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Facebook sperrt Schwule, die „Schwuchtel“ schreiben

Facebook entpuppt sich als ein weiterer Ort, an dem wir nicht frei sein können.

In den letzten zwei Monaten wurde mein Facebook-Konto mindestens dreimal gesperrt. Der Grund dafür waren keine rassistische Bemerkungen oder pornographische Bilder. Ich wurde von anonymen Administratoren von der beliebtesten Social-Media-Seite gekickt, weil ich „Schwuchtel“ geschrieben habe.

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich mittlerweile schon gesperrt wurde—mein Dasein als Schwuchtel ist gut dokumentiert und gelegentlich bezeichne ich mich oder meine schwulen Freunde im Scherz als Schwuchteln, genau wie manche Schwarze das N-Wort benutzen und Schwulenaktivisten sich Anfang der 90er Jahre „queer“ nannten. Ende April habe ich meinen Freund Gabriel in einem Kommentar unter einem Link, den ich gepostet hatte, Schwuchtel genannt, und er hat meinen Kommentar geliked. Auch wenn wir ständig solche Dinge machen, konnte ich daraufhin sieben Tage lang nichts mehr auf Facebook posten. Ich sehe ein, dass Facebook einen Heterosexuelle sperrt, wenn er das Wort ,Schwuchtel‘ verwendet. Auf der katholischen Schule haben heterosexuelle Jungs das Wort fast täglich benutzt, um sich auf dem Schulhof über mich lustig zu machen. Gabriel und ich haben die homophobe Beleidigung jedoch auf scherzhafte oder stolze Art und Weise verwendet und ihr dadurch die verletzende Bedeutung genommen. Als Facebook mich zum ersten Mal wegen dieses Ausdrucks gesperrt hat, ging ich davon aus, dass es einen Hassreden-Algorithmus gibt, der mich als Hetero eingestuft hat, doch dann erinnerte ich mich daran, dass Facebook mir regelmäßig HIV-Werbung anzeigt, die sich an schwule Männer richtet. Zuckerberg & Co. kennen meine sexuellen Präferenzen—dass ich auf Männer stehe, habe ich sogar auf meinem Profil angegeben.

Nachdem ich gesperrt wurde, beschloss ich herauszufinden, wie Facebook entscheidet, wer wegen der Verwendung des Wortes „Schwuchtel“ gesperrt wird. Die Nutzungsbedingungen zu diesem Thema sind vage: Du darfst andere Nutzer „weder tyrannisieren noch einschüchtern oder schikanieren“ und keine „Hassreden“ posten. Auf der Seite zu den Standards der Facebook-Gemeinschaft geht man etwas mehr ins Detail: „Facebook erlaubt keine Hassbotschaften, unterscheidet allerdings zwischen ernsthaften und humorvollen Botschaften. Auch wenn wir dich dazu ermuntern, Ideen, Institutionen, Veranstaltungen und Praktiken in Frage zu stellen, erlauben wir es einzelnen Personen oder Gruppen nicht, andere aufgrund ihrer Rasse, Volkszugehörigkeit, nationalen Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung, ihres Gesundheitszustands oder Geschlechts anzugreifen.“ Ich verstehe nicht, wie die öffentlich geführte Unterhaltung zwischen Gabriel und mir als ernsthafte Hassrede interpretiert werden konnte—und wenn es tatsächlich jemanden gibt, der sich durch das Wort „Schwuchtel“ so sehr angegriffen fühlt, dass er mich meldet, hätte er mich wahrscheinlich lieber einfach als Freund entfernen sollen.   Da Facebook nicht angibt, für wie lange jemand gesperrt wird, habe ich eine Nachricht an die Seite geschickt, in der ich meine Situation erklärte und die Entscheidung anfechtete. „Ich bin schwul, wurde aber gesperrt, weil ich das Wort ,Schwuchtel‘ verwendet habe“, schrieb ich. „Weil ich schwul bin, werden auf meiner Seite HIV-Anzeigen gepostet, was eine Beleidigung ist. Ich dagegen darf nicht ,Schwuchtel‘ sagen, obwohl das ein Wort ist, das von Schwulen benutzt wird. Bitte entsperrt mein Konto.“ Ich bekam nie eine Antwort. Als ich in Anfang Mai wieder Kommentare posten durfte, suchte ich nach Wegen, das F-Wort zu verwenden, ohne dafür gesperrt zu werden. Meine Freundin Pearl empfahl mir, die ‚G's durch Neunen zu ersetzen, so wie ihre schwarzen Freunde „Ni99a“ auf Facebook schreiben. Ich fühlte mich damit unwohl—warum sollte ich mich selbst zensieren? Da mir kaum etwas anderes übrig blieb, beschloss ich, es fortan zu vermeiden, S-C-H-W-U-C-H-T-E-L zu schreiben. Dieses Wochenende passierte mir jedoch ein Ausrutscher. Ich hatte einen Artikel der New York Times über Triggerwarnungen gepostet, um überempfindliche College-Studenten zu kritisieren. Ein Freund von mir schrieb den Kommentar, dass man mich für diesen Post melden würde, und ich antwortete: „Ich bin eine ständig gemeldete Schwuchtel.“ Am nächsten Morgen wurde mein Konto für 30 Tage gesperrt. Da ich am Wochenende die Social-Media-Accounts von VICE bearbeite, konnte ich es mir im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, einen Monat lang auf die Privilegien von Facebook zu verzichten. Also wendete ich mich an Facebook, um herauszufinden, was das verdammte Problem wa

Ich fragte mich, ob Facebook einen Roboter besitze, der Statusmeldungen und Kommentare nach beleidigenden Schlüsselbegriffe durchforstet, doch ein Vertreter der Seite sagte, dass es etwas Derartiges nicht gäbe. „Wenn jemand Inhalte als Hassrede meldet, entfernen wir sie, wenn sie Andere aufgrund der Rasse, ethnischen Zugehörigkeit, Herkunft, Religion, Geschlecht, Gender, sexueller Orientierung, Behinderung oder Krankheit angreifen“, sagte er. Außerdem sei Facebook sich über die Schwulenproblematik im Klaren und fasse entsprechende Entscheidungen zusammen mit ihrem Sicherheits-Beratungsausschuss und dem Network of Support, die beide eine LGBT-Interessenvertretung umfassen. Nach meinem Gespräch mit dem Vertreter überprüfte das Facebook-Team meine Seite noch einmal und beschloss, die Entscheidung zurückzuziehen—angeblich war ihnen ein Fehler unterlaufen. (Um die Seite zu testen, habe ich gepostet, dass ich eine Schwuchtel bin, woraufhin ich nicht gesperrt wurde.) Wenn es tatsächlich ein Fehler gewesen sein sollte, ist er ihnen in den letzten beiden Monaten mindestens dreimal unterlaufen und ich hätte nicht mehrere Nachrichten verschicken (und mit einem Artikel drohen) müssen, um wieder ,Schwuchtel‘ sagen zu dürfen. Mein Fall zeigt, dass Facebooks System, User zu melden und ihre Konten zu sperren, starke Schwachstellen aufweist. Facebook hat Community-Standards aufgestellt, um Schwule und andere Minderheiten zu schützen, die am Arbeitsplatz und in der Schule regelmäßig zensiert, eingeschränkt und zurückgewiesen werden. In der Sorge, dass jemand ein Wort oder einen Satz, den wir schreiben, missverstehen könnte, wird uns über die Schulter geschaut. Und statt mit uns zu reden, werden wir einem sperrwütigen Administrator gemeldet. Facebook entpuppt sich als ein weiterer Ort, an dem wir nicht frei sein können.