Teil des Gehirns, der mit Schmerz und anderen Reizen in Verbindung gebracht wird, ist der Parabrachiale Nukleus (PBN). Er ist eine Art Schaltzentrale für Signale, die unterschiedliche Aktionen im Körper steuern. Manipuliert man an dieser Stelle die richtigen Neuronen, kann man das Gehirn beispielsweise dazu bringen, das Hungergefühl auszuschalten.

Da es im Rückenmark viele verschiedene Nervenzellen gibt, die Signale an das Gehirn senden, stellte das Forscherteam die Theorie auf, dass hier auch der entscheidende Knotenpunkt zwischen dem Gehirn, dem Körper und dem unwiderstehlichen Juckreiz liegt.

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Die chinesischen Neurowissenschaftler interessierten sich vor allem für ein Bündel an neuronalen Rezeptoren, GRPR, die Signale vom Rückenmark an das PBN weiterleiten. 2007 wurde entdeckt, dass die GRP-Rezeptoren Juck-Signale an das Gehirn weiterleiten.

So tricksten die Forscher den Juckreiz aus

Um ihre These zu testen, setzten die Forscher eine sogenannte optogenetische Methode ein. Sie statteten Mäuse mit fluoreszenten Nervenzellen aus, die aufleuchteten, wenn die entsprechenden Nerven stimuliert wurden.


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Indem sie den Mäusen kleine Mengen Histamin spritzten, um einen Juckreiz auszulösen, konnten die Forscher die Beziehung zwischen dem Juckreiz und dem entsprechenden Teil im Gehirn nachvollziehen. Denn der Parabrachiale Nukleus – der PBN – leuchtete tatsächlich auf, als die Mäuse stimuliert wurden. Die Forscher probierten ihre These noch weiter aus: Durch bestimmte Medikamente schränkten sie die Funktionalität des PBN ein, was dazu führte, dass die Mäuse sich weniger kratzen mussten. Es war ihnen also gelungen, den Juckreiz zu unterdrücken.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das PBN eine zentrale Schaltstelle für den Juckreiz ist. Seine Aktivitäten können sowohl das akute als auch das chronische Kratzen steuern", schlussfolgern die Autoren der Studie. Vor allem für Menschen, die unter chronischem Juckreiz durch Ekzeme oder Neurodermitis leiden, sind das gute Nachrichten, denn die Forschungsergebnisse könnte die Medizin einen wichtigen Schritt näher an eine lindernde Therapie gegen das ewige Kratzen bringen.