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ungewöhnliches geschenk

Fragen, die der Beutel mit Würgeschlangen aufwirft, den ein Typ einem Kind im Einkaufszentrum gab

Der Unbekannte drückte dem Jungen den Beutel in die Hand und rannte weg. Dabei soll er "Viel Spaß mit den Pythen!" gerufen haben.
Screenshot: Twitter | Polizei Berlin | Python: Pixabay | LunarSeaArt | CC0

In den Jutebeuteln junger Berliner und Berlinerinnen werden von klebrigen Glas-Anal-Plugs bis hin zu Räucherstäbchen mit Gras-Duft so einige ungewöhnliche Gegenstände durch die Stadt getragen. Ein Mann in Berlin-Lichterfelde erweiterte die Liste um zwei besonders windige Objekte: Er hatte zwei lebende Pythons in einen Beutel gepackt und durch die Stadt spaziert. In ein Einkaufszentrum. Wo er den Beutel samt Inhalt einem Kind überreichte und wegrannte. Laut der Berliner Polizei soll er beim Weglaufen aus der Ferne gerufen haben: "Viel Spaß mit den Pythen!" Wir haben Fragen.

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Wo kamen die Schlangen her?

Ob die Tiere bis zur "Geschenkübergabe" in der illegalen Reptilien-Sammlung einer stickigen Kellerwohnung rumgekrochen sind oder als Requisiten für eine Britney-Spears-Gedächtnisperformance eingekauft wurden, wird wahrscheinlich eines der großen Mysterien dieses Falls bleiben. Die Berliner Polizei, die die "Story aus dem Großstadtdschungel" bei Facebook und Twitter teilte, blieb nach der wilden Geschichte offensichtlich so ratlos zurück wie zahlreiche User und Userinnen, die den Beitrag kommentierten. Bei Facebook mutmaßte die offensichtlich tierliebe Community, ob die beiden Pythons (so lautet übrigens der richtige Plural von Python) unliebsam aufgegebene Trennungskinder seien oder doch eher das Überbleibsel eines überfordernden Petsitter-Jobs: Wahrscheinlich sei der oder die Besitzerin im Urlaub und der Unbekannte habe keinen Bock mehr auf die Tiere gehabt, schreibt eine Frau, "also hat er sich in Snakeknapping versucht". Fair enough.

Warum hat der Mann die Tiere ausgerechnet einem Kind in einem Einkaufszentrum überreicht?

Es gibt sicher einfacher beschaffbare Geldquellen als meterlange Würgeschlangen, aber: Falls ihr Schulden bei den Rundfunkanstalten habt, könntet ihr sie mit dem Verkauf von Pythons wohl schneller abgleichen als mit einem Praktikum im Medienbereich. Allein die intakte abgeworfene Haut einer Riesenschlange lässt sich im Netz für rund fünf Euro ("für Schulen, Kindergärten und Sammler") verhökern, die dazugehörigen Tierchen werden bei Kleinanzeigen für mehrere Hunnies angeboten. Dennoch solltet ihr kurz in euch gehen, bevor ihr jetzt in euer Abi-Jahrbuch schreibt, dass ihr in zehn Jahren einen florierenden Schlangenhaut-Handel betreiben wollt: Geschäfte mit lebendigen Tieren sind nämlich nicht nur ethisch tricky, sondern auch im deutschen Bürokratie-Dschungel (wie so vieles) kein leichtes Unterfangen.


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Auch bei VICE: Schlangengift im Blut


Die Haltung von "gefährlichen Tieren wildlebender Art" ist in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt, es gibt strenge Vorgaben. In Berlin ist es für Privatleute grundsätzlich verboten, solche Tiere zu halten, allerdings können für manche Arten – unter anderem für Pythons – Ausnahmegenehmigungen ausgestellt werden. Experten zufolge werden diese allerdings so gut wie nie erteilt. Waren dem Typen mit dem Python-Beutel der Papier-Struggle und der Gang zum Amt für einen rechtmäßigen Verkauf also einfach zu groß und hat er die Tiere deshalb an ein ahnungslos dastehendes Kind in einem Berliner Konsumtempel überreicht? Oder war die slapstick-komödiantische Übergabe am Ende Teil eines perfiden Plans, und das Ganze am Ende eine Guerilla-Marketing-Aktion?

War der Typ ein YouTuber und die Jute-"Pythen" Teil eines Prank-Videos?

Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass YouTube-Stars je der Stoff für unsinnige Videos ausgehen wird, reiht sich auf der Plattform doch von Fake-Verfolgungsjagden bis hin zu "Ich habe mir den Finger meines Kumpels anal eingeführt als dieser seine Augen verbunden hatte" ein debiler Prank-Clip an den anderen. Andererseits giert eine Welt, die sich selbst am zwei-minütigen Furzvideo eines amerikanischen Sicherheitsmannes erfreuen kann, ständig und unersättlich nach immer spektakuläreren Beweisen menschlicher Torheit. Jedenfalls, Plot Twist: Der Jute-Träger wollte die Schlangen gar nicht wirklich loswerden. Er wollte einfach einen Jungen, der etwas zu lange vor dem Schaufenster einer Tierhandlung auf ein lahmes Chamäleon gestiert hatte, für seinen mediokren YouTube-Channel pranken. Der mediokre YouTuber hatte sich das Drehbuch vorher genauestens aufgeschrieben. Selbst der grammatikalisch falsche Ausruf "Viel Spaß mit den Pythen" hatte seine dramaturgische Berechtigung. Doch dann ging alles schief: Der Junge, mit den Gepflogenheiten mediokrer YouTuber und YouTuberinnen bestens bekannt, warf sich den Beutel selbst über die Schulter und rannte davon. In die entgegengesetzte Richtung. Um den YouTuber mit seinen eigenen Pranks zu schlagen.

Wollte der Junge seine neuen Haustiere nicht behalten?

Selbst wenn die Prank-Geschichte nur ein Ergebnis unserer unkontrollierbaren Fantasie sein sollte: Was nach der Übergabe des Beutels passierte, wird euch das Herz brechen. Wie die Berliner Polizei berichtet, gab es für die Schlangen kein Happy End im liebevoll eingerichteten Terrarium eines Berliner Kinderzimmers. Ob er sie tatsächlich nicht wollte, oder seine Mutter ihren Bettkasten nicht als Heim herzugeben bereit war, wissen wir nicht. Die beiden Pythons, gleichermaßen von ihrem ursprünglichen Besitzer wie von dem auserwählten neuen Halter abgestoßen, landeten jedenfalls auf der Wache eines Polizeibüros im Berliner Stadtteil Steglitz-Zehlendorf. Dort wurden sie erst für einen klickversprechenden Facebook-Post auf einer Ablage drapiert, fotografiert und anschließend einem Experten "in treue Hände" übergeben. Die Berliner Polizei wünscht den beiden Würgeschlangen "Allet Jute". Und wir wissen jetzt immerhin, dass man in Berlin unter Umständen leichter an seltene Schlangen kommt als an einen Termin beim Bürgeramt.

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