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2000 Fans bügeln die größte Schwäche von 'Monster Hunter: World' selbst aus

Komplexe Dinos, ein Dutzend Waffen, Menüs aus der Design-Hölle: Anfänger sind im Rollenspielhit veloren. Die Rettung kommt von einer Gruppe freiwilliger Lehrmeister.
Das neueste Monster ist der Gehärtete Demonjho – und er ist nicht nett | Bild: Screenshot, Capcom

Ein Groß-Jagras ist eine Kreuzung aus einem Komodo-Waran, einer Sumpfkröte und einem Reihenhaus – und es ist das erste große Monster, das Lisa im japanischen Rollenspiel-Hit Monster Hunter: World erlegen muss. Anfänger wie sie scheitern bei ihren ersten Jagdversuchen oft an der schwerfälligen Steuerung, dem komplexen Waffensystem und den heftigen Attacken der Riesenmonster. Doch Lisa hat ein Ass im Ärmel: Tim. “Los! Achte darauf, dass du das Monster an den Stellen triffst, an denen die Zahlen orange aufleuchten. Das sind die Schwachstellen!”

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Tim ist keine computergesteuerte Spielfigur, er ist ein 25-jähriger Mechatroniker aus München, der heute seine Freizeit dafür opfert, Lisa per Voicechat in die Geheimnisse der Jagd einzuweihen. “Wenn du von einer Kante springst, kannst du auf das Monster klettern.” ruft Tim ihr vom Rücken des Monsters zu. Plötzlich geht es zu Boden, Lisa nutzt die Chance. Sie greift mit ganzer Kraft an und verpasst der Echse den Todesstoß. Lisa jubelt, sie hat ihr erstes großes Monster besiegt. Für Tim ist es ein weiterer Tag als einer der knapp 2000 freiwilligen Lehrmeister von Monster Hunter: World.

Tim ist Teil von “Adopt-a-Hunter”, einer begeisterten Fangemeinde, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Neulingen das Spiel näher zu bringen. Monster Hunter ist ein Spiel mit jahrzehntelanger Tradition, schon seit 2004 begeistert es vor allem Spieler in Japan mit komplexen Kämpfen gegen riesige Dinomonster. Im Westen hatte es schon immer eine kleine und dezidierte Fan-Gemeinde. Wirklich groß wurde sie aber nie. Ein Grund dafür ist sicherlich der zähe Einstieg, der Neulinge kaum an die Hand nimmt.

Im neuen Monster Hunter: World ist der Einstieg zwar etwas leichter geworden, um damit gezielt das westliche Publikum anzusprechen, dennoch haben viele Spieler immer noch Probleme damit, sich in dem Spiel zurecht zu finden. Damit Anfänger davon nicht abgeschreckt werden, setzen sich Veteranen wie Tim mit ihnen virtuell zusammen und bringen ihnen im Spiel die Grundlagen des Jagens bei. Wir haben uns mit dem Adopt-a-hunter-Gründer Woulfe und Veteran Tim im Spiel zusammengesetzt, um uns selbst ein Bild von der Schule des Jagens zu machen.

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Monster Hunter: World ist ein Hit, aber die Hürden für den Einstieg sind hoch | Bild: Capcom

“Ich spiele Monster Hunter am liebsten mit Freunden", erzählt uns Tim, während wir gemeinsam auf einen Rathian, einen grünen Drachen, einschlagen. “Doch kaum einer meiner Freunde interessiert sich dafür. Deshalb habe ich mich im Januar bei Adopt-a-Hunter als Veteran angemeldet.”

Lehrpläne und Gruppenzuteilungen: Die Schule des Jagens ist gut organisiert

Heute ist Tim nicht nur Veteran und damit Lehrmeister, sondern auch Moderator in der mittlerweile über 6500-köpfigen Community. Er verwaltet den Chat des hauseigenen Discord-Servers, hat stets ein offenes Ohr für Probleme und am Allerwichtigsten: Er kümmert sich um die Zuteilung der Novizen und Veteranen. Denn wer neu bei Monster Hunter: World ist, kann sich einen Lehrmeister zuteilen lassen, um so in einer 1-zu-1-Situation das Spiel kennen zu lernen. Dafür muss lediglich auf der projekteigenen Homepage ein Formular ausgefüllt werden, in dem, neben dem bisherigen Kenntnisstand, organisatorische Informationen wie Zeitzone, übliche Spielzeit und Sprache abgefragt werden. Nach ein paar Tagen meldet sich dann ein Veteran und der Unterricht beginnt. “Eine automatisierte Datenbank wäre der Traum”, lacht Tim, denn die Zuteilung erfolgt per Hand. Mithilfe der von den Spielern angegebenen Informationen werden anhand der größten Übereinstimmungen Paare gebildet. Diese sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. Sollte es mal nicht passen, können jederzeit neue Partner gesucht werden. Im Januar, kurz vor Release des Spiels, fanden so bis zu 200 Spielerpaare pro Woche zusammen, erzählt uns Tim.

