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Wie Gottesanbeterinnen Vögeln auf der ganzen Welt das Hirn aushacken

Nach einer neuen Studie steht fest: Die Fangschrecken verspeisen auch relativ große Vögel. In zwei Fällen beobachteten die Forscher sogar, dass sie während der Paarung mit einem Männchen zur Tat schritten.

Es klingt wie ein Horrorfilm: Große fleischfressende Insekten fallen blitzschnell über ihre Beute her und laben sich genüsslich an deren Hirn. Genau das ist bei weiblichen Fangschrecken aber tagtäglich Realität. Die Fluginsekten sind unter dem Namen Gottesanbeterinnen geläufiger und auch berüchtigt dafür, die Männchen ihrer Art nach dem Sex zu verspeisen. Nun ist dank einer neuen Studie ein weiterer – für menschliche Gemüter grausiger – Fakt über die Fangschrecken zu Tage gekommen: Die großen Insekten machen sich auch über kleine Vögel her.

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Nur wenige Menschen werden in freier Wildbahn Zeuge davon, wie Gottesanbeterinnen, die auch als Fangschrecken bezeichnet werden, einen Vogel erlegt. Darum beschloss eine Gruppe von Zoologen aus der Schweiz und den USA, das Phänomen zu untersuchen. Die Forscher analysierten 147 Vorfälle, die von Wissenschaftlern oder Amateuren aufgezeichnet wurden, bei denen Gottesanbeterinnen Jagd auf Vögel machten.

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"Die meisten erfahrenen Vogelbeobachter und Ornithologen haben wenigstens schon einmal von diesem Verhalten gehört, doch viele Hobby-Beobachter sind nach wie vor geschockt, wenn sie davon hören", schreibt der Umweltschützer Kenn Kaufman Motherboard in einer E-Mail. "Eine Vogel-Fachzeitschrift veröffentlichte vor ein paar Jahren ein Bild von einer Gottesanbeterin, die einen Kolibri frisst. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, sind einige Leser damals völlig ausgeflippt."

Das Phänomen wird auf der ganzen Welt beobachtet

Die Ergebnisse der Forscher wurden kürzlich im Fachmagazin Wilson Journal of Ornithology veröffentlicht. In ihrem Paper stellen sie fest, dass Gottesanbeterin auf der ganzen Welt Jagd auf ahnungslose Vögel machen. Die erbeuteten Vögel gehörten zu 24 unterschiedlichen Arten aus 14 Vogelfamilien. Fast 70 Prozent der Fälle wurden in Nordamerika beobachtet, hier machten Kolibris den Großteil der Beute aus. Laut der Studie wurden die meisten Attacken dabei in den US-Bundesstaaten New York, North Carolina, Texas, Arizona und Kalifornien beobachtet.

"In älteren Büchern findet man viele Anekdoten darüber, dass Gottesanbeterinnen ungewöhnliche Beute fressen, wie Tausendfüßler und giftige Spinnen. Doch diese Ereignisse sind oft auf sogenannte 'Gladiatoren'-Kämpfe zurückzuführen, in denen Forscher eine Gottesanbeterin und ein anderes wirbelloses Tier zusammen in ein Glas oder einen Käfig gesperrt haben", erklärt der Ökologe Michael Maxwell, einer der Autoren der Studie, gegenüber Motherboard.

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Mit ihrer Studie wollten die Forscher die Frage klären, "wer der Jäger und wer der Gejagte ist", fügt Maxwell hinzu. Dank Portalen wie YouTube konnten die Forscher dabei auf viele Videoaufnahmen von Gottesanbeterinnen beim Vogelfang zurückgreifen.

Die Biologen konnten das außergewöhnliche Jagdverhalten bei zwölf verschiedenen Arten der Gottesanbeterin und auf allen Kontinenten außer der Antarktis beobachten. Martin Nyffeler, Hauptautor der Studie und Dozent an der Universität Basel, bezeichnete die Ergebnisse in einem Statement als "spektakuläre Entdeckung".

"Das Überraschendste ist für viele von uns, dass sehr viele Vögel, die keine Kolibris sind, zu den Opfern der Gottesanbeterinnen zählen", fügte Kaufman hinzu. "Die anderen sind zwar alle sehr kleine Singvögel, aber einige müssen trotzdem mehr als 10 Gramm wiegen. Ganz schön viel für ein so kleines Insekt, sollte man meinen."


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Interessanterweise stellten die Forscher fest, dass es sich bei allen vogelfressenden Gottesanbeterinnen um weibliche Tiere handelte. Die Weibchen sind zwar nicht grundsätzlich aggressiver als Männchen, aber durchaus für sexuellen Kannibalismus bekannt. In zwei Fällen beobachteten die Forscher sogar, dass weibliche Fangschrecken einen Vogel fraßen, während sie sich gleichzeitig mit einem Männchen paarten.

Auch wenn dieser Umstand in der Studie nicht weiter untersucht wurde, bemerkten die Forscher, dass meist größere Gottesanbeterinnen mit einer durchschnittlichen Körpergröße von sechs Zentimetern auf Vogeljagd gingen. Zu dieser Beobachtung passt, dass bei einigen Arten der Gottesanbeterinnen die Weibchen wesentlich größer als die Männchen sind.

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Die Angriffsstrategie der Fangschrecken

Meist wurden die Vögel an Futterstellen aus dem Hinterhalt angegriffen. Fast immer zielten die Gottesanbeterinnen zuerst auf den Kopf, Hals oder die Kehle ihrer Opfer ab. Die Vögel waren normalerweise innerhalb weniger Minuten tot, gaben jedoch nicht kampflos auf. Manchmal skalpierten und enthaupteten die Fangschrecken ihre Beute auch – dieses für menschliche Augen brutale Verhalten wurde zuvor ebenfalls bei der Paarung zwischen Fangschrecken beobachtet.

Eine besonders brutale Angriffstaktik wird in der Studie detailliert beschrieben:

Normalerweise nähert sich die Gottesanbeterin dem Vogel, der immer kopfüber hängt. Dann dringt sie durch eines der Augen in die Schädelhöhle ein und verzehrt das Hirngewebe… Wir haben mehrfach beobachtet, dass die Gottesanbeterinnen den Vogelkopf fraßen und in mindestens zwei Fällen schnitten sie den Kopf ab, nachdem sie genug gefressen hatte.

Sind Gottesanbeterinnen eine Gefahr für den Vogelbestand?

Im letzten Jahrhundert wurden zwei große Arten der Fangschrecke, die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) und die Große Chinesen-Mantis (Tenodera sinensis), in Nordamerika als Schädlingsbekämpfer eingeführt. Die Studie stellt die These auf, dass die Gottesanbeterinnen den Kolibri-Bestand in der Region bedrohen könnten. Doch die wenigen Tiere, die den Fangschrecken zum Opfer fallen, sind definitiv keine größere Gefahr für die Kolibris als beispielsweise die Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums durch den Menschen.

"Auch wenn das Verhalten seltsam und grausam wirkt, glaube ich nicht, dass es für das Überleben der Kolibris eine Gefahr darstellt, da diese Fälle im Vergleich zur Gesamtpopulation nicht sehr häufig auftreten", meint Kaufman. "Daher denke ich, dass es zwar ein interessantes Phänomen ist, aber aus Sicht des Artenschutzes kein Grund zur Sorge darstellt."

Wenn du also Zeuge wirst, wie eine Fangschrecke genüsslich das Hirn eines kleinen Vogels aussaugt, misch dich am besten nicht ein. Schau einfach schnell weg und denk daran: Die Natur ist grausam.