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Google entwickelt einen Krebsdetektor

Google X arbeitet an einer Pille, die mit Millionen Nanopartikeln gefüllt ist. Zur Früherkennung von Krebs und Herzinfarkten markieren winzige Kügelchen in unserem Blut gefährliche Stoffe, die von einem Wearable ausgelesen werden.
Ein Karzinom des Rektums. Bild: Wikimedia CommonsKwzGemeinfrei

Nicht jeder bei Google verbringt seine Zeit damit, stratosphärische Sprungrekorde zu brechen, denn das halbgeheime Google X-Labor mit über 100 interdisziplinären Mitarbeitern kümmert sich schon länger um Belange der Wissenschaft—unter anderem nun auch um Nanomedizin. Google entwickelt gerade eine Pille, die unzählige mikroskopisch kleine Magnete in die Blutbahn schleusen will, um Krebs, Herzattacken und andere Krankheiten frühzeitig erkennen zu können.

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Auf der diesjährigen WSJ Digital Conference in Kalifornien stellte der „Head of Life Sciences" Andrew Conrad die Methode vor: „Die Idee ist ganz einfach. Du schluckst eine Pille mit Millionen dieser Nanopartikel, von denen jedes einzelne mit Proteinen dekoriert wurde. Die reisen durch den Körper und kleben sich an Krebszellen."

Die Idee: Die winzigen Nanopartikel mit magnetischem Kern kleben sich an Krebszellen. Alle folgenden Bilder:  Google. Mit freundlicher Genehmigung

Das Google X-Team macht sich dafür die superglatte Oberfläche von mikroskopisch kleinen Nanopartikeln zunutze, die mit Proteinen oder Antikörpern beschichtet werden können. Diese heften sich an andere Moleküle im Körper. An dieser Stelle wurde schon öfter eine Ode auf die wunderbar vielseitig einsetzbaren Nanopartikel gesungen. Trotz allem: Ein verrückter Paradigmenwechsel, dass eine Internet-Firma mit Expertise in Suchmaschinen nun nach Krebs in unseren Körpern suchen will.

„Da der Kern der Partikel magnetisch ist, kann man sie in eine bestimmte Richtung dirigieren", erzählte Conrad auf der Konferenz. Ein tragbares, magnetisches Armband gehört zu der Methode dazu. Es sammelt die Kügelchen in der Pulsschlagader am Handgelenk und liest aus, was diese gefunden haben.

Die Werte sollen per Internet einmal pro Tag an den Arzt übermittelt werden.

„Wir wollen die Magnete an einem zentralen Ort versammeln und fragen: 'Hey, was hast du gesehen? Hast du Krebs gesehen? Hast du Plaque entdeckt, das auf einen Schlaganfall hinweisen könnte, ist da zuviel Sodium im Körper?" Denn Nanopartikel, die sich an andere Elemente im Körper haften, verhalten sich anders als lose Partikel und können so gezählt werden.

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Der massive Vorteil der Technologie läge in der Früherkennung des Krebses durch kontinuierliche Überwachung der Veränderungen im Blut, lange bevor körperliche Symptome auftreten. Denn viele Krebsarten sind gerade deshalb so gefährlich, weil bis zu ihrer Erkennung im fortgeschrittenen Stadium wertvolle Zeit verstreicht. Die Idee von Google Life Sciences sieht vor, dass die Werte des Armbands mindestens einmal pro Tag abgefragt werden. „Unser Traum ist, dass jede Untersuchung beim Arzt nach dieser Methode abläuft.", so Conrad.

Das magnetische Armband zieht die Partikel zur Pulsschlagader und übermittelt Untersuchungsdaten regelmäßig an den Arzt.

Das Wearable, das die Partikel ausliest, könnte so konfiguriert werden, dass es Informationen über das Internet direkt zurück zu der behandelnden Arztpraxis schickt. So könnte der Arzt die Gesundheit seines Patienten konsistenter beobachten, statt dass der Patient nur hier und da mal zu einem Screening kommt.

Bis zur Marktreife liegen da allerdings noch ein paar kleine Hürden: Vor allem müssen die Entwickler geeignete Beschichtungen finden, die die richtigen Elemente anbinden können, um Krankheiten zu finden.

Auch ist noch nicht ganz klar, wie genau der Magnet außerhalb des Körpers die verschiedenen Stoffe durch die Haut erkennen kann, die sich an die Mini-Magnete geheftet haben.

Ähnliche Methoden wie die Bio-Milz gehen in diesem Fall wie bei einer Dialyse vor und ziehen die Magnete  außerhalb des Körpers mit einem stärkeren Magnet komplett aus dem Blut. Wie die Kügelchen den Körper wieder verlassen—ob sie das überhaupt tun sollten oder ob sie mehrfach verwendbar sein könnten—ließ Conrad auf der Konferenz ebenfalls noch offen.

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Damit möchte sich Google eine weitere Erlösquelle erschließen, die über die Online-Werbung hinausgeht. Der Konzern hat laut Conrad zur Abwechslung mal nicht die Absicht, die medizinischen Daten selbst zu sammeln oder zu speichern. Statt die Technik zu verkaufen, soll sie, genau wie die Kontaktlinse, die den Blutzuckerspiegel von Diabetikern in Tränen misst, über Medizintechnikunternehmen auf den Markt gebracht werden. Dafür sucht der Google nun nach Partnern.

Conrad, der zuvor einen kostengünstigen HIV-Test entwickelt hatte, ist auch der Boss der Big Data- Baseline Study, die massenweise anonyme Gesundheitsdaten sammelt, um festzulegen, wie der perfekte gesunde Mensch aussieht. „Wir versuchen, Medizin proaktiv statt reaktiv zu gestalten."

Doch Google ist nicht die einzige Firma, die die Alleskönner Nanopartikel für medizinische Einsatzmöglichkeiten an die Arbeit schicken:  Bind Therapeutics entwickelt beispielsweise speziell beschichtete Teilchen, die mit einem bestimmten Molekül an ihr Ziel geleitet werden und im Körper Krebsmedikamente ausschütten sollen. Dieses Vorhaben befindet sich gerade in der klinschen Testphase.

Kritiker—und urplötzlich direkte Konkurrenten von Google wie der Nanotechnik-Firmengründer Robert Langer vom MIT—  bemängeln gegenüber dem Wall Street Journal, dass der Konzern die Technik nicht zum Einbringen von Medikamenten in den Körper entwickelt, sondern den menschlichen Körper vor allem überwachen will.

Sam Gambhir aus der Radiologie der Stanford Univeristy Medical School berät Google seit über einem Jahr in diesem Projekt und glaubt, dass bis zur Marktreife dieser Technik noch mindestens drei bis fünf Jahre ins Land ziehen müssen.

Aber wenn Googles größenwahnsinniges  Lebensverlängerungs-Projekt Calico bis dahin schon angelaufen ist, bekommen Andrew Conrad und seine Truppe ja noch ein paar Jahrzehnte Lebenszeit Luft zum Forschen.