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Kann ein verkaufter Privatjet Malawi vor der Hungersnot retten?

Joyce Banda hat den Präsidenten-Jet verkauft, aber kann das allein Malawi vor der drohenden Hungersnot retten?

Malawi im südlichen Afrika schafft es meist dann in die internationale Presse, wenn Madonna oder ein anderer Star mit Wohltätigkeitskomplex neue Adoptionspläne verkünden. Als der mittlerweile verstorbene Präsident Bingu wa Mutharika 2009 für 16 Millionen Euro einen Privatjet anschaffte, wollte er da vermutlich mit hausgemachtem aber nicht weniger absurdem Glamour dagegenhalten. Nur blöd, dass niemand das Flugzeug bisher je wirklich benutzt, geschweige denn gebraucht hat.

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Großbritannien, ehemaliger Kolonialherr Malawis und bis dahin größter Geldgeber, kürzte nach der überflüssigen Anschaffung auch kurzerhand die Entwicklungshilfe des Landes um fast fünf Millionen Dollar – und bedankte sich für die Bestätigung der eigenen selbstgerechten moralischen Überlegenheit. Wenn man bedenkt, dass Großbritannien und andere westliche Geber bis zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Prozent zum Staatshaushalts beitrugen, war dies in jedem Fall eine fatale Entwicklung für die ohnehin prekäre Nahrungsmittelversorgung des kleinen Landes.

Die vom Klimawandel angetriebene Gefahr von schweren Dürrekatastrophen, sowie die immer weiter zunehmende Nahrungsmittelspekulation und damit verbundenen Achterbahnfahrten der Preise tragen ihr Übriges zu einer insgesamt katastrophalen Ernährungssituation für die Menschen in Malawi bei. Dieses Jahr sind dank der schlechtesten Ernte seit sieben Jahren, mit einem mickrigen Viertel der üblichen Ertragsmengen, etwa zehn Prozent der Bevölkerung von einer Lebensmittelknappheit betroffen. Wenn sich nichts tut drohen sie, im Laufe des Jahres zu verhungern.

Jemand der im Angesicht dessen wenig von überteuerten Flugzeugen mit jährlichen Wartungskosten von immerhin 220,000 Euro hält, ist die ehemalige Vizepräsidentin neben Bingu wa Mutharika und momentane Staatspräsidentin Malawis: Joyce Banda.

Die gute Frau hat sich nämlich dazu entschlossen, den umstrittenen Regierungsjet zu verkaufen, um damit ihrem Volk zu helfen. Mit dem Geld aus dem Verkauf der Präsidentenmaschine will die Regierung von Malawi hauptsächlich den Hunger in dem armen Land im Süden Afrikas bekämpfen. Der Erlös in Höhe von elf Millionen Euro soll dabei in den Kauf von Mais und in den Gemüseanbau fließen, wie ein Sprecher des malawischen Finanzministeriums mitteilte.

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Außerdem hat Joyce Banda ihr Gehalt, ebenso wie das ihrer Minister, um 30 Prozent gekürzt. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes bezeichnet die ehemalige Unternehmerin und Frauenrechtsaktivistin Joyce Banda dank solcher Aktionen mittlerweile schon als eine der einflussreichsten Frauen Afrikas. In jedem Fall klingen Bandas Anti-Luxus Aktionen erstmal nach sehr ehrenhaften und noblen Ideen, aber kann dadurch einer Hungersnot ein Ende gesetzt werden? Tatsache ist, dass laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Zusammenarbeit 61,64 Prozent (Stand 2010) der Bevölkerung des Landes in extremer Armut leben. Das erklärt auch, warum Malawi mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 260 Euro zu den ärmsten Volkswirtschaften der Welt zählt und auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen gerade mal Platz 171 – von 186 Ländern – belegt. Kein Wunder also, dass die kleine afrikanische Nation enorm von internationalen Hilfsleistungen und Finanzorganen wie dem IWF (Internationaler Währungsfond) und der Weltbank abhängt. Auch für die deutsche Entwicklungspolitik ist Malawi seit längerer Zeit ein Schwerpunktland der internationalen Zusammenarbeit.

In Malawi herrscht eine Unterproduktion von Grundnahrungsmitteln, dennoch wird Tabak in Übermengen hergestellt. Diese Graphik zeigt die Exportanteile, von denen Tabakerzeugnisse mehr als die Hälfte für das Jahr 2012 ausmachten. (via)

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Der Ursprung der malawischen Zwangslage ist vielschichtig. Die strukturelle Nahrungsmittelknappheit ist eine perfekte Kombination aus unzureichender Infrastruktur – 90 bis 95 Prozent der Familien leben außerhalb des Versorgungsnetzes –, geografischen Gegebenheiten, politisch unwirksamen Systemen und wechselnden Wetterbedingungen, für die der Klimawandel der letzten Jahre verantwortlich ist. Die Ausgangssituation für Malawi als Binnenstaat mit wenig fruchtbarem Boden und mit zahlreichen für Naturkatastrophen anfälligen Regionen ist nicht gerade günstig, und es scheint sich nicht zum Besseren zu entwickeln: Vor 2001 waren ,nur' 9 Bezirke Malawis als akut hochwassergefährdet eingestuft, mittlerweile hat sich diese Zahl mehr als verdreifacht. Noch schlimmer als die Überschwemmungen, wirken sich die immer wiederkehrenden Dürren aus: In den Jahren 1987, 1992, 1994, 2004 und 2005 wurde Malawi jeweils als eines der weltweit am stärksten von Dürre betroffenen Länder gemeldet. Gleichzeitig wehrte sich Malawi mit einer agrapolitischen Maßnahme, die ein echter Präzedenzfall in der internationalen Diskussion um Entwicklungshilfe war: Nach einer der schlimmsten Dürren 2005 bei der fast fünf Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen waren, handelte die Regierung entgegen der höflichen Ratschläge bzw. Anweisungen der westlichen Gebergemeinschaft. Trotz anderslautender Strategiepläne des IWF wurden Dünger und Pestizide subventioniert und der Agrarmarkt durch Schutzzölle gegen westliche Importe abgeschirmt. Im Jahr 2007 hatte Malawi seinen Ertrag tatsächlich soweit gesteigert, dass sie sogar Teile ihrer Ernte in benachbarte Länder exportierten konnten. Nachdem Ex-Präsident Mutharika den potentiellen westlichen Gebern von Entwicklungshilfe außerdem auch im Folgenden noch mehrfach ein freundliches „Fickt euch“ hatte zukommen lassen, haben Deutschland und die EU schließlich erst nach seinem Tod im letzten Jahr nun wieder begonnen, dem Land finanziell unter die Arme zugreifen. Nichts desto trotz liegt die Wirtschaft heute in Trümmern und das Land hat harte Sparauflagen des Internationalen Währungsfonds zu erfüllen.

