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Warum Zuckerbergs und Chans neues Gesundheits-Startup eine große Sache ist

Das Startup Meta will der Wissenschafts-Community mit Künstlicher Intelligenz helfen, den Überblick über 2 Mio. jährliche Veröffentlichungen zu bewahren und den Forschungprozess beschleunigen.
Priscilla Chan und ihr Ehemann Mark Zuckerberg bei der Verleihung des Axel Springer Awards. Bild: imago

Die Chan Zuckerberg Initiative hat auf ihrer philantropischen Mission einen großen Coup gelandet. Am Montag gab die 45 Milliarden Dollar schwere Stiftung des Ehepaars Dr. Priscilla Chan und Mark Zuckerberg bekannt, das Startup Meta gekauft zu haben, lediglich die zuständigen Gerichte müssten noch zustimmen. Die kanadische Firma hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand Künstlicher Intelligenz mehr Übersicht in die Veröffentlichungsflut der Wissenschafts-Community zu bringen und die Publikationen besser miteinander zu verknüpfen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Medizin: Meta möchte laut eigener Aussage dazu beitragen, bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Menschheit von Krankheiten zu befreien.

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Zuerst einmal will Meta Forschern helfen, die Nadel, die sie im Heuhaufen der Veröffentlichungen suchen, schneller zu finden. Und der Heuhaufen wächst langsam zu einem Berg an. Einer Studie zufolge vermehrt sich der wissenschaftliche Output jedes Jahr um acht Prozent, alle neun Jahre verdoppelt er sich. 2015 erschienen demnach rund zwei Millionen Publikationen. Als Prüfsiegel für einen wissenschaftlichen Artikel gilt die bestandene Peer Review, eine Art methodische und faktische Prüfung von Fachkollegen. Auch wenn man sich bei der eigenen Recherche nur auf diese überprüften Artikel beschränkt: Wie soll ein Mensch bei so viel Information entscheiden, welche Arbeiten die höchste Qualität haben? Und welche Artikel für die eigene Forschung relevant sind?

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Big Data und Künstliche Intelligenz sollen Wissenschaftlern dabei von nun an unter die Arme greifen. Meta archiviert jetzt schon mehr als 26 Millionen wissenschaftliche Artikel, die über ein riesiges neuronales Netz miteinander verbunden sind. Irgendwann sollen alle Science Paper weltweit dort zu finden sein. Dabei werden Autoren, zitierte Artikel und verwendete Schlagwörter automatisch nach Qualität, Peer Reviews, und Häufigkeit in anderen Publikationen bewertet. So lassen sich Artikel nach Relevanz einordnen, und nicht lediglich nach den besten SEO-Schlagworten oder den renommiertesten Journalen. Meta ist eine Art Google PageRank, das für wissenschaftliche Publikationen optimiert wurde. Statt vielen Backlinks sollen verlässliche Quellen und relevante Inhalte belohnt werden. Zur Plattform gehört auch ein soziales Netzwerk, worüber Nutzer sich austauschen können. Jeder neue Artikel, so die Vision, soll in Zukunft durch den Algorithmus geschleust werden und für jeden Interessenten sofort auffindbar sein.

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Meta soll umsonst verfügbar werden

Bei den heute führenden Wissenschaftsportalen wie ThomsonReuters' Webofscience oder Scopus von Elsevier verschlagworten Autoren und Redakteure die gelisteten Artikel von Hand, außerdem wird nur ein Teil der wissenschaftlichen Literatur berücksichtigt. Ein fehleranfälliger Prozess, der die Abonnenten zudem eine Menge Geld kostet.

Und nicht immer lohnt es sich. Der Chemieprofessor Dr. Uwe Böhme etwa hat vergangenes Jahr mit Kollegen einen Artikel verfasst, der in sehr ähnlicher Form schon als Dissertation erschienen ist. „Die Dissertation war in den Datenbanken nicht zu finden. Hätten wir vorher davon gewusst, hätten wir uns viel Mühe sparen können", sagt er im Gespräch mit Motherboard. Ein paar kluge Köpfe haben also doppelte Arbeit geleistet, weil sie nicht voneinander wussten. Der Forscher von der TU Bergakadamie Freiberg kennt das Problem der Inflation wissenschaftlicher Publikationen und hat darüber selbst zusammenfassende Studien wie „Die unendliche Bibliothek" und „Die Vermessung der Fachliteratur" verfasst. „Es ist fast unmöglich, alle Arbeiten auf dem eigenen Fachgebiet zu kennen", schlussfolgert Böhme. Ob das Startup Meta die Antwort auf das Problem ist, könne er noch nicht beurteilen. Aber eine leistungsfähige Wissenschaftssuchmaschine könne sicher Kosten einsparen.

Sam Molyneux, Meta-CEO und Mitgründer des 2010 gegründeten Unternehmens, glaubt, dass Wissenschaftler intensiver und schneller miteinander kommunizieren müssen, um den Fortschritt zu beschleunigen. Durch KI könne Meta sogar in die Zukunft blicken: „Wir haben eine KI-Technologie auf den Markt gebracht, die Millionen von Artikeln liest und zukünftige Entdeckungen schon Jahre vorher sichtbar machen kann", schreibt er in einem am Montag auf der Homepage veröffentlichten Brief. Die Entscheidung, der Chan Zuckerberg Initiative beizutreten, basiere auf gemeinsamen Werten: Der Leidenschaft für den medizinischen Fortschritt, dem Technologieoptimismus, und der Unterstützung von Wissenschaftlern. Er schreibt auch: „Es ist nicht unsere Absicht, von Metas Daten und Ressourcen selbst zu profitieren"; stattdessen solle die gesamte Welt davon Nutzen schlagen.

Das zu glauben fällt nicht ganz leicht, ist doch der weltgrößte Vermarkter von persönlichen Daten bald auch der neue Meta-Besitzer. Doch der philantropische Geist scheint vorerst in die Tat umgesetzt zu werden, denn die Plattform soll gänzlich umsonst sein: Millionen Artikel aus 18.000 Journals und anderen Quellen wird man bald gratis durchforsten können. Bislang mussten Kunden für den Dienst zahlen. Wie und ob Meta in Zukunft Umsätze machen will, wurde noch nicht berichtet, auch nicht, wieviel Geld die Initiative für das bereits mit 7,5 Millionen Dollar finanzierte Startup gezahlt hat.

Der Zukauf passt in die Strategie der Chan Zuckerberg Initiative, die erst kürzlich eine Investition von drei Milliarden Dollar in Gesundheitsprojekte verkündeten. Dennoch ist die Medizin nur ein mögliches Anwendungsgebiet von Meta. Brian Pinkerton, CTO der Initiative, betont in einem Facebook-Post auch Alternativen, „Bildungsforscher könnten etwa einen besseren Überblick über die Erziehungswissenschaften gewinnen".

Inwiefern Meta die Welt wirklich verbessern kann, bleibt Spekulation. Für eine effizientere Wissenschafts-Community sind jedoch alle Weichen gestellt.