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Darum wollen Wissenschaftler den 100 Euro-Schein abschaffen

Der größte der Euro-Scheine ist so gut wie Geschichte. Aus Harvard kommt nun die Forderung, auch den 100er aus dem Verkehr zu ziehen.
Bild: Imago

Im Alltag des Otto-Normal-Bürgers ist der Hunni wohl das höchste der Gefühle. Wenn es doch mal um größere Summen geht, sind elektronische Alternativen praktischer und geläufiger.

Einen 500 Euro-Schein hingegen bekommt man selten in die Finger. Dabei sind laut EZB über 600 Millionen davon im Umlauf, was in etwa einem Drittel der Bargeldsumme im Euroraum entspricht. Diese Diskrepanz lässt sich nach Meinung vieler Experten mit den halbseidenen Wirtschaftspraktiken von Kriminellen erklären: In diesen Kreisen nämlich sind große Scheine sehr beliebt. Für illegale Machenschaften wie Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption, aber auch für die Finanzierung des internationalen Terrorismus sind die größten Denominationen ideal, weil der Bargeldverkehr anonym und spurlos vonstatten geht und sich mit den Banknoten viel Geld auf engstem Raum schmuggeln lässt. Aus genau diesem Grund bereitet sich die Europäische Zentralbank gerade darauf vor, den 500 Euro-Schein aus dem Verkehr zu ziehen.

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Wirtschaftswissenschaftler der US-amerikanischen Harvard Kennedy School würden am liebsten noch einen Schritt weiter gehen. In einem kürzlich erschienenen Paper empfehlen sie die Abschaffung großer Banknoten starker Währungen, einschließlich des 100 Euro-Scheins.

Der 500 Euro-Schein heißt in der Unterwelt „Bin Laden": Man weiß, dass es ihn gibt, doch niemand sieht ihn je.

Tatsächlich sei Bargeld in hohen Denominationen in der „Untergrundwirtschaft" attraktiver als etwa Bitcoin, Gold oder Diamanten, so die Wissenschaftler um Peter Sands. Man stelle sich ein Geschäft vor, bei dem eine Million US-Dollar den Besitzer wechseln sollen. Aufgeteilt in 20 Dollar-Scheine wären vier Aktenkoffer nötig, um das Geld zu transportieren. Dieselbe Summe in 500 Euro-Scheinen würde in eine kleine Tasche passen.

„Es sollte wenig überraschen, dass der 500 Euro-Schein in der Unterwelt bekannt ist als ,Bin Laden'", schreiben die Forscher in ihrem Aufsatz. Mit der Banknote ist es wie mit dem (vormals) gesuchten Terroristen: Man weiß, dass es ihn gibt, doch niemand sieht ihn je.

Das Harvard-Team gibt zu bedenken, dass eine Abschaffung des 500 Euro-Scheins zwar helfen würde, Kriminellen das Leben schwer zu machen, da Kosten und das Risiko entdeckt zu werden, stiegen. Aber: „Sie würden Alternativen finden, wie z.B. die nächste Denominationsstufe oder große Scheine in anderen Währungen." Daher plädieren die Wissenschaftler für die sukzessive Abschaffung werthoher Banknoten, darunter die 100 US-Dollar-Note, aber auch die 200 und 100 Euro-Scheine.

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Ihren Vorstoß möchten die Harvard-Volkswirtschaftler explizit nicht als Kampfansage gegen Bargeld im Allgemeinen verstanden wissen. Dieses spiele trotz des Fortschreitens elektronischer Zahlungssysteme eine wichtige Rolle für die Wirtschaft. In den meisten Ländern würden kleine Zahlungen—welche die große Mehrheit der Zahlungen insgesamt darstellten—noch immer bar geleistet.

„Die Frage lautet, warum die Regierungen weiterhin die „Bad Guys" mit großen Scheinen versorgen, wenn diese keine signifikante Rolle in der legalen Wirtschaft spielen."

In Deutschland wird traditionell gern mit Bargeld bezahlt. Der Vorstoß der SPD, zukünftig Bartransaktionen über 5.000 Euro zu verbieten, stoß auf Widerstand bei CDU, Datenschützern und Verbraucherverbänden. In Frankreich gilt bereits ein Limit von 1.000 Euro. In Griechenland ist sogar schon bei 500 Euro Schluss.

„Die Frage lautet, warum die Regierungen weiterhin die „Bad Guys" mit großen Scheinen versorgen, wenn diese keine signifikante Rolle in der legalen Wirtschaft spielen." Zudem sei ihr Vorschlag bei weitem kostengünstiger und einfacher zu implementieren, als bisherige finanzpolitische Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung. Dass hohe Bargeldsummen insbesondere bei skeptischen Sparern beliebt sind, halten die Wissenschaftler für ein schwaches Argument. „Wenn die Menschen aus Angst vor einem Bankenkollaps Geld horten, wären Garantien nicht die bessere Antwort?"