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Mutharika war ein Despot, der Kritiker einsperrte und seine Truppen auf Demonstranten schießen ließ. Dennoch muss man sagen, dass die damalige akute Hungersnot erfolgreich und systematisch bekämpft wurde und das mit einem positiven, wirtschaftlichen Effekt. Der amerikanische UN-Botschafter Alan Eastham gab 2007 zu, dass das staatliche Agrarprogramm prinzipiell gut funktionierte. Laut seiner Einschätzung hätte dem kleinen, afrikanischen Land allerdings keine Masse von subventioniertem Dünger, egal wie groß, geholfen, wenn es nicht geregnet hätte. Was er damit sagen will: Malawis Glück hängt letzten Endes vom Wetter ab. Tatsache ist dennoch, dass die Hilfe zur Selbsthilfe wesentlich mehr bringt als die eher klassische Entwicklungszusammenarbeit, die zu oft auf der Spende von Nahrungsmitteln basiert. Das hat der ehemalige Präsident Mutharika erkannt: „So lange ich Präsident bin, werde ich nicht mehr in andere Hauptstädte fahren um nach Essen zu betteln,“ sagte er. „Unsere Menschen sind arm, weil sie keine Ressourcen haben um den Boden und das Wasser, welches wir haben, richtig zu nutzen.“ Zwischen 2002 und 2007 schickten die USA Nahrungsmittel im Wert von 147 Millionen Dollar als Nothilfe an Malawi, unterstützten den Anbau eigener Nahrung aber nur mit 53 Millionen Dollar. Allerdings, und das überrascht wenig, haben die Amerikaner großes Interesse an der Tabakindustrie im Land. Zwei US-Konzerne teilen sich den Rohtabakmarkt: die Universal Corp., vertreten durch ihre Tochterfirma Limbe Leaf Tobacco, und Alliance One. Immer wieder werden Vorwürfe gegen die beiden Händler wegen Kartellbildung laut. Malawi liegt weltweit auf dem fünften Platz der wichtigsten Tabakanbauländer und bezieht bis zu 70 Prozent seiner Exporteinnahmen aus der Tabakproduktion. Dass es der Präsidentin Joyce Banda nicht gefällt, dass das Rahmenabkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation WHO auf die Reduzierung der Anbauflächen abzielt, ist nicht verwunderlich. Banda versucht die Tabakproduktion aus wirtschaftlichen Gründen zu fördern, denn etwa zwei Millionen Existenzen hängen in Malawi von ihr ab. Die fragile Wirtschaft könnte dies kaum verkraften.

Tabakproduktion in Malawi mag romantisch aussehen. Ist es aber nicht. (via)

Das Ökosystem des afrikanischen Landes hingegen steht dank des Tabaks jetzt schon vor enormen Problemen. Im Südosten Malawis wurde lange Zeit Land für den Tabakanbau urbar gemacht. Als die Fruchtbarkeit des Bodens sank, zogen die Tabakbauern weiter – nun ist dort Wüste. Fast überall wo jetzt Tabak steht, war früher einmal Wald. Die Abholzung für die Landbeschaffung hat drastische Folgen: „Die schwindenden Waldflächen verändern auch das Klima und die Flüsse versickern im kahlen Boden", sagt Greenpeace. Früher verlief die Regenzeit noch von November bis April. Mittlerweile sind es nur noch zwei bis drei Monate. Eine zu geringe Menge Wasser für den Anbau von Mais. Das gleiche gilt erst Recht für Reis, welcher vor längerer Zeit noch angebaut wurde. Mittlerweile kommt kein Bauer mehr auf die Idee, solch eine durstige Pflanze zu verwenden. Viele Bauern entschließen sich dementsprechend zu einem Wechsel ihres Getreides und steigen von Mais auf Nutzpflanzen um, die mehr Dürreresistenz aufweisen, so wie Hirse, Sorghum, Süßkartoffeln oder Maniok. Währenddessen blüht die Tabakindustrie, die Preise schwanken stark und auch heute noch lässt sich eine Bandbreite von Menschenrechtsverletzungen auf den Tabakplantagen finden. In der Zwischenzeit verkauft Joyce Banda allerlei Luxusgüter und kürzt ihr Gehalt. Ein Schritt in die richtige Richtung, möchte man meinen. Schon im vergangenen Herbst kündigte Banda an, dass sie auch die sechzig Mercedes-Luxuslimousinen aus dem Fuhrpark des Präsidentenpalastes verkaufen wolle. Es scheint also nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Frau Banda jeden Tag mit dem Bus zur Arbeit kommt, ob so schnell auch die immensen Probleme der Nahrungsmittel gelöst sein werden, steht auf einem anderen Blatt.