IBM hat gerade den mächtigsten Quantenprozessor aller Zeiten vorgestellt
Das IBM Q Labor | Bild: IBM Research | Flickr | Lizenz: CC BY-ND 2.0

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IBM hat gerade den mächtigsten Quantenprozessor aller Zeiten vorgestellt

Es geht um nichts weniger als die Zukunft von Medizin und Künstlicher Intelligenz. Doch ob im Kampf um die Quanten-Überlegenheit Google, IBM oder ein anderes Tech-Unternehmen das Rennen macht, ist noch offen.

Das IBM Q Labor | Bild: IBM Research | Flickr | Lizenz: CC BY-ND 2.0

Der Wettlauf um die Quanten-Überlegenheit – der Punkt, an dem Quantencomputer den besten konventionellen Computer überflügeln – ist in vollem Gange. Google, IBM und andere Firmen wollen die magische 50-Qubit-Grenze durchbrechen. Ab diesem Moment könnten Quantenprozessoren komplexe Probleme lösen, vor denen heutige Supercomputer wie der IBM Watson kapitulieren müssen. IBM ist diesem Ziel am Mittwoch einen großen Schritt näher gekommen, als sie ihre neueste Entwicklung vorstellten: einen 17-Qubit Quantenprozessor, der bisher leistungsstärkste seiner Art.

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Der Quanten-Prozessor soll kommerziell genutzt werden, erklärt Dario Gil gegenüber Motherboard. Über die IBM-Cloud sollen verschiedene Unternehmen den Prozessor mieten können, um damit komplexe Probleme anzugehen, so der IBM-Vizepräsident der Abteilung Science and Solutions. IBM sei vor allem darauf konzentriert, das System für die Anwendung in den Bereichen Chemie, Finanzen und Logistik zu optimieren und da komme es auf mehr an, "als auf die bloße Anzahl der Qubits".

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"Während Programme wie Watson, die bisher auf herkömmlichen Computern laufen, Muster in großen Datenmengen erkennen können, werden Quantencomputer Lösungen für wichtige Probleme finden, bei denen es zu wenig Daten gibt, um Muster zu erkennen. Herkömmlichen Computern wäre es in diesem Fall nicht möglich, die enorme Anzahl an Möglichkeiten durchzurechnen", schreibt IBM in einer Pressemitteilung. Komplexe Risikoanalysen und die Entwicklung von neuer Medizin aber auch Künstlicher Intelligenz könnte enorm von Quantenprozessoren profitieren.

Warum Quantencomputer konventionelle Rechner in den Schatten stellen könnten

Quantencomputer basieren auf den Gesetzen der Quantenmechanik und sollen einige komplexe Probleme schneller lösen können als herkömmliche Computer. Der Vorteil des Quantencomputers liegt in der sogenannten Superposition: Im Gegensatz zu herkömmlichen Computern müssen sich die Quantenbits nicht zwischen den Zuständen 0 und 1 entscheiden, sondern können theoretisch beide Zustände gleichzeitig einnehmen. Durch diese Überlagerung der Zustände kann die Rechenleistung eines Systems mit jedem zusätzlichen Qubit exponentiell gesteigert werden.

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Der 17-Qubit Prozessor soll im Rahmen von IBMs Programm IBM Q zum Einsatz kommen, in dem Unternehmen Arbeitszeit auf dem Quantenrechner erwerben können. Besonders ist die kommerzielle Ausrichtung, denn bereits zuvor erlaubte IBM Forschern Zugriff auf ihren 5 Qubit-Prozessor, um Quanten-Experimente durchzuführen.

Doch selbst mit IBMs neuester Entwicklung ist die Überlegenheit der Quantencomputer noch in weiter Ferne. Denn momentan können herkömmliche Computer Quantencomputerleistungen simulieren, die 17-Qubit übersteigen, erklärt uns Thomas Vidick, Dozent für Informatik und Mathematik am California Institute of Technology.

Auch Jarrod McClean warnt vor zu viel Quanten-Euphorie: "Viele Gruppen machen zwar große Fortschritte, sich der 50-Qubit-Grenze zu nähern, aber es ist noch völlig offen, wer die Qubit-Geometrie, Gate Fidelity, und die Qubit-Kohärenzzeiten, die für die Quanten-Überlegenheit nötig sind, erreichen wird", so der Informatiker, der im Lawrence Berkeley National Laboratory an Quanteninformatik und -chemie arbeitet. "IBM sollte man definitiv im Auge behalten, aber es ist noch viel zu früh, um Konkurrenten wie Google oder auch Universitätsforscher auszuschließen."

Die Konkurrenz schläft nicht

IBM hat es sich zum Ziel gesetzt, die Quanten-Überlegenheit, die bei 50-Qubits vermutet wird, noch vor Google, Microsoft, Intel oder einem anderen Tech-Unternehmen zu erreichen. Das könnte sich aber tatsächlich als schwieriger erweisen, als gedacht: Google hat zuletzt einen 6-Qubit-Chip entwickelt, den man leicht zu einem größeren System erweitern könnte, berichtet die MIT Technology Review.

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"Unsere Gruppe macht rasante Fortschritte", verkündete Google-Forscher John Martinis bei einem TechIgnite-Talk im März, "und wir hoffen, schon bald ein paar sehr interessante und nützliche Ergebnisse vorweisen zu können." Bis Ende des Jahres plant Google einen 49-Qubit-Prozessor herauszubringen.

Die IBM-Entwickler geben sich trotzdem optimistisch: "In den nächsten Jahren möchte IBM die Technologie weiter voranbringen und das Quantenvolumen zukünftiger Systeme signifikant erhöhen, indem wir die Prozessoren verbessern und auf 50 oder sogar mehr Qubits erweitern", erklärt Gil.