Maßgeblich dafür verantwortlich ist der Spieler Woulfe, er ist so etwas wie der Schulleiter der Community und einer der Gründer des Projekts. Woulfe ist 29 Jahre alt und kommt aus Seattle. Für den Erfolg seiner Monsterjägerschule hat er eine simple Erklärung: Zum ersten Mal kommt ein Spiel der Monster Hunter-Reihe gut im Westen an, eine große Leistung der japanischen Entwickler und ein Grund dafür, dass sich so viele wissbegierige Neulinge in seine Jägerakademie verirren. Auch wenn Woulfe den Schulleiter gibt: die Projektidee stammt nicht von ihm selbst, sondern einem Reddit-Nutzer namens SloppyBulldozer. Gemeinsam haben sie im Dezember 2017 Adopt-a-Hunter ins Leben gerufen, mittlerweile ist jedoch Woulfe der Hauptverantwortliche.

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Entwickler Capcom ist vom Tutorenprogramm begeistert

Nach kürzester Zeit ist Capcom selbst auf das Projekt aufmerksam geworden und steht seitdem im engen Kontakt mit dem gelernten Marketing- und Event-Manager um eine mögliche engere Kooperation zu erarbeiten. “Ich erinnere mich, wie ich bei der Messe PAX South zum Capcom-Stand ging und Communityleiter Yuri, dem ich zuvor schon mal begegnet bin, auf mich zeigte und begeistert ‘Adopt-a-Hunter’ rief. Unser Projekt war gerade erst zwei Wochen alt und Capcom wusste bereits wer wir sind.” erzählt uns Woulfe.

Seine Passion für das Monsterjagen reicht bis in die Anfänge der Reihe zurück und ist während des Gesprächs deutlich spürbar. Er schrieb sogar den Lehrplan, der Schülern und Veteranen als Leitfaden dienen soll. Der Unterricht ist dabei nicht strikt vorgegeben, sondern orientiert sich an dem Kenntnisstand des Schülers und seinen Wünschen. Jedoch gibt der Guide klare Empfehlungen für den Einstieg. Beispielsweise soll von Anfang an die Organisation des Inventars und des Schnellauswahlmenüs geübt werden, sowie der effektive Umgang mit Items wie dem Wetzstein oder Heiltränken. Selbst erfahrene Spieler finden hier noch Geheimnisse und Details, von denen sie lernen können.

Bei einem Bier lassen die Trainer und die Schüler von Adopt-a-Hunter den Tag Revue passieren | Bild: Screenshot, Capcom

Inzwischen hat sich die Community gewandelt, sie ist keine reine Schule mehr.. Auf dem Discord-Server tummeln sich tausende Jäger, die tagtäglich auf der Suche nach Jagdgenossen sind. Woulfes neustes Projekt sind Events innerhalb der Gemeinschaft. So hat er bereits eine Modenschau veranstaltet, bei der die Teilnehmer ihre schicksten Outfits und Charaktere präsentieren können oder ein selbst entwickeltes Spiel namens “Slingerball”, bei dem sich die Spieler gegenseitig mit Schleudern abschießen.

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Adopt-a-Hunter ist anders: Fragen und Gesuche werden fast immer beantwortet

Der Umgang ist dabei stets freundlich, versichert uns Woulfe. “In einer Gemeinschaft von aktuell 6633 Mitgliedern haben wir bisher nur fünf Gamer verbannen müssen", erzählt er uns stolz während unseres Telefonats im “Super Secret Channel” des Adopt-a-Hunter Discord-Servers. Zumindest während unseres Besuchs können wir das bestätigen: Der Umgangston bei der Gruppensuche ist stets angenehm. Fragen und Gesuche werden fast immer beantwortet. In einer Woche im Chat lasen wir nicht einen dummen Spruch, geschweige denn eine Beleidigung eines anderen Spielers.

Eine Insel der guten Vibes – warum nur hier?

Adopt-a-Hunter wirkt wie eine Insel der guten Vibes im all zu oft toxischen Meer des Online Gamings. Von niemandem wird erwartet, das Spiel von Beginn an zu beherrschen. Während in Spielen wie Dota2 oder Overwatch selbst in den untersten Ligen krasser Leistungsdruck spürbar ist, haben die Jäger von Monster Hunter ein Gegengewicht entwickelt. Spielspaß und das gemeinsame Eintauchen in eine faszinierende Welt steht an erster Stelle. Und das ist so überraschend, wie erfrischend. Es zeigt aber auch: Entwickler müssen sich vielleicht um die toxischen Elemente einer Community kümmern, aber nur Spieler selbst können sie lebenswert machen.

Update, 29.03.2018, 09:50: Wir korrigieren zwei Fehler, die wir gemacht haben. Wir haben Woulfe, den Leiter von Adopt-a-Hunter missverstanden. Sein bürgerlicher Name lautet, genauso wie sein Nickname, Woulfe nicht "Wolf". Weiterhin sind in der Community nicht 400, sondern 2000 Veteranen als Lehrer aktiv. Wir sind von den aktuell auf Discord registrierten Veteranen ausgegangen, die höhere Zahl ist aber richtig, das bestätigt uns Woulfe. Beide Fehler wurde in der Überschrift, sowie im Text korrigiert. Wir entschuldigen uns ausdrücklich bei Adopt-a-Hunter für die Fehler.

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