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Sympathie für Facebook

Das soziale Netzwerk realisiert endlich, dass Tod nichts zum Liken ist und überlegt eine Funktion zum Mitfühlen per Klick einzuführen.

Bild: Sam Michel/Flickr

Falls das Silicon Valley irgendetwas nachhaltig verändert hat, dann die Rhetorik und Kommunikation über Gefühle, Freude und Trauer. Der Prozess schmerzhafter Emotionen war, insbesondere bei Todesfällen, schon immer zweigeteilt: Die private Trauerarbeit, die uns helfen soll über den Verlust hinweg zu kommen, und der öffentliche Stoizismus, der allzu unangenehme Beileidsbekundungen vermeiden soll. Heutzutage kann sich das Trauern jedoch wie das Abhaken einer Checkliste anfühlen: gewissenhaft diverse Plattformen updaten, und digitale Zustimmung siganlisieren dafür, dass irgendjemand, irgendwo innerhalb von fünf Sekunden reagiert hat: „Es tut mir so Leid“

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Meine Großmutter ist letzte Woche verstorben, und ich habe davon tatsächlich zuerst dank eines Facebook Status erfahren. Inmitten der Telefonanrufe und Textnachrichten scheint Facebook eigentlich die ideale Ergänzung für die postmortale Kommunikation zu sein, vor allem wenn es darum geht, die ganze über verschiedene Zeitzonen verteilte Verwandtschaft in eine Unterhaltung mit einzubinden. Nichtsdestotrotz bekam ich im Angesicht der Tatsache, dass ich eine mir nahestehende Person nie wieder in meinem Leben sehen werde, die eigenartigste Interaktion meines digitalen Lebens geboten: Die „Likes“ die niemandem gefallen.

Inzwischen ist es allgemeingültig akzeptiert, dass das „Liken“ und auf Twitter „Favoriten“ (dass wir das in Anführungsstriche packen müssen nervt) nur flüchtige Aktion sind, mit denen wir unsere kurzzeitige Aufmerksamkeit und Zustimmung signalisieren—und außerdem zu verstehen geben: „Nein, keine Zeit zum weiteren Interargieren.“

Und die digitale Kürze ist schon ok. Denn wenn man nichts zu erzählen hat, aber auch keiner sagt, das wir dann mal fertig sind mit der Unterhaltung, würden wir uns alle endgültig abgrundtief hassen—und all das nur wegen angeblich unverschämten Nicht-Antworten in einem kilometerlangen Kommentar-Thread. Eine Unterhaltung über Twitter oder Facebook zu führen, ist doch sowieso schon wenig zufriedenstellend. Aber so nervig die kurzen Kommunikationsschnipsel sein mögen, wir brauchen sie dennoch.

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Aber das verkrampfte Anteilnehmen macht mich wütend, auch wenn es nicht wirklich überraschend kommt. Unverfrorene Positivität ist schließlich eine der nervigsten Eigenschaften im Silicon Valley, wo das Versprechen der Weltrettung durch Computer, Apps und Programmierung das beherrschende Dogma der letzten Jahrzehnte war. Es scheint fast als wäre die emotionale Dotcom-Blase nie geplatzt, so als seien Facebook oder Twitter nie auf die Idee gekommen, dass auf ihren Plattformen auch einmal etwas anderes als fröhliche Gedanken zirklulieren könnte.

Ich habe fast ein Drittel meines Lebens auf Facebook verbracht, und dennoch frage ich mich, ob mein Onkel verstehen wird, dass mein „Liken“ seiner Verkündung des Todes seiner Mutter ein Zeichen der Unterstützung sein soll. Andererseits muss ich mir wahrscheinlich auch die Frage gefallen lassen, ob ein nicht „Liken“ des Posts ein Fail meines digitalen Trauerprozesses gewesen wäre. Und selbst habe ich auch nie einen trauernden Facebook Post verfasst; war das auch falsch?

Und jetzt verbreitet sich die Nachricht, dass Facebook über die Idee eines Sympathie-Button nachdenkt. Laut der Huffington Post kamen Facebook Programmierer während eines Hackathons vor einer Weile auf die Idee. Wir sind nun schon im neunten Jahr des unaufhaltsamen Facebook-Siegeszugs, und dennoch wird über einen Mitgefühl- und Emotions-Button gerade einmal diskutiert. Das ist dann doch erstaunlich. Und ein „Dislike“ ist sowieso nur ein unerreichbarer Traum, der sein Zombie Leben in ewig wiederkehrenden Facebook-Kommentaren führt.

Selbstverständlich gibt es vom Standpunkt einer Marke und eines Nutzer ernsthafte Implikationen, sobald du Negativität mit ins Spiel lässt. Die Leute sind online ohnehin schon genug am Trollen. Aber eine Milliarde Menschen zu ermutigen ihr Leben online zu teilen und gleichzeitig ihr emotionales Spektrum von fröhlich bis glücklich einzuschränken, wird unser Kommunikation nur weiter verstümmeln, und diese richtet sich sowieso schon weitgehend danach aus, was die meiste Aufmerksamkeit bekommt.

Facebook sollte hier sicherlich nicht als einziger beschuldigt werden. Wir versuchen alle ein positives und wertvolles Online-Bild zu kultivieren, und niemand hat Zeit für Nieten. Auf jeden Fall scheinen die leuchtenden Versprechen von Social Media realisiert zu sein: Wir alle teilen unser Leben online und haben echte, menschliche Interaktionen statt anonymem Chat-Geblubber.

Ob es uns gefällt oder nicht, die meisten von uns benutzen soziale Netzwerke in allen Lebenslagen, egal wie verworren sie sind—und genau das ist es auch, was die Technologiegiganten schon immer wollten. Aber das Leben ist keine gefilterte Montage einer Autospritztour durch Kalifornien, die mit einem reizenden Retrokamera-Simulakra aufgenommen wurde. Manchmal ist die harte Wirklichkeit einfach Scheiße. Und wenn Social Media erwachsen werden möchte, muss es diese Realität anerkennen. Ich möchte den Tod nicht mehr „liken“ müssen.