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Don't be evil: Wie die Drogensuchmaschine Grams zum Deepweb-Google werden will

Mit Grams läst sich das Warenangebot von Darknet-Schwarzmärkten bequem im Google-Stil durchsuchen. Wir haben mit dem Admin gesprochen, wie er sein Deepweb-Start-up zu einem Onion-Service-Imperium ausbauen will.
​Bildschirmfoto einer älteren Grams Suchmaske, die inzwischen von einem aktualisierten Design ersetzt wurde.

​Das Darknet ist nicht unbedingt ein serviceorientierter Betrieb. Nachdem du endlose Wiki-Listen nach neuen Seiten duchforstest oder durch digitale Mund-zu-Mund-Propaganda von bisher unbekannten Links erfährst, landest du schließlich auf Onion-Domains mit dem Surf-Vergnügen eines Netscape-Browsers. Wenn du nicht weiter weißt, gibt es keine Suchmaschine, mit der du dir in sekundenschnelle eine Lösung ergooglen kannst. Und als Social-Media-Netzwerke dienen Foren, in denen du dir dein Wissen für die Darknet-Benutzung mühsam andiskutieren darfst. Alles in allem eine wohltuende Abwechslung zum Surface Web, durch das dich letztlich doch immer wieder die selben Dienste leiten. Aber für neue Nutzer eben auch nur ein bedingt einladendes Erlebnis.

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Doch trotz Snowden-Enthüllungen und obwohl die Nutzung des Tor-Browsers weiterhin weltweit zunimmt, ist das Deepweb bis heute ein Nischenvergnügen geblieben. Zumindest für den Drogenhandel möchte das Darknet-Start-up Grams die Sache radikal vereinfachen: Unter http://grams7enufi7jmdl.onion (um den Link zu öffnen, brauchst du einen Deepweb-Browser wie Tor) lassen sich durch eine Anfrage bequem diverse Darknet-Schwarzmärkte nach den Waren deiner Wahl durchsuchen.

Ich würde die anderen Entwickler und Betreiber niemals persönlich treffen wollen.

Als Grams im April dieses Jahres als erste und bisher einzige Drogensuchmaschine gelauncht wurde, gab es zwar viel Aufmerksamkeit, aber auch einige Startschwierigkeiten. Nicht nur erlebte die Seite zumindest in den ersten Tagen längere Downtime durch Hacking-Angriffe, sondern es stellten sich auch andere Deepweb-spezifische Herausforderungen: Wie programmiert man einen Suchalgorithmus so, dass er stilsicher zwischen all den illegalen Angeboten dieser Welt unterscheiden kann? Der User möchte schließlich, dass die Suchmaschine auch seine zwei oder drei Ziffern langen Drogenkürzel versteht: 2C, THC, GBL etc.

Nur eines der vielen illegalen Angebote, das von Grams indiziert wird.

Wie mir der Administrator von Grams berichtete, konnte er sich jedoch gerade am Anfang ​stets auf die Hilfe und Entwicklertipps aus der Deepweb-Comminity verlassen. Inzwischen durchsuchen die Algrorithmen von Grams die Angebote von 23 Darkmarkets, und liefern dabei erstaunlich zielsichere und verschiedene Treffer. Zwar funktionieren deutsche Begriffe nicht immer perfekt, aber zumindest im Englischen liefern die Algorithmen immer die gewünschten Treffer.

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Tatsächlich hat sich Grams längst zu einer umfassenderen Plattform gemausert. Seit einigen Wochen gibt es das ​TorAds-Netzwerk, mit dem sich Werbebanner im Stile von Googles Adsense im Deepweb schalten lassen. Es gibt eine Liste, die den Status und mögliche Downtimes aller Darkmarkets anzeigt, und ein Info-Desk-Sevice, das die Top-Händler und Top-Scamer aller Darkmarkets kührt.

Selbstverständlich macht sich der Grams-Administrator auch Gedanken dazu, wie er das ​Konzept der Suchmaschinenoptimierung (SEO) auf das Darknet übertragen kann. Und in meinem E-Mail-Interview berichtete er von weiteren Plänen, mit denen er das im Clearweb so erfolgreiche Geschäftsmodell von Plattformen, die unabhängige Anbieter und Käufer verbinden, für ein benutzerfreundlicheres und faireres Deepweb umsetzen will.

