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Werden wir bald Schweine als Organzuchtbänke für Menschen nutzen?

Molekularbiologen legen erste Schritte für die Zelltransplantation zwischen unterschiedlichen Spezies.
Bild: flickr, Tim Geers | CC BY-SA 2.0

Trotz prominenten Werbegesichtern ist der Organspendeausweis lange nicht in jedem Portmonaie angekommen und Patienten müssen teilweise Monate bis Jahre auf eine neue Niere oder ein Spenderherz warten. Doch dank des gentechnischen Tools CRISPR können wir möglicherweise bald Organe von Schweinen transplantiert bekommen—sozusagen frisch vom Züchter und ganz ohne die nervenaufreibende Wartezeit.

Das CRISPR/Cas-System ist eine Genome Editting-Methode, mit der per DNA-Manipulation Organismen relativ einfach genetisch verändert werden können. In den letzten Jahren erlangte dieses Verfahren nicht nur zunehmende Beachtung wegen seiner spektakulären Möglichkeiten für Genetiker—auf Grund der unfassbaren Editier-Optionen dieser Erbgut-Spielerei wurden auch Rufe nach Regulierungen laut.

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Bisher wurde mittels CRISPR immer nur ein einzelnes Gen verändert, doch der Molekularbiologe George Church von der Harvard Medical School, ein Pionier in der CRISPR-Forschung, nahm sich nun 62 Genen auf einmal an. Seine Forschungsergebnisse stellte er kürzlich bei der National Academy of Sciences vor und brachte selbst erfahrene Genetiker und Biochemiker zum Staunen.

Die Idee, Menschen mit Schweineorganen zu versorgen, ist nicht neu. Bereits in den 1990ern wurde diese Art der Transplantation erforscht. Sie gehört zum Feld der Xenotransplantationen, in welchen funktionstüchtige Zellen oder Organe zwischen verschiedenen Spezies übertragen werden. Das Schwein bietet viele Vorzüge als Organspender: Es ist ungefähr so groß wie ein Mensch, relativ gut erforscht und lässt sich leicht züchten.

Bild: geograph, Keith Evans | CC BY-SA 2.0

Allerdings stellte man auch schnell fest, dass Schweine endogene Retroviren in ihrer DNA tragen, die nicht zu denen des Menschen passen. Diese Gene werden als Provirus, der keinen vollständigen Replikationszyklus durchlaufen hat, von Generation zu Generation im Genom des Wirts weitervererbt. Bei Schweinen heißen diese Viren PERVs (Porvine Endogenous Retroviruses). Sie können jedoch selbst neue Viren produzieren und andere, gesunde Zellen infizieren.

Als die Wissenschaftlicher menschliche und schweinische Zellen in einer Petrischale mischten, infizierten diese PERVs auch die humanen Zellen und machten damit die Hoffnung auf eine Übertragung zunichte. Church identifizierte nun, wie viele PERVs sich im tierischen Genom finden lassen und kam auf 62. Mit dieser überschaubaren Zahl hatte er ziemliches Glück, denn eine höhere Anzahl hätte die Möglichkeiten und sicherlich auch die Effizienz des Experiments überschritten.

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Gleichzeitig ähnelten sich diese PERVs in der DNA unterschiedlicher Schweine, was auf die Vererbung durch einen uralten Schweine-Ahn schließen lässt. Church und sein Team programmierten nun ein CRISPR/Cas9-System, das nach diesen endogenen Retroviren Ausschau hält und diese aus der DNA herausschneidet. Der Molekularbiologe musste dafür nicht einmal 62 unterschiedliche CRISPR-Moleküle herstellen: Ein einziges übernahm die komplette Aufräumaktion und entfernte alle endogenen Retrovieren aus der Schweine-DNA.

Zumindest in der Petrischale wurden menschliche Zellen nun nicht mehr vom Schweineerbgut infiziert, und auch wenn diese eine Studie noch lange keine Transplantation ermöglicht, ist das Putzen der Gene ein enormer Durchbruch in der Forschung. Dank der nun ermittelten Verträglichkeit ist zumindest der erste Schritt für eine mögliche Organ- beziehungsweise Zellweitergabe zwischen Mensch und Schwein gelegt.