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Wie eine selbsternannte Eisbären-Expertin zur liebsten Quelle von Klimaleugnern wurde

Sie hat keine wissenschaftliche Arbeit über Eisbären veröffentlicht und war noch nie in der Arktis. 80 Prozent der Klimaleugner-Blogs nutzen die Bloggerin trotzdem als einzige Quelle.
Bild: Shutterstock | FloridaStock

Ein einsamer Eisbär, der auf einer viel zu kleinen Eisscholle verzweifelt im Wasser treibt – nichts schreit so sehr Klimawandel und schmelzenden Polkappen, wie dieses Bild. Der bedrohte Eisbär ist zum Sinnbild der globalen Erderwärmung und ihren Folgen geworden. Skeptiker und Leugner des Klimawandels schreiben auf ihren Blogs dagegen immer wieder, dass die Bestandszahlen der Tiere boomen. Dabei stützen sie sich fast alle lediglich auf die Äußerungen einer kanadischen Zoologie-Bloggerin, wie eine neue Untersuchung nun zeigt.

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Die Studie, die Ende November im Fachjournal BioScience erschienen ist, untersuchte 45 Blogs, die den Klimawandel leugnen oder anzweifeln, sowie 45 wissenschaftliche Blogs, die über die Auswirkungen des Klimawandels berichten. Dabei fanden die Forscher heraus, dass fast alle der Klimawandel-skeptischen Blogs angeben, dass es den Eisbären gut gehe. Dabei zitieren 80 Prozent dieser Blogs nur eine einzige Seite als Quelle für diese Angabe: Den Blog der Zoologin Susan Crockford, die bisher noch kein durch unabhängige Experten geprüftes Paper zu Eisbären veröffentlicht hat. Die untersuchten wissenschaftlichen Blogs hingegen berichteten fast alle, dass der Klimawandel eine ernste Bedrohung für die Eisbären darstelle. Dieser Fall ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Aussagen, die den Klimawandel leugnen, online verbreiten.

Durch soziale Medien lassen sich Fehlinformationen noch schneller verbreiten

"Diese Blogger wollen die Eisbären nutzen, um Zweifel am Klimawandel aufkommen zu lassen", sagte einer der Autoren der Studie, Steven Amstrup, gegenüber Motherboard. Amstrup ist leitender Wissenschaftler für die Umweltorganisation Polar Bears International, die sich für den Schutz der bedrohten Bären einsetzt. Er sieht hier eine gezielte Taktik, um Verwirrung über die Klimawandelforschung in der Gesellschaft zu stiften. Somit werde es Wissenschaftlern erschwert, die Öffentlichkeit über den Klimawandel zu informieren und die nötigen Gegenmaßnahmen einzuleiten.

"Durch die sozialen Medien ist es einfach, Fehlinformationen zu verbreiten. Viele Leser glauben und vertrauen den falschen Behauptungen, ohne sie zu hinterfragen oder zu überprüfen", sagte Amstrup.

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In seiner 30-jährigen Forschungsarbeit in Kanada hat Amstrup miterlebt, wie die Eisbärpopulation in Alaska zwischen 2000 und 2010 um 40 Prozent gesunken ist – der Grund dafür ist das schwindende Packeis. Zwar scheinen die Eisbärbestände in den kälteren Teilen der Arktis stabil, aber es sei offensichtlich, dass die globale Erwärmung und der Rückgang des Meereises eine existenzielle Bedrohung für die Tiere darstellen, so Amstrup.

In ihrer Studie fanden Amstrup und seine Kollegen heraus, dass die beliebteste Quelle von Blogs, die den Klimawandel anzweifeln, ein Blog namens Polar Bear Science ist, der von Crockford betrieben wird.

Wer sich hinter dem liebsten Blog der Klimaleugner verbirgt

Als Archäozoologin beschäftigt sich Crockford eigentlich mit den Überresten von Tieren aus archäologischen Grabungen. Sie leitet ein Beratungsunternehmen namens Pacific Identification, das Knochen- und Muschelfragmente analysiert. Außerdem hat sie eine unbezahlte Stelle an der University of Victoria in Kanada. Crockford gibt selbst an, dass sie keine eigenen Feldstudien über Eisbären durchgeführt hat. Laut eines Beitrags von 2016 im Magazin Up Here war sie bisher auch noch nie in der Arktis.

Gegenüber Motherboard sagte Crockford, dass es keine Rolle spiele, dass sie bisher keine von Experten geprüfte Studie zu Eisbären veröffentlicht habe. "Als professionelle Zoologin bin ich durchaus in der Lage, mir eigenständig über jedes verwandte Thema Wissen anzueignen", schrieb sie in einer E-Mail an Motherboard.

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Crockford ist nicht nur die liebste Quelle von Klimawandel-Kritikern. Sie wird auch regelmäßig als Eisbär-Expertin von US-Mainstream-Medien zitiert und interviewt, darunter auch NBC News. Ende 2016 brachte Crockford zwei Bücher im Eigenverlag heraus, eines davon ist ein fluffiges Kinderbuch über Eisbären und das andere bezeichnete sie selbst als "rationales wissenschaftliches Nachschlagewerk über Eisbären, das Leser auf der ganzen Welt gefordert haben".


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Auf unsere Frage, warum sie so viel Zeit und Energie darauf verwendet, über Eisbären zu sprechen und zu schreiben, antwortete Crockford: "Der Blog gibt mir die Möglichkeit, das, was ich über Eisbären und die Arktis gelernt habe, mit interessierten Menschen auf der ganzen Welt zu teilen."

Auch auf Veranstaltungen des Heartland Institutes spricht Crockford über Eisbären. Die konservative Denkfabrik aus Chicago ist bekannt für ihre Attacken gegen Klimawissenschaftler und die Klimawandelforschung. 2012 ging aus internen Dokumenten der Denkfabrik hervor, dass Crockford eine monatliche Zahlung in Höhe von 630 Euro vom Heartland Institute erhielt.

Auf ihrem Blog bezeichnete Crockford das Paper, das in BioScience erschienen ist, als persönlichen Angriff und "eine ganz absonderliche Art der 'wissenschaftlichen' Verleumdung".

Tierschutzorganisationen auf der ganzen Welt sind sich hingegen einig, dass der Eisbär weiterhin durch den Klimawandel gefährdet ist. Sowohl die USA als auch Kanada stufen die Eisbären als bedrohte Tierart ein. Auch die Weltnaturschutzunion IUCN führt den Eisbären als "gefährdet" in seiner Roten Liste gefährdeter Arten und rechnet mit einem weiteren Rückgang der Bestände.