Das Deepweb ist eine globale Community, die Menschen zusammenbringt

Grams bietet längst auch eine stilechte „I'm feeling Lucky"-Option, die allerdings doch etwas herausfordernder ist, als die herkömmlichen Google-Zufallstreffer. Mich beglückte Grams beispielsweise mit Links zu bestem schweizer Chrystal-Anbieter, einem Okkultismus-Handbuch und einer kostenpflichtigen Anleitung, mit der ich meinen Mp3-Player so umstellen könnte, dass er keine Musik, sondern „esoterische elektromagnetische Frequenzen" als psychedelische Wellness-Kur abgeben würde.

I'm feeling Lucky-Resultate.

Ich habe in den vergangenen Monaten mehrfach mit dem Grams-Admin, der sich auch immer wieder auf Reddit zu Wort meldet, kommuniziert. Zur Wahrung seiner Anonymität war er offensichtlich nicht bereit, genauere Angaben zu seiner Person zu machen. Allerdings war er äußerst redselig in Bezug auf seine Pläne mit Grams. Ich habe mit ihm über seine Mission gesprochen, selbst eine zentrale Plattform zu entwickeln, mit der er das Deepweb zu größerer allgemeiner Popularität verhelfen will, und warum er glaubt, dass letztlich wir alle das Darknet brauchen.

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Motherboard: Wie bist du darauf gekommen, eine Suchmaschine für Darknet-Schwarzmärkte zu entwickeln?

Grams Admin: Mir kam die Idee, als ich all diese Posts auf Reddit gesehen habe, in denen die Leute sich erkundigen, wo sie diese oder jene Substanz bekommen können. Es war überdeutlich, dass es einen Bedarf nach einer Seite gab, die alle Darkmarkets durchsuchen kann.

Das Darknet sollte nicht vor der Öffentlichkeit versteckt sein.

Ich wusste, dass sich die Informationen von den Darkmarkets recht einfach durch php zusammenkratzen ließen und nach einer Woche Arbeitszeit habe ich Grams dann gelauncht. Anfangs hatte ich nur die zu der Zeit drei größten Märkte abgedeckt, aber das war kein Problem, denn auf diesen Seiten versammelte sich damals 90 Prozent des Angebots.

Ich hätte nie gedacht, dass die Sache so abgehen würde. Schon am zweiten Tag hatte ich rund 30 Suchanfragen pro Minute. Ich dachte erst meine Statistiken würden spinnen, aber alles war korrekt.

Wie viele Aufrufe hat Grams momentan pro Tag?

Durch das Tracking der Sessions schätze ich, dass zwischen 6.000 und 8.000 User pro Tag Grams nutzen. Die Anzahl der Suchanfragen ist noch einmal etwas höher. Außerdem haben wir momentan rund 1.800 registrierte und aktive Nutzer. Für die Grams-Suche ist allerdings keine Registrierung nötig.

Ich möchte bald damit beginnen, das gesamte Tor-Netzwerk zu indizieren.

Ist es nicht ironisch, dass es ausgerechnet im Deepweb, das ja eigentlich außerhalb der Reichweite zentraler Internetgiganten wie Google operiert, jetzt Suchmaschinen gibt?

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Ich finde das ganz und gar nicht ironisch. Ich finde im Gegenteil, dass unser Angebot sehr wichtig ist. Das Darknet sollte nicht vor der Öffentlichkeit versteckt sein. Die Deepweb-Nutzer sollten lediglich vor der Regierung geschützt sein. Tor ist wirklich ein fanastisches Werkzeug, was jeder nutzen sollte.

Grams erleichtert es, sich im Deepweb zurecht zu finden, dadurch ist es auch einfacher und einladender, um mehr Nutzer für das Darknet zu gewinnen.

Was ist dein Geschäftsmodell mit Grams?

Momentan kommt das meiste Geld immer noch von Helix, dem Bitcoin Mixing-Dienst. Ich möchte mich eigentlich vollständig durch die Werbegelder finanzieren, aber bisher funktioniert das noch nicht.

Die aktuelle Startseite von Grams.

Wie sieht der Deepweb-Handel deiner Meinung nach in fünf Jahren aus?

Das ist ziemlich schwer vorherzusagen. Es ist ja noch nicht einmal klar, wie das reguläre Internet in fünf oder zehn Jahren aussehen wird.

Was ist sagen kann ist, dass in den kommenden Jahren immer mehr Händler ihre eigenen unabhängigen Onion-Verkaufsseiten aufmachen werden. Einige haben schon angefangen, aber das Problem ist, dass 90% dieser Seiten, die außerhalb eines Marktplatzes stehen, ein Scam sind. Wenn die Käufer hier vertrauen aufbauen wollen, ohne das Siegel eines Deepweb-Marktplatzes, dann brauchen wir so etwas wie eine Gewerkschaft der Händler, die die vertrauenswürdigen Seiten unterstützt.

Ich arbeite mit einigen Händlern daran, eine solche Plattform aufzubauen. Momentan sind wir noch in der Planungsphase. Wenn es jedoch ein solides System gibt, um die Scammer auszusortieren, werden sich viele Händler mit guter Qualität uns anschließen.

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Wie funktioniert deine Kommunikation mit den Nutzern? Wirst du häufig angeschrieben?

Ja, ich bekomme den ganzen Tag Nachrichten über Reddit, die Webseite und an meine E-Mail-Adresse. Ich versuche, alle Anfragen innerhalb von einer Stunde zu beantworten und habe dafür extra einen Support-Mitarbeiter eingestellt. Meist sind es die selben Fragen: Wie funktioniert die Bitcoin-Zahlung, wie funktioniert PGP. Wir wollen das auch Einsteigern so gut es geht erklären.

Wir sind durch unseren Kundenservice so erfolgreich geworden. Im Darknet gelten keine Gesetze und niemand kann so einfach zur Rechenschafft gezogen werden. Jedes Mal wenn ein User Bitcoins an eine Seite schickt, muss er befürchten gescamt zu werden. Aber versuche, den Leuten diese Angst zu nehmen, dadurch dass ich immer zur Stelle bin und Fragen beantworte. Das hilft ein Vertrauen in Grams aufzubauen.

Ich werde spannende Tor-Seiten aufkaufen und in meine TorAds-Plattform integrieren.

Und wie kommunizierst du mit anderen Entwicklern?

Mit den Entwicklern und anderen Seitenbetreibern tausche ich mich über PGP-verschlüsselte E-Mails und verschlüsselten Chat aus. Ich versuche, meine Anonymität so gut es geht zu wahren. Ich würde die anderen niemals persönlich treffen wollen.

Natürlich würde ich normalerweise liebend gerne mit einer Gruppe Programmierer persönlich zusammenarbeiten, aber es liegt in der Natur der Sache, das Grams mit Drogen und anderen illegalen Dingen zu tun hat, und deshalb möchte ich dieses Risiko nicht eingehen. Das sollte niemand tun. Größtmögliche Anonymität ist entscheidend im Deepweb und so sollte das auch bleiben. Ich werde es immer so handhaben, sogar wenn ich an anderen Projekten arbeite.

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Das Info Desk von Grams listet Top-Händler und Betrüger und bietet eine Möglichkeit nach Händler-Usernamen zu suchen. Bildschirmfoto.

Was bedeutet das Deepweb für dich als Tool? Kann es eine moralische Technik sein oder ist es einfach nur eine Möglichkeit, um an Drogen oder gefährliche Waren zu kaufen?

Ich glaube, dass es für 90 Prozent der User einfach nur ein Tool ist, um an Drogen zu kommen, an die sie sonst nicht sicher herankommen würden.

Ich würde mir aber wünschen, dass es auch mehr und mehr zu einem politischen Instrument wird. Ich glaube zum Beispiel daran, dass Tor-Webseiten zu einer wichtigen Plattform für Journalisten und Whistleblower werden könnten, sobald diese Onions-Domains leichter erstellt werden können. Wir brauchen noch mehr Tor-Seiten, die sich dem Kampf für mehr Meinungsfreiheit verschreiben und Dissidenten unterstützen.

Die Deepweb-Community ist global und bringt Menschen aus allen sozialen Gruppen zusammen. Anfangs war es noch eine Sache für die paranoiden Hacker-Typen; inzwischen wird es wirklich zu einem Werkzeug für die unterschiedlichsten Menschen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft mit Grams?

Ich möchte anderen guten kleineren Seiten mit meiner Plattform helfen, die sonst nicht genug Traffic bekommen und wieder schließen müssen. Einige der spannenden Seiten da draußen möchte ich in den nächsten Monaten aufkaufen. Meine Programmierer sollen dann deren Code so anpassen, dass es Grams-Usern direkt möglich wird, auf den Service der Seite zuzugreifen und auch Bitcoins-Geschäfte mit den Seiten direkt über Grams abzuwickeln. Vor allem mit TorAds werde ich diesen Seiten helfen, Traffic zu generieren und sich besser finanzieren zu können. Es ist meine Form, den kleineren zu helfen.

Außerdem möchte ich mein Review-System für die Händler und Seiten noch einmal verbessern. Und wenn es mehr nützliche unabhänige Angebote auf eigenen Onion-Domains gibt, die kein Scam sind, dann möchte ich bald wieder damit beginnen, das gesamte Tor-Netzwerk zu indizieren.